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"...Mir ist klar geworden, dass es wie bei unseren ersten beiden Scheiben, 20 oder 30 Jahre dauern kann, bis sie geschätzt werden..."
Hexx… Noch nie gehört wird es den Meisten durch den Kopf gehen. Dabei gehörte die US-Power-Metal-Truppe zu den hoffnungsvollsten Bands aus der Bay Area. Fünf Musiker, die 1984 mit ihrem Sound erfolgreich sein wollten, alles auf eine Karte setzten, dabei sich musikalisch in die Irre führen liessen, um dann nach einer Auszeit wieder mit dem Sound anzugreifen, der sie bekannt machte. Gitarrist Dan Watson, das einzige überlebende Ur-Mitglied der Combo, antwortet im folgenden Gespräch sehr ehrlich und offen, bei dem man merkt, dass er mit Wörtern umgehen kann. Taucht ein in die Welt eines Unbeirrten, der sich bewusst wurde, was die Musik sein wird, sie trotzdem nicht auf die Seite schob und wie sein Weg zur Weisheit war.
MF: Mit «Entangled In Sin» kehrst du zum klassischen Sound der ersten beiden Alben zurück. Woher kommen all die Frische, diese Power und der Ideenreichtum?
Dan: Ich muss wohl sagen, dass alles aus meiner Fantasie stammt. Mit dem neuen Werk haben wir uns, wie mit dem letzten, bewusst bemüht die Stimmung, die Vibes und die kraftvollen Gefühle unserer ersten beiden Scheiben so gut wie möglich einzufangen und zu emulieren. Ich habe gelernt, dass Songwriting für mich nur eine andere Form des Geschichtenerzählens ist. Musikalisch fühle ich mich besser, wenn ich meine Stories im Stil des Power Metal der 1980er Jahre erzähle. Heute muss ich nicht mehr so viele Noten und so schnell wie möglich spielen, um meine Gefühle zu vermitteln. Ich finde, dass weniger Noten, die zu unvergesslichen Riffs verarbeitet werden, eine bessere Kulisse für meine Texte darstellen.
MF: Gibt es auf dem neuen Album einen persönlichen Favoriten für dich?
Dan: Nein nicht wirklich. Aber wenn ich einen auswählen müsste, wäre es wahrscheinlich «Signal 30 I-5».
MF: Ist es heute einfacher für dich, neue Songs zu schreiben als früher?
Dan: Ja. Ich habe mit neun Jahren angefangen Gitarre zu spielen und schreibe seit fast fünfzig Jahren Songs. Ich mache das schon so lange, dass es jetzt für mich eine Selbstverständlichkeit geworden ist.
MF: War der Druck, ein neues Album zu schreiben, in der Vergangenheit grösser als heute?
Dan: Ja! Sicher! Damals waren wir noch sehr jung. Wir hatten unsere ganze Zukunft vor uns und unser ganzes Leben stand auf dem Spiel. Hätten wir kein grossartiges Werk geschrieben und aufgenommen, hätten wir höchstwahrscheinlich nicht die Möglichkeit bekommen, ein weiteres zu machen. Somit wäre unsere Musikkarriere beendet gewesen. Jetzt, da wir alt sind und keine echte Musikkarriere mehr anstreben, ist dieser Druck beseitigt und wir geniessen einfach das Songwriting und die Aufnahme. Der einzige Druck den wir spüren, ist unser eigener Wunsch, die beste Musik zu schreiben und aufzunehmen, die wir können. Mir ist klar geworden, dass es wie bei unseren ersten beiden Scheiben, 20 oder 30 Jahre dauern kann, bis sie geschätzt werden. Bis dahin werden wir höchstwahrscheinlich nicht mehr unter den Lebenden sein (grinst). Das ist okay. Wir werden aber die Musik als unser Erbe zurücklassen. Unseren digitalen Fussabdruck, wenn man dem so sagen will (grinst). Das ist der beste Weg, dass wir hoffen können, um zur Unsterblichkeit zu gelangen. Unsere Musik wird weiterleben, lange nachdem wir alle in unsere Gräber geschaufelt wurden.
MF: Wie oft haben dir Labels oder Manager in der Vergangenheit Anweisungen gegeben, wie das kommende Album zu klingen hat?
Dan: Für unsere ersten beiden Shrapnel-Alben war Mike Varney sehr, stark in die Produktion und Vorproduktion involviert. Danach wurden wir so ziemlich alleine gelassen, bis wir uns mit Bart Gabrial und High Roller Records zusammengetan haben. Für unsere Speed-Thrash-Death-Metal-Zeit, produzierten wir alle drei Veröffentlichungen selber.
