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"...Jeder hat sein Standbein und eine eigene Identität. Was sich dann vereint in dieser Gemeinschaft… Damit kann man anders umgehen als in der Zeit, in welcher du zum ersten Mal berühmt geworden bist und jeder sich dabei noch beweisen musste..."
Tja, wer hätte gedacht, dass die ehemaligen Streithähne Michael Kiske, Kai Hansen und Michael Weikath jemals wieder gemeinsam auf der Bühne stehen würden und ihre unsterblichen Klassiker zum Besten geben? Wohl niemand, zumindest da der Helloween-Dampfer mit Mister "Weiki" Weikath, Andi Deris, Markus Grosskopf, Sascha Gerstner und Dani Löble schon genug Dampf im Kessel hatte. Zudem, wie würde eine solche Reunion über die Bühne gehen und mit welchem Erfolg? Seit 2017 wissen wir es, und dank der «Pumpkins United»-Worldtour wurden die Konten der Bandmitglieder sehr gut gefüllt. Es reichte dem Septett nicht, dass man Tausende von Fans mit Tränen in den Augen beglückte. Nein, die Jungs gingen noch einen Schritt weiter und veröffentlichen nun ein neues Album mit dem simplen Titel «Helloween». Dass es aber nicht nur immer eitlen Sonnenschein bei den Weenies gab, darüber berichtet Michael Weikath. Einer, der sich nicht immer über die ersten grossen Erfolge in den achtziger Jahren freuen konnte. Starten wir deshalb mit der Reunion und begeben uns über die nahe Zukunft zurück in die Vergangenheit.
MF: Wann hast du dir das erste Mal Gedanken über eine Reunion mit Kai und Michael gemacht?
Weiki: Eigentlich gar nicht (grinst). Aber der Hansen und ich trafen uns bei einem UFO-Konzert. Er kam auf mich zu und meinte, dass er mit mir was zu besprechen hätte. Früher haben wir uns immer in der Presse beschossen. Er meinte dass vieles, was da so weitergetragen wurde, gar nicht stimmt und dass wir uns gar nicht so spinnefeind sind, wie wir das immer tun. "Das ist nur ein Schlagabtausch. Das bringt uns doch nix und nur die anderen haben was davon. Das sind doch alles nur Sensations-Storys". Meine Antwort darauf war: "Alter, da hast du völlig recht!" Mir war das nicht klar, dass Kai das gleich sah wie ich, weil mir die Leute immer was Gegenteiliges zugetragen haben. Wenn ich was von mir gab, war das nicht so böse gemeint wie es gesagt wurde. Ich wollte da nur meine Position verteidigen. Bei diesem Gespräch meinte Kai: "Ganz ehrlich, wenn wir jetzt nicht irgendwann zusammen was auf die Beine bringen, das wär' echt dumm!" Ich war aber der Meinung, dass bei all den Plänen die uns beiden bevorstanden: "Das wird am Arsch nix". Wir hatten auch verschiedene Managements, das macht so ein Unterfangen doppelt schwierig, alles zusammen abzustimmen. Kai liess aber nicht locker und wollte die Idee im Kopf behalten. Ich war da nicht abgeneigt, hatte aber meine Zweifel. Markus und ich waren da immer sehr skeptisch. Ich wollte mich da nicht für Ewigkeiten ans Telefon setzen und alles organisieren. Das muss von selbst laufen. Dafür benötigst du ein gutes Management. Das hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, später hingegen schon. Man hat auch gesehen, wie Unisonic (die Band mit Kai und Michael Kiske) in das Bottom Row Management rein gerutscht sind. Dieser langsame Vorgang, das Ganze anzugehen. Ohne diese Teilschritte wäre die Helloween-Reunion nicht möglich gewesen. Am Ende war noch die Aussprache mit Michael Kiske unbedingt nötig. Wir hatten in der ganzen Zeit davor kein Wort miteinander gesprochen. Markus traf ihn irgendwann in einem Musikladen in Hamburg. Dieser Small-Talk ist jedoch nix, da mussten Dinge von Grund auf geklärt werden. Das hat dann auch stattgefunden.
MF: Wie war für dich das erste physische Treffen mit den Beiden?
