Swiss Hard Rock and Heavy Metal Magazine since 1999
You can reach us via email or phone.
+41 (0) 79 638-1021
"...Alleine wegen dem Spruch «Too Mean To Die», was eine lockere Übersetzung für «Unkraut vergeht nicht» ist..."
«Too Mean To Die» steht in den Startlöchern. Das 16. Studioalbum von Accept war für Gitarrist Wolf Hoffmann ein besonderes. Brach doch mit Bassist Peter Baltes sein langjähriger "Partner in crime" weg. Das Was und Warum scheint ein Geheimnis zu bleiben. Keines hingegen das neue Werk, bei dem Wolf von einem anderen Bassisten Unterstützung erhielt. Was Sabaton für eine Rolle spielt, wie der Gitarrist zu dem verschmähten «Eat The Heat»-Album steht und wie einfach es ist mit der Band-Managerin verheiratet zu sein, analog wie Ozzy mit Sharon oder Ronnie James Dio mit Wendy, erzählt der in Florida lebende Deutsche.
MF: Wie war es für dich, das neue Werk «Too Mean To Die» zu schreiben? Anders als sonst?
Wolf: Eigentlich nicht. Natürlich hat mir im Endeffekt mein Buddy Peter gefehlt. Aus dem einfachen Grund, weil wir aneinander gewöhnt waren. Wie ein altes, eingespieltes Team, auch wenn wir früher immer wieder jeder für sich in seiner Kammer Songs geschrieben hat. Dieses Mal musste ich relativ viel selber komponieren. Peter fehlte, um meine Ideen gemeinsam zu bearbeiten. So begann ich früh, mich mit Andy (Sneap, Produzent) hinzusetzen. Gemeinsam fischten wir die ersten sechs Songs heraus, welche wir bearbeiteten. Ich bat meine anderen Band-Members und sagte zu ihnen: "Leute, wer Ideen hat, lasst es mich bitte hören, ich bin offen für alles. Es muss nur nach Accept klingen". Glücklicherweise und völlig überraschend hat unser neuer Bassist Martin Motnik viele brauchbare Ideen abgeliefert. Das hat mich total gefreut. So war ich dann nicht ganz alleine (lacht).
MF: War dieses "anders" einfacher oder schwieriger?
Wolf: Eher ähnlich… - Es ist immer wieder schön aus anderen Einflüsse oder anderen Songs auswählen können. Es war eher vergleichbar. Der Weggang von Peter hat mich sehr geschmerzt. Das ist jetzt aber auch schon fast zwei Jahre her, und irgendwie muss es weitergehen.
MF: War der Ausstieg von Peter etwas Überraschendes oder hat sich dies in den letzten Jahren abgezeichnet?
Wolf: Wie es gehandhabt wurde, war sehr überraschend. Dass was mit ihm im Argen war, war schon länger klar. Ich spürte, dass sein Feuer weg und das Interesse ziemlich erloschen war. Man hatte am Schluss den Eindruck, dass er seinen Dienst nach Vorschrift absolvierte. Er war nicht mehr der ganz alte Peter. Jeder geht durch verschiedene Phasen in seinem Leben. Peter hatte diese schon immer. Mal war er total begeistert von der Sache und dann eher schwerfällig. Ich vermisse nicht den Peter von vor drei Jahren, sondern eher den von früher.
MF: Seit der zweiten Reunion waren Peter und du das Aushängeschild von Accept…
Wolf: …genau…
MF: …besteht jetzt die Gefahr, dass Accept zu einer Solo-Band von dir wird?
Wolf: Ja gut, ich kann dies schlecht beeinflussen. Am Ende bin ich derjenige, der nie ausgestiegen ist. Der letzte Mohikaner (lacht). Alle anderen haben sich irgendwann entschieden zu gehen. Das ist nicht meine Schuld. Ich wünschte Peter und die anderen wären noch dabei. Menschen ändern sich. Von was sie getrieben werden, kann ich nicht so ganz nachvollziehen.
MF: Nach den letzten Chart-Platzierungen, wie gross war der Druck beim Songschreiben der neuen Lieder?
Wolf: Ach Gott, der Druck ist immer gleich. Der kommt nicht von den Platzierungen in den Charts, sondern von dir selber, und weil man seinen eigenen Ansprüchen gerecht werden will. Man versucht immer das Bestmöglichste aus sich heraus zu holen. Noch besser zu werden und noch geilere Songs abzuliefern.