MF: Warst du vom Musikgeschäft enttäuscht?
Dan: Ja natürlich (lacht). Nachdem wir im Schatten von Bands wie Metallica aufgewachsen sind, ist es schwer, ihren Megaerfolg nicht mit unserem düsteren Versagen zu vergleichen. Das Musikgeschäft ist hart und nicht alle Bands können aus der Dunkelheit des Labyrinths springen und finden den Erfolg.
MF: Was willst du mit den Texten von «Entangled In Sin» sagen? Gibt es ein Konzept hinter den Texten?
Dan: Ja. Ich wollte meine Besorgnis über den Mangel an geistiger Entwicklung der Menschheit zum Ausdruck bringen und darüber, wie dogmatische Religionen, wie das Christentum und der Islam, die Menschheit zurückgehalten haben. Wie sich die Menschen seit mindestens zweitausend Jahren gegenseitig umgebracht haben und wer den besseren, imaginären Superfreund hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Übergabe unseres Intellekts an eine primitive Religion der Eisenzeit, wie das Christentum, nicht für eine optimale psychische Gesundheit geeignet ist. Ich denke, der Dramatiker Oscar Wild hat es am besten widergegeben, als er sagte: «Religion ist wie ein blinder Mann, der in einem dunklen Raum nach einer schwarzen Katze sucht, die nicht da ist... Und sie findet».
MF: Bist du «Entangled In Sin»?
Dan (lachend): Sind wir dies nicht alle? Nach Angaben der katholischen Kirche wurden wir alle in die Sünde hineingeboren. Das heisst, wir sind alles geborene Sünder. Du musst die Logik einer Geschichte hinterfragen, in der ein Gott fehlbare Wesen erschafft und sie dann für ihre Fehler verantwortlich macht.
MF: Wer hatte die Idee für das Cover?
Dan: Ich. Es wurde nach der Idee vom KISS-Cover «Love Gun» angefertigt. Meine ursprüngliche Idee war es, vier kniende Ministranten in Unterwäsche zu zeigen, die Fellatio an vier katholischen Priestern durchführen. Bart Gabriel riet mir davon ab, dass dies etwas übertrieben sein könnte. Daraus entstand das Endergebnis und ist ein Kompromiss meiner Grundidee. Im Nachhinein denke ich, dass er Recht hatte. Die implizite Absicht ist subtil, aber immer noch da.
"...Für mich ging es am Anfang beim Gitarre spielen und in einer Band zu sein, nur darum Mädchen zu bekommen. In diesem jungen Alter hatte ich kein brennendes Verlangen, mich kreativ auszudrücken..."
MF: Was waren deine Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen, die du mit der Musik erreichen wolltest, als du mit der Truppe gestartet bist?
Dan: Oh du ahnst es sicher schon (grinst), das Übliche. Für mich ging es am Anfang beim Gitarre spielen und in einer Band zu sein, nur darum Mädchen zu bekommen. In diesem jungen Alter hatte ich kein brennendes Verlangen, mich kreativ auszudrücken. Ich wollte nur, dass hübsche Girls mich mögen. Das ist die einfache, ehrliche und ungeschminkte Wahrheit (grinst). Jetzt, wo ich alt und hässlich bin, spielt es keine Rolle mehr. Also kann ich mich ungestört auf das Handwerk des Songwritings und der Aufnahme konzentrieren (grinst).
MF: Wie schwierig wurde es für die Band nach der Veröffentlichung von «No Escape» im Jahr 1984?
Dan: Du kennst den Ausdruck: «Timing ist alles?» Nun... Für uns hätte unser Timing nicht schlechter sein können. Wir lernten viel aus der Aufnahme unseres ersten Albums «No Escape» und hatten eine viel bessere Auswahl an Songs für «Under The Spell». Mit Dan Bryant hatten wir einen starken, neuen Sänger bei Hexx und als Musiker spielten wir auf einem besseren Level. Leider explodierte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von «Under The Spell» die Speed-Metal-Death-Thrash-Bewegung und unser US-Power-Metal-Stil fiel in Ungnade. Zumindest diese Zeit, war für uns kämpfende Metal-Musiker aus der San Francisco Bay Area nicht die beste.
MF: Du hast danach eure Musik mit einigen Thrash-Elementen für die zweite Platte erweitert. Eine Anpassung, weil du aus der Bay Area kamst und viele bekannte Bands diesen erfolgreichen Sound wie Testament, Death Angel oder Metallica spielten?
