Swiss Hard Rock and Heavy Metal Magazine since 1999
You can reach us via email or phone.
+41 (0) 79 638-1021
"...So habe ich vieles eingearbeitet von Künstlern, die mir gefallen und dich mich inspirierten..."
Gitarrist Hans Ziller ist eine bayrische Frohnatur, ein Kämpfer, einer der für seine Truppe einsteht und auch dort hingeht, wo es weh tut. Der Deutsche ist aber auch ein Stehaufmännchen, das sich auch von gesundheitlichen Problemen nicht unterkriegen lässt und beim Interview wie ein Wasserfall plaudert. Was alles 1972 unter dem Namen Cacumen in Ingolstadt begann, fand seine grössten Erfolge in den achtziger Jahren als Bonfire. Dabei stand man in den bekanntesten Studios in den USA, um Rocksongs und Balladen, die noch heute begeistern, aufzunehmen. Mit dem "halbakustischen" Album «Roots» wurde nicht nur eine Notlösung in die Erdumlaufbahn geschossen. Dahinter steckt viel mehr. Was es zum neusten Bonfire-Streich zu berichten gibt, weshalb die gross angelegte «Legends»-Tour zum Kollaps wurde und wie sich Hans in dieser Corona verseuchten Zeit behauptet, dazu gibt der Gitarrist im Gespräch folgende Antworten.
MF: Wie gehts dir?
Hans: Ja, den Umständen entsprechend (grinst). Wenn man ein Jahr lang seinen Job nicht mehr ausführen darf, dann fehlt was. Zum Glück bin ich aber gesund. In meiner Familie gab es COVID-19 Fälle, aber die haben den Virus alle gut verkraftet. Es ist schwierig, wenn man von einem Lockdown zu nächsten geht. Wir verschieben unsere Gigs immer wieder. Du kannst die Situation nicht ändern. Aus diesem Grund habe ich mir irgendwann gesagt: "Ich werde nicht jammern" (lacht). Man muss schauen, dass man als Band über die Runden kommt. Darum habe ich ein Crowdfunding ins Leben gerufen, damit wir «Roots», unser neues Album, finanzieren konnten.
MF: War diese Scheibe geplant oder ein Wink des Schicksals dank des Virus?
Hans: Das war wirklich eine sehr spontane Aktion. Anfang 2020 veröffentlichten wir «Fistful Of Fire». Die dazu gehörende Tournee lag schon in trockenen Tüchern. Zeitgleich mit dem VÖ der Scheibe kam auch der Lockdown. Der hat uns ziemlich viel kaputt gemacht. Die CD war teilweise nicht erhältlich oder nur noch übers Internet zu beziehen. Amazon war teilweise blockiert, weil sie von Anfragen überschwemmt wurden. Viele Käufer wollen sich das Werk im Laden zuerst anhören. Das fiel weg, weil die Geschäfte geschlossen waren. So wurden wir von einem Tag auf den anderen alle arbeitslos und sassen oder sitzen alle zu Hause. Aus dieser Notsituation entstand die Idee, dass alle im eigenen Kämmerlein die Parts einspielen können. Das klappt am besten mit einem Unplugged-Album. Während den Aufnahmen haben sich die Lieder entwickelt. Das war eine coole Sache, und viele spontane Elemente und Ideen fanden den Weg auf die beiden CDs. Wir wollten viele Songs aufnehmen, die wir schon lange nicht mehr oder vielleicht noch nie live gespielt haben.
MF: Dass es schlussendlich eine Doppel-CD wurde, war dies geplant oder hat es sich auch ergeben?
Hans: Wir tauschten uns ständig über Skype oder Zoom aus. Aus diesen Unterhaltungen standen plötzlich sehr viele Lieder zur Auswahl, dass wir zum Entschluss kamen, alle einzuspielen (lacht). In dieser Zeit boten wir Wohnzimmer-Konzerte an…, mein Gott, Not macht erfinderisch (lacht). Dabei entstand auch die Idee mit «Dein Song von Bonfire für dich». Die Leute konnten sich ihren eigenen Track zusammenstellen. Zum Beispiel eine Ballade mit den Textpassagen, in diesem Ablauf. Fünf Lieder von diesen Fan-Songs packten wir auf «Roots». Die wurden aber mit verzerrten Gitarren eingespielt. Erstens sind es unveröffentlichte Tracks und zweitens haben die Jungs und Mädels eine Riesenfreude, wenn ihr Song auf dem Album zu hören ist.
MF: Wie kam es zum Albumtitel «Roots»?