MF: Wenn du das Songwriting von heute mit dem von früher vergleichst, wusstest du immer, wann du einen Hit geschrieben hast? Wie damals mit «Metal Heart», «Princess Of The Dawn» oder «Balls To The Wall»? Repsektive gab es Lieder, bei denen du dachtest, das muss ein Hit werden und es wurde trotzdem keiner?
Wolf: Die gibt es immer und von denen mehr, als von den anderen (lacht). Man denkt, das wird der Knaller und er wird doch eher ein Rohrkrepierer. Auf den ersten Alben versuchten wir einen radiotauglichen Track zu schrieben. Da gab es diesen schrecklichen Song «I Wanna Be No Hero»… Oder auch «I’m A Rebel» ist entstanden, weil man uns nahelegte, ein Lied fürs Radio zu kreieren. Das hat für uns aber nie funktioniert. Solche Hits entstehen eher zufällig. «Princess Of The Dawn» war damals ein Experiment und war inspiriert von Alex Harveys Song «The Faith Healer». Dass dieser nach 30 Jahren ein Evergreen wurde, konnte damals niemand erahnen. «Fast As A Shark» war eher eine lustige Idee, die aus einer Laune heraus entstand. Die Bedeutung, welcher dieser Track für die Metal-Welt hatte, konnte niemand wissen.
MF: Wofür steht die Schlange auf dem neuen Cover?
Wolf: Alleine wegen dem Spruch «Too Mean To Die», was eine lockere Übersetzung für «Unkraut vergeht nicht» ist... - Gerade in diesen Corona-Zeiten ist dies ein witziges Statement. Trotz aller Tragik denke ich, dass man sich irgendwann wieder aufrichten sollte. Die Leute haben doch genug von dem ganzen Virus und wollen nun ein "straight in your face" frisches Metal-Album. Der Spruch passt gut in die Landschaft. Wie kann man dies graphisch und sinnbildlich umsetzen? Unkraut abbilden ist vielleicht nicht so der Hit (lacht). Eine Schlange symbolisiert stetig das Böse. Warum auch immer, ich verstehe das gar nicht und hängt vielleicht mit den biblischen Zeiten zusammen. Wiedermal kam die Idee von Gaby, unserer Managerin.
MF: Kommen wir zur letzten Tour, da habt ihr Sabaton supportet. Wie war das für dich nach all den Jahren nicht als Headliner auf der Bühne zu stehen?
Wolf: Cool! Das war überhaupt kein Problem. Wir sind nicht auf allen Festivals Headliner, wieso sollten wir damit ein Problem haben? Ich weiss, dass dies bei den Fans kontrovers aufgenommen wurde, weil viele dachten, dass eine etablierte Band wie Accept nicht das Vorprogramm bei Sabaton spielen sollte. Warum eigentlich nicht? Sabaton ist eine Truppe, die viele Tickets verkauft und ein völlig anderes Publikum als wir anzieht. Vielleicht hat dies auch seine positiven Seiten, wenn wir anderen Fans unsere Musik vorspielen?! Das hat total gut funktioniert. Ist man immer im gleichen Genre unterwegs, mit Judas Priest, Iron Maiden und Saxon, spielt man stetig vor den gleichen Leuten. Mit Sabaton performten wir vor viel jüngeren Fans. Das ist eine andere Generation , und das war richtig cool! Viele unserer eingefleischten Fans waren aber irgendwie beleidigt (lacht).
"...Sie hatten einen Plan und feilten umtriebig an ihrer Karriere. Das hat sich ausbezahlt. Alleine deswegen muss man Sabaton Respekt zollen..."
MF: Man weiss ja auch, dass Sabaton das Metal-Publikum spaltet. Entweder man findet sie cool oder scheisse…
Wolf: …das ist völlig korrekt. Selber bin ich mit meiner Meinung sehr gespalten. Musikalisch ist die Truppe überhaupt nicht mein Ding. ABER! Man kann nicht immer von seinem eigenen Geschmack ausgehen, sondern sollte auch mal erkennen, wenn eine Band sich enorm entwickelt. Zuerst spielten die Jungs bei uns im Vorprogramm in Amerika. Da merkte man schon, dass sie Ambitionen hatten und anders waren, als andere junge Truppen. Sie hatten einen Plan und feilten umtriebig an ihrer Karriere. Das hat sich ausbezahlt. Alleine deswegen muss man Sabaton Respekt zollen. Das fanden wir beeindruckend. Letztendlich ist das Business ein schwieriger Markt, und wenn man es schafft, wie auch immer, diesen zu erobern… - Musikgeschmack ist nur eine Komponente des Ganzen.