Weiki: Das war echt spannend und interessant zu verfolgen. Jeder war logischerweise ein bisschen aufgeregt. Man hat damit gerechnet, dass ein schlimmer Eklat passieren könnte (grinst). Wie früher bei irgendwelchen Bandbesprechungen oder Diskussionen. Ich ging damals echt mit Baldrian an solche Meetings rein (grinst). Wenn man einen unfähigen Vertreter hat, der zu blöd ist solche Gespräche vernünftig zu händeln…, so ein Zahlendreher, der aber kein Manager ist, verstehst du? Bei diesem Treffen ist aber nichts dergleichen passiert. Im Gegenteil, das war alles sehr lustig. Es wurde viel gescherzt, natürlich auch aus Unsicherheit. Da wuchs schnell vieles zusammen, weil man sah, der hat mir nichts getan oder will mir nichts tun. Danach lief einiges auf eine magische Weise. Erstaunlicherweise, denn mit einer fünfköpfigen Band sind Dinge oft lösbar. Aber wenn dann sieben Leute mitreden, kann das schwieriger werden. Was niemand gedacht hat, dass eine solche Konstellation auch seine Vorteile hat. Vielleicht auch weil man sich selber keinen Lapsus erlauben will oder man sich mit seinem eigenen Ego nicht völlig daneben benehmen will. Mit sieben Alpha-Typen, das könnte jeder für sich durchziehen und würde im absoluten Desaster enden. Du gehst auf die Bühne und siehst, was eine solche Truppe bei den Leuten im Positiven anrichtet. Dabei wirst du ein bisschen süchtig nach diesem Feedback. Das ist cool und magisch. Vielleicht ist das auch eine göttliche Fügung?! Man sitzt da, staunt und kann es geniessen.
MF: Du hast vorhin die Egos angesprochen. Ist man älter und ruhiger geworden und muss sich nicht immer selber in den Mittelpunkt stellen?
Weiki: Vielleicht?! Viele Leute sagen immer, dass sie erwachsen geworden sind. Ne! WIR NICHT (lacht)! Das wollen wir auch gar nicht. Man hat mehr Erfahrung und jeder hat sich beweisen können. Waren das nun der Kiske mit seiner Band oder Kai mit Gamma Ray wie den anderen Projekten und wir mit dem, was mit Helloween passierte. Jeder hatte sein Standbein und eine eigene Identität. Was sich dann vereint in dieser Gemeinschaft…, damit kann man anders umgehen als in der Zeit, in welcher du zum ersten Mal berühmt geworden bist und jeder sich dabei noch beweisen musste. Dieser Drang raus zu gehen, sich mit dem was man kann zu beweisen, war damals zu gross. Es war niemand da, der das ordnete. Passiert heute etwas in dieser Richtung, dann steht dir ein erfahrenes Management bei. Damals gab es nix, das war nur der wilde Westen. Es war furchtbar, weil man sich alleine gelassen fühlte. Derjenige, der dafür zuständig war, hat sich fein raus gehalten oder war unfähig.
MF: Dann kam das erste Konzert und du stehst mit Kai, Michael und deinen Helloween-Bandkumpels der letzten Jahre auf der Bühne. Was ging dir durch den Kopf und wie gross war der Druck oder die Erleichterung?
Weiki: Das kam alles zusammen (grinst). Vom Druck wollen wir gar nicht sprechen, weil, wir wollen ja alle raus auf die Bühne. Das Feedback der Leute und wie sie das angenommen haben…, all diese weinenden Leute, das war völlig verrückt. Da gab es Momente, als der Kiske von der Bühne kam und meinte: "Hey, hier läufts!" Man geht raus, macht sein Ding, und du merkst wie der Funken sofort überspringt. Das sind diese magischen Momente. Es ist wichtig, dass man sich versteht, das Konzert durchgepeitscht bekommt und jeder davon profitiert. Speziell die Fans, die lange darauf gewartet haben.
MF: War der Song «Pumpkins United» für dich der richtige Song zum richtigen Zeitpunkt oder überhastet?
Weiki: Nein, der war genau richtig und eine Reaktion auf das Umfeld. Deswegen hat man ein Management. Das läuft bei denen super, und ich kenne Leute, die hätten dies nie so hingekriegt. Das wäre eine Katastrophe gewesen. Alles zum richtigen Zeitpunkt. Klar, in der Vorbereitung zur Tour noch ein neues Lied zu komponieren…, ja, vielen Dank dafür! Das haben wir Kai überlassen, dass er sich Gedanken dazu machen kann. Er weiss was er macht. Jetzt hätten wir daraus einen Mordsstreit zelebrieren können, aber jeder hat seinen Part heute und das passt. Wieso hätte jemand kontrollieren sollen, was Kai komponiert? Man hat sich auf die Fähigkeiten derer verlassen, die involviert waren. Das waren Hansen, Deris und ich. Wenn Kai zu Hause sitzt, dann hat er die Zeit und die Nerven, sich da was Schönes auszudenken. Besonders auch den eigenen Anspruch.