Dan: Ja, ich hatte einige thrashige Speed-Metal-Riffs und Songs geschrieben. Als ich sie Mike Varney vorstellte, mochte er die Tracks nicht. Er hasste Thrash-Metal und weigerte sich, uns in diese Richtung zu begleiten.
MF: Warst du enttäuscht, dass dein klassischer Metal-Sound nicht den gleichen Erfolg hatte wie jener der Thrash-Bands?
Dan: Na sicher. Es war sehr frustrierend, weil ich die Handschrift an der Wand sehen konnte… Mit anderen Worten, ich konnte erkennen, in welche Richtung der Wind wehte und sich gedreht hatte. Ich wusste, dass der schnellere Spielstil in der Bay Area immer beliebter wird und darum wollte ich mehr Speed-Thrash-Elemente in unsere Musik aufnehmen, aber Varney liess es nicht zu.
MF: Warum hast du deine Musik mit Death-Metal-Elementen für «Morbid Reality» erweitert und hast dich stark vom musikalischen Stil deines Debüt abgewendet?
Dan: Nun, wie gesagt, wir haben uns sowieso in diese Richtung bewegt. Als unsere vertragliche Verpflichtung gegenüber Shrapnel abgelaufen war, haben wir das «Help Yourself Demo» geschrieben und aufgenommen. Das führte zu unserem Deal mit Music For Nations und Under One Flag aus England. Daraus wurde schliesslich unsere erste Veröffentlichung im Speed-Thrash-Metal-Genre namens «Quest for Sanity».
"...Kirk von Metallica war zu dieser Zeit noch freundlich und lud uns zu Shows und besonderen Anlässen ein..."
MF: Wie gross war die Freundschaft unter den Bands in der Bay Area?
Dan: Für uns waren die einzigen Bands, an die ich mich erinnere und uns freundlich gesinnt waren, Sadus und Autopsy. Kirk von Metallica war zu dieser Zeit noch freundlich und lud uns zu Shows und besonderen Anlässen ein. Zum grössten Teil gab es Rivalität. Was verständlich war, da damals viele grossartige Bands aus der Bay Area kamen. Die Konkurrenz war, gelinde gesagt, hart und heftig.
MF: Wie schwer ist es für dich, sich nicht von musikalischen Trends beeinflussen zu lassen?
Dan: Ich achtete nicht auf musikalische Trends. Hexx ist, was es ist. Wir haben unsere Nische im Power-Metal Sound der 1980er Jahre gefunden. Entweder werden wir wahrgenommen, als das was wir sind, oder man lässt es sein.
MF: Warum habt ihr euch 1995 getrennt?
Dan: Als unsere Century Media-Veröffentlichung «Morbid Reality» seinen Lauf nahm, veränderte sich die musikalische Landschaft komplett. Die Grunge-Rock-Szene diktierte alles und wir erhielten keinen weiteren Plattenvertrag mehr. Also beschlossen wir, die Band zu Grabe zu tragen.
MF: Mit «Wrath Of The Reaper» seid ihr 2017 zu eurem klassischen Sound zurückgekehrt. Wie kam es dazu und was waren die Gründe für das Comeback?
Dan: Als ich angesprochen wurde, die Band wieder zusammenzubringen, um 2012 auf dem Keep It True-Festival zu spielen, wurde mir klar gemacht, dass nur die klassische Power Metal-Version der Band willkommen sein würde (grinst). Das fühlte sich gut an für mich, denn ich hatte sowieso keine Lust, wieder Songs von «Morbid Reality» zu spielen. Wir nehmen immer noch thrashige Elemente in unsere neuen Lieder auf, aber dies dominiert nicht mehr unseren Stil, wie zu bestimmten Zeitpunkten in unserer Karriere.
MF: Die Reunion fand fast in der Originalbesetzung statt. Warum hat es nicht ganz geklappt?
Dan: Unser Bassist Bill Peterson wurde einige Monate vor dem KIT-Festival schwer krank, deshalb musste ich einen Ersatz für ihn finden. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht mit Dan Bryant in Kontakt treten, aber zum Glück liess sich Dennis Manzo überreden, aufzutreten. Unser ursprünglicher Schlagzeuger Dave Schmidt war nicht interessiert, deshalb musste ich auch einen Ersatz für ihn finden.
"...Ich werde diesen Tag nie vergessen. Sie zerrissen förmlich das Album. Tatsächlich gingen sie aber noch einen Schritt weiter...."
MF: Was war der dunkelste Tag in der Karriere der Band?