MF: Neu spielt ihr zu dritt Gitarre bei Accept. Wie ist es für dich zusammen mit Uwe Lulis und neuerdings auch mit Philip Shouse im Studio und auf der Bühne zu stehen?
Wolf: Das macht echt Superspass. Hätte ich selber gar nicht so erwartet. Die Idee entstand, als Phil auf der Orchester-Tour für Uwe eingesprungen ist. Wir verstanden uns super gut mit Phil. Als die Konzerte vorbei waren, dachten wir, dass es sehr schade wäre, wenn wir ihn wieder gehen lassen und nie wieder sehen würden. Wir haben uns auf der Bühne sehr gut ergänzt und es machte richtig Spass. Das ist eine neue Facette im Leben von Accept. In den Neunzigern spielten wir als Quartett und erkannten, dass dies vielleicht nicht so Accept kompatibel war. Statt der bekannten Ära als Quintett, sind wir nun zu sechst unterwegs. Wir spielten einige Shows in Südamerika, das klang knallermässig. Nun schauen wir als Sextett in die Zukunft. Wir sind trotz des Virus am Buchen von neuen Konzerten. Die wurden alle abgesagt oder verschoben. Das Festival-Programm in diesem Jahr wurde nun auf 2021 geschoben. Wir hoffen, dass das wenigstens grösstenteils stattfinden kann. Im Januar hätte unsere eigene Headliner-Reise stattfinden sollen. Das wurde nun alles auf Januar 2022 verschoben, statt passend zum Release von «Too Mean To Die» 2021. Ich denke, dass diese Shows stattfinden werden. Oder? Irgendwann muss es wieder weitergehen.
MF: Wie hat dich persönlich COVID getroffen? Gab es Zeit zum Entschleunigen?
Wolf: Absolut. Die ganze Sache hat auch ein paar positive Seiten. Alle hatten die Möglichkeit ein bisschen runter zu kommen. Sich gewissen Dingen wieder bewusst werden und dabei Sachen erledigen konnte, die man immer vor sich hergeschoben hat. In meinem Fall habe ich mich mit ein paar Klassik-Sachen beschäftigt und online Instrumente verkauft. Jeder hatte seine Projekte. Martin arbeitet gerade an einem Solo-Album. Vielleicht ist nicht immer alles so ultra befriedigend, aber es hat seine positiven Seiten. Entschleunigen oder erkennen, dass vielleicht gewisse Dinge nicht so wichtig sind, wie man es immer dachte. Viele Leute verzichten mittlerweile auf diese Business-Meetings und erkennen, dass vieles nicht immer unbedingt sein muss. Vielleicht wird dies auch der Start zu einer anderen Zeit sein, in welcher sich einiges auf den Kopf stellen wird und sich die Wichtigkeit verschiebt. Weil man erkannte, dass vieles gar nicht sein muss. Auch wenn ich kein Freund dieses entschleunigen bin, weil es immer weitergehen muss, hatte es seine guten Momente.
MF: Nach all den Jahren im Musikbusiness, welches Fazit ziehst du?
Wolf: Viele Dinge die wir erreichten, hätten wir uns nie vorstellen können. Wir dachten immer: "Schauen wir mal, vielleicht geht noch was?" Als wir starteten, gab es kein Musikbusiness, welches ein Leben lang hielt. Das war eine nicht existente Vorstellung. Als ich bei Accept einstieg, waren die Leute von den Rolling Stones Ende zwanzig. Es gab niemanden, der schon 30 Jahre im Business war. Es gab nur junge Leute, bei denen die Eltern sagten: "Irgendwann müssen die aufhören und einem richtigen Job nachgehen". So war der Tenor, dass man schaute was kam und wusste, dass man sich irgendwann mit einem normalen Job abgeben muss (lacht). Das hat uns alles nicht interessiert, weil wir Berufsmusiker werden wollten und der Rest sich schon ergeben würde. Keiner hatte eine Vorstellung, wie lange so eine Karriere dauert. Jetzt sitzen wir hier, 40 Jahre später und es geht noch immer. «Balls To The Wall» war ein riesen Einschnitt in unser Leben. Mit diesem Song wurde uns der Markt nach Amerika geöffnet. Wir waren auf MTV, und alles kam ins Rollen. Ohne diesen Track wäre dies alles in der Form nie passiert. Auch wenn «Metal Heart» seine Wichtigkeit hatte, aber mit «Balls To The Wall» machten wir die grösseren Schritte. Von der deutschen oder europäischen Provinz in die grosse weite Welt hinaus. Wir waren dort sechs bis acht Monate auf Tour, kamen zurück und haben dieses riesen «Monsters Of Rock»-Festival 1984 gespielt.