MF: Welcher Erfolg war für dich grösser und bedeutender, jener mit den «Keeper»-Scheiben oder jetzt mit der «Pumpkins United»-Tour?
Weiki: Das ist sehr vergleichbar. Wir wissen nicht, was damals noch alles hätte passieren können. Im deutschen Sprachraum wurden wir auf der Strasse erkannt und Omis wollten ein Autogramm für ihre Tochter haben. Das war eine verrückte Zeit. Dann wurden uns vom Gericht die verkauften Gold-Einheiten aberkannt. In Wirklichkeit hatten wir viel mehr als die 250'000 Stück verkauft. Die Dynamik der Geschichte sprach ein anderes Bild. Man kann den Leuten vieles verkaufen, auch wenn es nicht der Realität entspricht, aber jeder glaubt es. Das hatten wir alles unserem damaligen Plattenboss zu verdanken. Für ihn wäre es nicht gut gewesen, wenn wir so viele Einheiten verkauft hätten. Im Hier und Heute nimmt das eine ganz andere Dimension an. Das war aber früher schon abzusehen. Es ist überraschend, dass in der heutigen Zeit und nach einer so langen Vergangenheit sowas noch passiert.
MF: Kommen wir zum neuen Album, gab es dafür einen Masterplan, wie die Songs zu klingen haben?
Weiki: Nein, aber es ist so, dass man ein eigenes Empfinden entwickelt. Dabei kommt das heraus, was man auf «Helloween» zu hören bekommt. Jeder in der Band hat sich Mühe gegeben und wollte das Bestmöglichste abliefern. So entstand ein Ergebnis auf das man stolz sein kann, aus dem Grund, weil man sich so reingehängt hat. Am Ende will man sich immer wieder übertreffen und noch bessere Lieder schreiben, im Vergleich zu dem, was man vorher veröffentlicht hat. Bekommst du keine göttlichen Eingebungen, dann kannst du machen was du willst, du kreierst nur langweilige Scheisse. Im Zweifelsfall musst du dies den Leuten verbretzeln, weil du nichts Besseres hast (grinst). Wir hatten das grosse Glück, dass es einen Ansturm von guten Ideen gab. Es entstand etwas in den Köpfen der Komponisten. Mit dem Anspruch der entsteht, ist das eine Herausforderung, aber man kann da auch mit Stolz an die Sache ran gehen. "Denen zeig' ich es jetzt mal (grinst)". Sitze ich bei mir in der Stube, dann weiss ich, dass der Andi sich auch gute Ideen ausdenkt. Das sind Komponisten, die darf man nicht unterschätzen. Ganz zu schweigen von Kai und Markus, die auch viel Material vorschlagen. So peitscht man sich selber zu Höchstleistungen.
MF: Dann gab es bei euch einen gewissen Druck bei Songwriting?
Weiki: Druck hast du immer, der war schon bei «Pumpkins United» da. So auf die Schnelle: "Was können drei Leute da aus der Feder hauen?" Eine Katastrophe ist es, wenn dir verdammt nochmal nix einfällt. Diese Momente gibt es immer wieder. In den zweieinhalb Monaten in denen ich hier sass und mir die Ideen aus dem Kopf gedrückt habe…, da gibt es Tage, du stehst auf und weisst, das wird heute nix. Dann feilst du an den Details deiner Ideen und überlegst dir, wie die Drums klingen könnten. Fällt dir aber über mehrere Tage nichts ein, dann kann der Druck grösser werden, diese kreativen Leerlaufphasen. Es gibt Leute, die fliegen nach Paris, mieten sich ein Appartement, sind auf der Suche nach Songideen und nach zwei Jahren ist ihnen noch immer nichts eingefallen (grinst). Auch ich hatte zweimal diese Blockaden. Das kommt immer auf den Ort an, wo du dich aufhältst. In einer Wohnung kann es Standorte geben, an denen dir überhaupt nichts einfällt. An anderen Stellen überfällt dich die Kreativität. Als wir das erste Mal in Rio waren, hatte ich im Hotelzimmer sehr viele Ideen. Das waren aber alles nur so sechziger Jahre Swing Geschichten (grinst). Draussen rauschte das Meer und die Strandpromenade war vor meinem Balkon.