Hans: Das war eine typische Pandemie-Idee von mir (grinst). Eigentlich mag ich so Akustik-Alben überhaupt nicht. Mir kam beim Einspielen die Idee, wieso nehme ich nicht eine E-Gitarre mit einem cleanen Sound und dopple damit die Soli? Ich probierte dies aus und es klang richtig gut. So erweiterte ich meine Idee mit einer Rhythmusgitarre und es klang noch besser (grinst). Wenn die Ideen schon spriessen, wieso verpacke ich in die Songs nicht noch Melodien, welche die Leute schon gehört haben? Daraus entstand "back to the roots". Zurück zu den Wurzeln. Ich konnte somit meine ganzen Heroes, die mich zum Gitarrenspiel inspirierten, verewigen. Das ist aber nicht immer so einfach, wegen den Urheberrechten. Dank dem Internet brachte ich in Erfahrung, dass wenn man Zitate verwendet, man dieses Recht umgehen kann. Wenn sie nicht überhand nehmen, ist vieles erlaubt. Man muss den Originalsong erkennbar lassen, und wenn man diese Zitate anderer Lieder verwendet, ist dies wie bei einer Doktorarbeit. Du zitierst andere "Experten". Das habe ich umgesetzt, und so sind Pink Floyd, ZZ Top, Eric Clapton, Brian May und Jimi Hendrix auf «Roots» in kleinen Passagen zu hören. So habe ich vieles eingearbeitet von Künstlern, die mir gefallen und die mich inspirierten. Wenn ich das schon mache, dann bauen wir noch ein Gewinnspiel für die Fans drum herum (grinst). Die Fans konnten sich die Tracks anhören und uns mitteilen, welche Lieder sie von anderen Künstlern erkennen. Zum Beispiel Angus Young mit «Highway To Hell».
Bis am 30. März erhielten die Leute die Möglichkeit, uns ihre Antworten senden. Derjenige der die meisten erkennt…, es sind schon sehr viele Zitate vorhanden, und ich denke nicht, dass jemand alle erkennen wird. Nicht einmal unser Bassist Ronnie erkannte all diese Momente, weil sie ja in unseren Originalakkorden des jeweiligen Songs eingearbeitet wurden. Der erste Preis des Gewinnspiels war ein Dinner für zwei Personen, zusammen mit Bonfire in unserer Stammkneipe in Ingolstadt. Dazu eine Studioführung mit Kaffeetrinken und abends eine Übernachtung in einem 4-Sterne-Hotel. Das soll auch ein Dankeschön für unsere Fans sein, die uns über die ganzen Jahre treu unterstützt haben. Auch weil wir «Roots», ohne ihr Geld, nie hätten aufnehmen können. Klar haben wir das Werk in unserem Studio noch gemischt, denn es gibt nichts Peinlicheres, als wenn eine Unplugged-CD scheisse klingt. Ganz am Schluss haben wir dem Kind noch den Namen «Almost Unplugged» verliehen, da es nicht ein reines Akustik-Werk geworden ist (grinst). Das Schöne war, dass die Scheibe in der Schweiz und Deutschland direkt in die Album-Charts eingestiegen ist, was für ein Unplugged Doppel-Album eine super Sache ist! Ich hab' zum Ronnie gesagt: "Hoffentlich finden die Leute das nicht richtig geil, sonst dürfen wir nur noch Unplugged auftreten" (lacht). Auch wenn unser Vorhaben ist, eine Akustik-Tour zu spielen. Es war geplant, zum Release eine online Live-Show zu spielen. Leider konnte Ronnie (Parkes, Bass) nicht einreisen. Dass er in eine doppelte Quarantäne muss, wollte ich ihm nicht antun. Zuerst elf Tage in den Staaten, dann den Test über sich ergehen lassen. Sollte dieser negativ sein, hätte Ronnie fliegen dürfen, dann nochmals einen Test machen und wieder elf Tage in Quarantäne..., das kann man niemandem zumuten. So mussten wir dieses Konzert in den August verschieben. Wir hoffen…, ehrlich gesagt, wer weiss schon, was im August möglich sein wird?
MF: Wer hatte die Idee mit dem Duett zusammen mit Lydia Pané, der Frau eures Gitarristen Frank?