MF: Wie siehst du heute «Eat The Heat»?
Wolf: Als eine fatale Möglichkeit und eine sche… - Eine Zeit, an die ich mich nicht gerne zurückerinnere. Es schmerzt mich noch immer… - Die Demo-Songs waren wirklich gut, aber es liefen zu viele Dinge schief! Es gibt Momente, da läuft alles aus dem Ruder, und das war einer davon! Manchmal gibt es Zeiten, wie bei «Blood Of The Nations», da lief alles zu Gunsten von uns. Die Bausteine fügten sich wie aus Gottes Hand zusammen. Mit Mark, dem neuen Sänger und Andy als Produzenten. Bei «Eat The Heat» war alles umgekehrt. Gute Songs, aber dann das Drama mit dem Sänger, seiner Personality und die Produktion mit Dieter Dierks, dass es mehr zu seiner als zu unserer Platte wurde. Er hat uns alle ziemlich überrannt mit seinen Vorstellungen. "Er ist ja dieser Millionen-Produzent, und der wird schon wissen was er macht." Das ging alles total nach hinten los. Wir trauten uns nicht, dem Ganzen Einhalt zu bieten. Irgendwann fehlten uns die Nerven dazu. Die Produktion zog sich über ein Jahr hin, und irgendwann kannst du selber das Material nicht mehr beurteilen und willst alles nur noch beenden.
MF: Persönlich gefällt mir das Album sehr gut und ich finde es sehr schade, dass ihr auf Tour keinen dieser Tracks spielt. Provokativ gefragt, habt ihr denn diesen Songs überhaupt die Möglichkeit gegeben, sich im Accept-Universum zu entfalten?
Wolf: Ja, aber zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Besetzung? Die Truppe, welche diese Lieder hätte repräsentieren sollen, gab es nach dem Studioaufenthalt schon nicht mehr. Als Udo (Dirkschneider) in den neunziger Jahren zurück kam, wollte keiner von uns diese blöden Erinnerungen ausgraben, sondern neues Material komponieren. Ist ja klar! Niemand will das vom Vorgänger aufwärmen. Aber du hast recht, es ist schade. Alleine wenn man sich die Demos dieses Albums anhört, könnte man heulen, denn es waren richtig gute und runde Songs, die dann aber ziemlich verhunzt wurden. Schade! David Reece ist ein guter Sänger, doch schade, dass es damals mit seinem Charakter so schwierig war. Es hat nicht sein sollen, und deswegen ist es auch besser, man begräbt das Ganze und lässt es sein. Mir macht es wenig Freude in der Vergangenheit rum zu wühlen. Deswegen schrieb ich den neuen Track «The Best Is Yet To Come», weil dies immer mein Motto war. Man kann seine Energie besser damit verbringen, wenn sie in der Gegenwart ist, als sich mit Dingen aus der Vergangenheit rum zu ärgern. Was wäre wenn bringt nichts, es ist vorbei und kommt nicht wieder. Das Album nochmals neu aufzunehmen… - Wäh… - Ich finde es viel geiler, Neues zu kreieren.
MF: Wie schwierig war es, dass Gaby nicht nur die Managerin von Accept war, sondern auch deine Frau ist?
Wolf: Nicht immer einfach. Zu Beginn war das in der Band nicht so easy… - Das kann man sich vorstellen, weil die anderen Mitglieder dies ein bisschen bedenklich fanden. Zum Glück war die Gaby immer sehr professionell und hat sehr darauf geachtet, mich auf keinen Fall zu bevorzugen. Sie war immer sehr streng mit uns (grinst) und hat uns rückhaltlos ihre Meinung gesagt. Das ging in alle Richtungen, auch in meine. Letztendlich haben wir dies über die Jahrzehnte super zusammen geschafft. Der Nachteil ist, sofern es einer ist, dass man nie von der Arbeit weg kommt. Sie war immer ein Arbeitstier, und wenn ich den Schalter umlegen und abschalten wollte, dann arbeitete sie bis in die Nacht weiter. Unser Leben dreht sich immer nur um Accept.
MF: Herzlichen Dank für deine Zeit und das Interview…
Wolf: …gerne, wie immer! Ich hoffe wir sehen uns bald wieder mein Lieber. Pass auf dich auf!