"...Man hat diesen Stolz und will seine Lieder an die Öffentlichkeit bringen. Das ist das Konzept der Helloween-Tracks..."
MF: Wie definierst du den klassischen und typischen Helloween-Sound?
Weiki: Die Grundidee war…, wir wollten den Leuten Melodien um die Köpfe ballern, das mit reichlich Power und auch mit einem progressiven Anstrich. So dass man nicht weiss, wo man zuerst hinhören soll. Das baute auf unsere Helden, wie Slade, Queen, Judas Priest, Deep Purple und Uriah Heep. Das musste die Qualität des Songwritings sein. Darüber sollten noch Rainbow, Accept oder Manowar stehen. Das Ganze wollten wir noch extremer gestalten und übertreiben. Etwas, das den Leuten rein geht und sie sich daran erinnern. Damals gab es eine Truppe, die Lucifer's Friend hiess. Die Jungs haben alles richtig gemacht. Das hat ihnen aber nichts genützt, da sie Pech mit dem Vertrieb hatten. Wir überlegten uns, wie eine Truppe aus Hamburg, die sich Helloween nennt, sich bei den Fans einen Namen machen kann. Wir verbrachten jeden Tag im Proberaum, auch wenn wir uns am Sonntag nur zum Saufen trafen (grinst). All die erwähnten Dinge flossen in den Helloween-Sound rein. Auch Dinge wie Meat Loaf und Jim Steinman oder die alten Truppen, wie die Beatles, The Kinks, Ted Nugent und The Who. Iron Maiden und Metallica waren nie so wichtig für uns, wie die Leute dies immer dachten. Mich hat es geärgert, dass wir als die deutschen Iron Maiden betitelt wurden. Auch weil sie schon einen Plattenvertrag hatten und einen ähnlichen Sound spielten, wie derjenige der mir im Kopf schwirrte. Es war die Idee, den Sound mit zwei Gitarren zu spielen. Weil es extrem klingt und dies nur von den Scorpions, Accept, Thin Lizzy, Wishbone Ash und Judas Priest bekannt war. Das war der Massstab, einfach noch extremer. Dann kamen plötzlich die ganzen amerikanischen Speed Metal Bands auf, bei denen wir sagten: "Alles okay, die können aber keine Songs schreiben" (grinst). Man hat diesen Stolz und will seine Lieder an die Öffentlichkeit bringen. Das ist das Konzept der Helloween-Tracks. Wir wollten das auf Biegen und Brechen durchziehen und schon gar nicht auf dem halben Weg aufgeben. Viele die damals starteten, kamen mit ihrem Hobby nicht weiter, weil ihre Musik nicht raus geschossen ist und die Leute nicht gefangen hat, so dass die Truppen ihren Job hätten kündigen können. Ich war mir sicher, dass wenn man nebenbei eine Arbeit hat, man der Musik nicht die Aufmerksamkeit schenken kann, die sie braucht. Das ist eine Sache der Identität. Wir haben gehofft, dass es mit unserer Musik hinhaut, und das alles ging in das Konzept der Helloween-Musik ein.
MF: Hattest du jemals das Gefühl, diesen klassischen Helloween-Stil zu verlassen?
Weiki: Ja, das fand statt, weil das was wir am Anfang durchgezogen hatten, auf die Dauer zu stressig war. Das stellt man auch bei anderen Truppen fest. Es gibt viele Combos, die schnell von ihrem ersten Stil ablassen und grooviger wurden. Das hat bei uns mit der «Chameleon» stattgefunden. Weil wir eine kreative Erholung benötigten und wollten. Aus dem Grund, weil auf anderen Wegen auch tolle Songs komponierbar sind und nicht immer alles auf Überschallgeschwindigkeit aufgebaut sein muss. Wir waren damals alle tempo-krank (grinst), weil bei dem Geballer der Freiraum sehr begrenzt ist. Ein Durchatmen und sich tonal präsentieren war nicht möglich. Das sind Dinge, die du mit der Zeit zu hassen beginnst und damit baden gehst. Das war belastend. Wir mussten einen Mittelweg finden, dass man einen Track wie «Best Time» spielen kann, dabei runter kommt von den oberschnellen Tempi und Titel hat, die interessant und eingängig klingen. Das ist ein harter Prozess, egal für wen (grinst).
MF: Wie kam es zum Bandnamen?