Hans: Das geht zurück auf unsere Rock-Oper «Der Räuber», aus dem Jahre 2007. Letztes Jahr gingen die kompletten Rechte des Theaters an mich zurück. Ich plane, das Ding nochmals aufleben zu lassen. Dazu wollte ich «Love Don't Lie» mit Alexx neu aufnehmen, so wie es ursprünglich gedacht war. Nämlich vom Räuberhauptmann Karl und der Amalia. Als die Schauspieler damals die Version gesungen haben, war das nicht so…, prickelnd (grinst). Lydia kennen wir schon lange, da sie uns schon bei früheren Unplugged-Shows unterstützte. Sie besitzt eine unglaublich gute Stimme. Ich habe selten erlebt, dass jemand dermassen tonsicher ist. Das Ergebnis ist sensationell. Dazu produzierten wir ein Video, auch vorausschauend, wenn ich mich für die Rock-Oper bewerben will (grinst). Wir brauchten eh eines für die Promotion zu «Roots». Ich habe mir in den Kopf gesetzt, dass das Video räubermässig umgesetzt werden soll und suchte nach einer Burg in unserer Nähe. Diverse schrieb ich an, mit der Bitte dort drehen zu dürfen. Das Problem war, dass die meisten begeistert waren, aber bei allen Gastronomie vorhanden war. Was gleichbedeutend ist, dass diese Burgen geschlossen waren. Nur die Burg Treuchtlingen, die 14 Kilometer von mir entfernt ist, konnte den Dreh durchführen. Wir mussten aber diese Sicherheitsabstände einhalten. So haben wir das Video nur zu dritt eingespielt. Lydia, Alexx und ich. Die Amalia wird in diesem Stück von Karl schlussendlich umgebracht. Weil dies ein Versprechen war an seine Bande. Dies wollten wir aber nicht so rüber bringen, dass Alexx die Lydia am Schluss meuchelt (lacht). Mir kam die Idee mit der Dornenkrone. Bildlich setzt er ihr die Krone auf, damit ist ihr Tod besiegelt. Das Lagerfeuer…, das Holz dazu bekamen wir von einem Weinbauer. Die Wurzeln der Weinstöcke haben wir mit Benzin zum Entfachen gebracht. Da schoss eine Stichflamme hoch (lacht), da hat gleich der Boden vibriert. Ich glaube, da übertrieben wir es ein bisschen mit dem Brandbeschleuniger (lacht). Aber es hat sehr gut gebrannt. Es ist am Ende ein cooles Video geworden.
MF: Wenn man sich Facebook ansieht, stellt man fest, dass das Rock Hard und du nie mehr Freunde werdet…
Hans: …ja, da war ich ziemlich erbost (grinst). Schon in der Vergangenheit wurde ich vom Rock Hard…, nicht gut behandelt. Sowas merkt man sich (grinst). Wir waren viermal "Arschbombe des Monats". Es schien, dass sie uns nicht mochten (grinst). Als Alexx als neuer Sänger bei uns einstieg, wurde es besser. Wahrscheinlich, weil er mehr in dieser Metal-Schiene steckt. Ab diesem Zeitpunkt gab es akzeptable Reviews. Wenn jemandem das Album, in diesem Falle «Roots», nicht gefällt, dann ist es so. Das kann er auch schreiben. Was mich aber auf die Palme gebracht hat war, dass zu lesen war, dass wir uns die Säcke voll machen. Das war in meinen Augen eine Frechheit, auch den Fans gegenüber. Sie haben das Album indirekt mitfinanziert und wir haben bis zu dem Moment nichts verdient. Da soll sich der Schreiberling besser informieren. Alles wurde auf dem Internet dokumentiert. Nur wegen der Pandemie wurde dieses Album aufgenommen, und ich bin froh, dass ich meinen Musikern ermöglichte, dass sie ihre Rechnungen bezahlen konnten. Wir alle in der Band sind Profis und leben von der Musik. Auch wenn der eine noch Schlagzeug- und der andere Gitarren-Unterricht gibt. Das wurde aber mehrheitlich auch verboten und konnte nur online über die Bühne gehen. Da bringt mich eine solche Aussage eines Journalisten, dass wir uns nur bereichern wollen, auf die Palme.
"...Nur leider ist es so, dass TUI oder die Lufthansa zuerst unterstützt werden. Musiker wie wir fallen durch das Raster...."
MF: Wie ist die Unterstützung bei euch in Deutschland, während dieser Pandemie?