Dan: Das war, als wir eine Ausgabe des Kerrang-Magazins mit ihrer Rezension von «Under The Spell» erhielten. Ich werde diesen Tag nie vergessen. Sie zerrissen förmlich das Album. Tatsächlich gingen sie aber noch einen Schritt weiter. Auf der ersten Seite ihres neuen Album-Review-Abschnitts war ein Bandfoto von uns zu sehen, unter dem folgende Überschrift: «Hexx, definitely NOT Under The Spell» zu lesen war. Der Schreiberling schrieb weitere negative Dinge über unsere Bemühungen. Kurz darauf verlor unser Schlagzeuger Dave Schmidt den Mut und gab auf. Unser Sänger Dan Bryant tat bald dasselbe. Das war der Katalysator, der uns dazu bewegte, uns neu zu erfinden. Wir waren stinksauer und angepisst. All unsere Wut und Frustration entluden sich in neue Lieder. Dies war der Beginn unserer Speed-Thrash-Death-Metal-Periode. Es war in der Tat eine dunkle Zeit. Diese Dunkelheit manifestierte sich in Form unserer nächsten drei Veröffentlichungen, den beiden EPs «Quest For Sanity», «Watery Graves» und gipfelte in Album «Morbid Reality».
MF: Warum habt ihr euch von Paradox 1983 in Hexx umbenannt?
Dan: Als wir unseren Deal mit Mike Varney abgeschlossen haben, recherchierte er nach Truppen mit dem Namen Paradox und stellte fest, dass es schon mehrere Bands mit diesem Namen gab. Um Verwirrung zu vermeiden, sagte er uns, wir sollten den Namen der Band ändern. Wir schrieben alle möglichen neuen Namen auf. Wirklich alles, was wir uns nur vorstellen konnten und die einzige, auf die sich alle einigen konnten war Hexx mit Doppel-X.
MF: Wie wichtig ist dir das Gleichgewicht zwischen Band und Privatleben?
Dan: Damals, als wir versuchten mit der Band den Durchbruch zu schaffen, haben wir unser ganzes Leben diesem Unterfangen gewidmet. Irgendwann lebten wir alle zusammen in einem Haus, das wir von meiner Tante und meinem Onkel mieten konnten. Wir hatten unsere Tagesjobs, ohne die wir die Truppe nicht am Leben hätten halten können. Das alles hat uns viel Geld gekostet. Wir hatten keine Unterstützung von unseren Eltern oder sonst jemandem und waren völlig auf uns alleine angewiesen. Um auf deine Frage zurückzukommen, es gab keine wirkliche Balance oder Trennung zwischen der Band und dem Privatleben. Wir lebten mit allem, was wir hatten, in der Hoffnung unserer Träume verwirklichen zu können.
MF: Was war dir in der Vergangenheit wichtig und was ist dir heute wichtig?
Dan: Rückblickend war mein Hauptaugenmerk darauf gerichtet, ein erfolgreicher Musiker zu werden, Hexx aus den Schatten zu holen um den rechtmässigen Platz an der Sonne einnehmen zu können. Jetzt, wo ich fast 60 bin, habe ich diese Hoffnung, diesen Wunsch, oder die Verfolgung dieses Ziels aufgegeben. Heute ist mir das Schreiben wichtig. Ich habe zwei Romane und eine Memoire geschrieben, die ich veröffentlichen möchte. Was mir heute wichtig ist, ist die Suche nach einem Literaturagenten und Verleger (grinst).
MF: Wie hat sich die Person Dan im Laufe der Jahre verändert?
Dan: Nun, du kennst das alte Sprichwort: «You have to be young and stupid before you can become old and wise». Ich denke, ich habe den jungen und dummen Teil ziemlich gut abgedeckt (grinst). Jetzt konzentriere ich mich darauf, Weisheit zu erlangen und weise zu werden, wenn ich in die letzten Jahre dieses Lebens eintrete.
MF: Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Dan: An diesem Punkt meines Lebens bin ich philosophischer geworden. Mir ist klar geworden, wie glücklich ich war. Wie sehr muss ich dafür dankbar sein, wie besonders, kostbar und selten das Leben ist. Für mich ist jeder Tag, bei dem ich geerdet und glücklich herumlaufen kann, ein guter Tag. Meine Pläne für die Zukunft sind, so viele Romane und Drehbücher wie möglich zu schreiben, bevor die Überreste meines Geistes und Intellekts zu verblassen beginnen.
MF: Dan, vielen Dank für die Zeit und die sehr tollen Antworten. Es war mir eine Ehre.
Dan: Danke für dieses Interview. Die Ehre war ganz auf meiner Seite. Pass auf dich auf und alles Gute.
HEXX irgendwann in der 80ern