Weiki: Wir haben nach was Schnittigerem als Iron Fist gesucht. Ich fand den Namen gar nicht so schlecht. Van Halen gefiel uns gut, wie auch Hell'n Back. Dann versuchte ich aus diesem "Hell" was zu formen. Wir wälzten Namen, bis Ingo mit Helloween ankam. Ich hatte sofort das Logo vor meinem geistigen Auge. Es klang schnittig, auch wenn ich den Begriff oberscheisse fand. Aber! Es klang gut. Daraus ergaben sich dann Witze, dass wir uns auch Ostern oder Weihnachten hätten nennen können (grinst). Helloween als Name hat sich dann aber glücklicherweise verselbstständigt. Viele hatten damals kein Verhältnis zu Halloween, dem Feiertag. Ich hatte da meine Bedenken. Damals wurde Halloween noch nicht verkommerzialisiert, und darum kannte den Namen auch kaum jemand. Wir mussten uns auch unterscheiden vom «Halloween»-Soundtrack und hatten echt Angst, dass die Leute den Soundtrack und nicht unsere Platten kaufen würden. Zudem gab es eine Truppe aus Detroit, die sich Halloween nannten und den Kürbis patentieren liessen. Darum konnten wir ihn auch eine Zeitlang nicht benutzen. Ein Vorbild für das Logo waren Magnum.
MF: Bestand bei dir oder euch jemals die Gefahr, den Boden unter den Füssen zu verlieren, weil ihr so erfolgreich wart?
Weiki: Natürlich, klar! Wir konnten uns für das aber nichts kaufen. Wir waren nur berühmt und hatten kein Geld, weil wir so beschissene Verträge unterschrieben hatten. Ingo hat diesen Ruhm nicht verkraftet..., mir ging es auch eine gewisse Zeit nicht sonderlich gut. Das war aber eher wegen dem Konsum von falschen Dingen. Das ist nie hilfreich. Wenn du dich besaufen gehst, kann das für einen Zeitraum lustig sein. Übertreibst du das, kommt nichts Schlaues dabei heraus. Wenn sich das mit dem Leistungsdruck paart…, du sagst was, und das wird am Ende völlig falsch verstanden. Das kann dich sehr treffen. Wir hatten «Dr. Stein» auf Platz Fünf und teilweise auf Platz Drei in den deutschen Charts. Da ging was los. Ich war bei Bekannten zu Besuch und jede Stunde lief im Radio Werbung für «Dr. Stein». Das hing den Leuten schon zum Hals raus. Auf der anderen Seite gab es Menschen, die stolz waren, dass diese Verbreitung stattfand.
MF: Dann war diese auch die schwierigste Zeit mit Helloween?
Weiki: Ja, es gab eine Zeit, da war ich übersensibilisiert von gewissen Dingen. Ich war zitterig und unruhig. So, dass ich nicht vernünftig Rhythmusgitarre spielen konnte. Der Schock, dass die meisten Titel, die ich geschrieben hatte keine Verwendung fanden, tat das Übrige dazu, dass ich mich von der eigenen Band verraten fühlte. Dies ging weiter bis zu Kreislaufstörungen. Ausgerechnet dann musst du los in die USA und eine Tour spielen. Dann kam diese «Chameleon»-Albtraumzeit. Wir hatten eine tolle Platte und waren der vollen Überzeugung, dass man die Songs auch so komponieren musste. Da waren sie dann, die Konzertsäle, die nur zu einem Viertel voll waren. In Skandinavien waren Eisstadien gebucht, in denen sich 500 Leute verloren. Es gab komische Auftritte, die uns sehr verunsicherten oder als Veranstalter uns nicht mehr buchen wollten. Solche, die eine Tour vorher zu wenig Tickets für die Grugahalle drucken liessen, weil man dachte, dass Metallica mehr Leute ziehen würden. Die verkauften damals weniger als wir. Als wir da auftraten, standen vor der Halle noch bis zu 500 Leute, die nicht rein konnten. Die Halle wurde zur Hälfte abgehängt, und man hätte die Wartenden alle noch rein gekriegt. Das war schon betrüblich. Frag mich nicht, wie ich damals aus diesem Loch wieder raus gekommen bin. Da hatte ich einfach nur Glück. Vielleicht habe ich einfach mal ausgeschlafen (lacht). Als Andi in die Band gekommen ist, fiel eine Riesenlast von mir, und ich schlief jede Nacht fünzehn Stunden durch. Aus Erleichterung, weil ich wusste, es geht weiter mit Helloween.
MF: Ich danke herzlich für die Zeit, die du dir genommen hast, deine ehrlichen Antworten und wünsche alles Gute!
Weiki: Danke dir, pass auf dich auf und bis bald.