Hans: Die ist sehr gering. Deutschland gibt an Unterstützung genau gleich viel aus, wie der Rest Europas zusammen. Das ist grundsätzlich sehr viel. Nur leider ist es so, dass TUI oder die Lufthansa zuerst unterstützt werden. Musiker wie wir fallen durch das Raster. Bei der ersten Hilfe wurden nur die Betriebskosten erstattet. Als Mucker hast du keine solchen Kosten. Was André (Hilgers, Trommler) zuerst bekam, musste er wieder zurück zahlen. Frank fiel komplett durch das Raster. Auf seine Anträge hat sich bis heute niemand gemeldet, als würde er nicht existieren. Ich bekam etwas von der GEMA, das waren kleine Beträge. Von der Novemberhilfe würde ich Geld bekommen, das muss ich aber zurück zahlen, weil ich die Anforderungen nicht erfülle. Würde meine Frau nicht arbeiten, dann würde es bei mir sehr düster werden.
MF: Kommen wir noch zu einem anderen, vielleicht auch düsteren Thema. Das Album «Legends» und die damit verbundene Tour waren für dich auch eine eher schlechte Erfahrung?
Hans: Das ist eine lange Geschichte. Die «Legends», das war diese «Bonfire And Friends»-Tour. Die ganze Sache erkor ich zu meinem Traum aus. Ich wollte nicht durch Clubs, sondern durch mittelgrosse Hallen ziehen. Ich suchte mir zwei Partner und wir gründeten eine GmbH. Über diese erhielten wir Geld, damit wir gewisse Vorkassen bezahlen konnten. Joe Lynn Turner oder Phil Mogg (UFO) wollten alles zuerst berappt haben. Tag und Nacht arbeitete ich an diesem Traum, buchte Hallen und Hotelzimmer, zusammen mit einer Mitarbeiterin. Kurz vor Tourstart war der Vorverkauf richtig schlecht. Nie im Leben hätte ich mir vorstellen könne, dass man mit einem solchen Line-up die Hallen nicht vollkriegt. Zum Teil waren pro Ort nur 80 Tickets verkauft. Wir wollten die Gigs trotzdem durchziehen und hofften, dass an der Abendkasse noch viele Tickets weggehen würden. Das war aber nicht der Fall. Durch die ersten acht Shows mogelten wir uns durch. Ich merkte, dass ich ziemlich depressiv wurde. Die ganze Hoffnung wurde auf einen Schlag zunichte gemacht. Ich wusste, es würde ein böses Ende nehmen. Gesundheitlich mogelte ich mich durch und kapselte mich von den anderen ab. Nach der Ingolstadt-Show gings nicht mehr. Nach dem Gig fuhr ich sofort nach Hause, sprach mit meiner Frau und ging am nächsten Tag zu meinem Arzt. Es bestand höchste Suizid-Gefahr, und ich wurde sofort in die psychiatrische Klinik eingewiesen. Dort blieb ich zwölf Wochen. Das ist die Geschichte, die man so nicht hören will, aber die Wahrheit ist. Die Tournee wurde wegen meiner depressiven Erkrankung abgesagt. Kurz bevor ich in die Klinik ging, besuchte ich das Gericht und meldete die Insolvenz an. Alles Geld steckte in dieser Tour und den Vorbereitungen. Meine Frau erledigte die ganzen Mahnbriefe, da ich in der Klinik lag. Sie war mit den Nerven absolut am Ende. Wir haben es ausgestanden, es war leider Gottes so. Im Vorfeld wurden Fehler gemacht. Vielleicht hätte man nicht so grosse Hallen buchen dürfen und den Eintrittspreis niedriger gestalten müssen. Aber mit Sängern wie Joe Lynn Turner, der für drei Songs einen vierstelligen Geldbetrag verlangt…, das ist verdammt viel Geld. Dies dann mal zwanzig Shows…, die anderen waren auch nicht die billigsten Künstler. Ich bin halt der Typ der sagt: "Wenn man es nicht probiert, dann weiss man nicht ob es klappt". Hätten wir pro Show 500 Leute gehabt, wären wir im Plus-Bereich gewesen. Wenn du jedoch nur vor 200 Menschen spielst…, alleine die Produktion belief sich pro Tag auf 10'000 Euro. Es war schon heftig…, aber ich stehe dazu. Was soll ich da rum lügen. Wenn jemand weiss, wie man funktioniert wenn man stetig unter Druck ist…, die Psyche verzeiht dir das nicht. Wenn du in einer Depression drin steckst, dann ist das ganz heftig. Da kommst du ohne ärztliche Hilfe nicht mehr raus.
MF: Dann ist es schön, dass ich dich wieder so entspannt und zufrieden erleben darf. Ich wünsche dir weiterhin alles Gute und bleib gesund! Danke für das Interview…
Hans: …Martin, ich danke dir! Ich hoffe, dich bald wieder zu sehen, es sind ja noch drei Gigs bei euch in der Schweiz geplant. Bleib gesund und auf bald.