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"...Der Stapel mit unseren abgelehnten Ideen wird immer grösser. Ab und zu starten wir einen zweiten Versuch. Es bleiben wenige Beispiele, bei denen es dann doch klappt..."
Erlangen ist pink? Nein, nicht ganz, steht aber für eine Horde Musiker, die sich den Spass auf die Stirne tätowierten und ihre Umwelt eben pink anmalen liessen. "Planet Pink" scheint auch der wahre Zaubertrank zu sein, um sich vom Virus nicht in die Knie zwingen zu lassen. Mit dem mittlerweile dreizehnten Studio-Album liefern Veit "Vito C." Kutzer (Gesang, Gitarre), Hannes "G. Laber" Holzmann (Gesang, Gitarre), Ralph Bach (Bass) und Wolfram Kellner (Drums) eine Mischung aus Rock und Metal pur in die heimischen Stuben. Dabei werden dieses Mal nur zwei Fremdkompositionen im J.B.O. Gewand präsentiert, und der Rest stammt aus der eigenen Feder. Das war früher schon mal anders…, heiss t schön früh wurde das Video zu «Metal Was My First Love» (Original von John Miles: «Music Was My First Love») veröffentlicht und liess die Vorfreude auf den neuen Rundling in die Höhe schnellen. Was die Jungs mit Sepultura am Hut haben, wie der Bandname entstand und wie «Klassiker» sowie «Expedition ins Geistreiche» zu Stande kamen, all das liess uns Vito wissen. Insbesondere auch, ob Metal denn seine erste grosse Liebe war.
MF: War Metal wirklich deine erste Liebe?
Vito: In vielen Fällen, wenn es um Metal geht, ist Hannes die treibende Kraft. Ich bin mit Rockmusik aufgewachsen, aber nicht so metallastig (grinst). Led Zeppelin, Deep Purple, Rainbow und Journey waren meine Einflüsse, der Rock der 70er. Hannes ist Metal (lacht) und ich bin mehr Rock (lacht).
MF: Hattet ihr noch nie Probleme mit den Original-Interpreten, wenn ihr ihre Tracks covern wolltet?
Vito (lautes Lachen): Ehm…, wir haben laufend Probleme. Eine Genehmigung zu kriegen, ist nicht immer einfach. «Planet Pink» und «Metal Was My First Love» sind die einzigen zwei Covers, die auf dem neuen Album zu hören sind. Es gab keine weiteren Genehmigungen. Ich glaube, wir haben zehn Anfragen losgeschickt, die fast alle abgelehnt wurden. Diese Ideen verschwinden alle in der Schublade. Das ist Arbeit für die Katz und passiert uns bei jedem Album. Der Stapel mit unseren abgelehnten Ideen wird immer grösser (grinst). Ab und zu starten wir einen zweiten Versuch. Es bleiben wenige Beispiele, bei denen es dann doch klappt.
MF: Auf welche Nummer hast du dich bisher am meisten gefreut sie zu covern und zu J.B.O.sieren?
Vito (überlegt lange): Wow…, das ist eine Frage…, «Metal Was My First Love» hat mir grossen Spass gemacht. Einen grossen Teil des Arrangements übernahm ich. Die ganzen Klavierparts auf die Gitarre umzumünzen, das war meine Arbeit. Die Orchesterstimmen raus zu hören und mit E-Gitarren nachzuspielen…, wir bastelten quasi ein E-Gitarren-Orchester daraus (lacht). Das ist noch sehr präsent, war eine coole Arbeit und hat viel Spass bereitet. Es ist nicht damit getan, dass wir uns sagen: "So, heute nehmen wir uns «Music Was My First Love» zur Brust, und dann ist das Lied auch schon umgesetzt". Es war eine Herausforderung, und zu sehen wie der Track funktioniert, ist eine sehr schöne Erfahrung. Es gibt so viele coole Lieder, die wir in der Vergangenheit nachgespielt haben und Spass machten, wie auch beim Album «Deutsche Vita», als wir «Ich will Spass» (Original von Markus) auf unsere Weise interpretierten. Oder nimm «Wer lässt die Sau raus» (Original Baha Men: «Who Let The Dogs Out»)..., es fällt schwer da einen Favoriten auszuwählen (grinst).
MF: Was ist euch wichtig, wenn ihr eine Nummer covert?
Vito: Dass die Idee gut ist, cool und tragfähig, dann machen wir es (grinst). Es gibt kein Kriterium, und dabei kann es sich um einen Track handeln, den wir total Schrott oder gut finden. Je mehr es sich soundmässig von Original entfernt, desto weniger hat uns das Original gefallen (lacht). Gerade in unserer Frühzeit haben wir die Metal-Songs möglichst nahe am Original gehalten. Wie «Schlaf Kindlein Schlaf» (Original von Metallica: «Enter Sandman») oder «Symphonie der Verstopfung» (Original von Megadeth: «Symphony Of Destruction»). Die Versionen haben wir stark beim Originaltrack belassen. Auch «Roots Bloody Roots» (Original von Sepultura). Da wollten wir, dass die Lieder sehr nahe bei den ursprünglichen Versionen sind. Gerade zu «Roots» gibt es eine lustige Geschichte. Viele Leute waren tatsächlich der Meinung, dass Sepultura dieses Lied zusammen mit Luciano Pavarotti eingespielt hatten (die Version von J.B.O. nennt sich Pabbarotti And Friends: «Roots Bloody Roots»).
Wir spielten das auf dem Earthshaker Festival, zusammen mit Sepultura. Die Jungs haben lustigerweise auf ihrer Homepage einen Post gemacht, dass sie nicht mit Pavarotti «Roots Bloody Roots» gespielt haben, sondern dass diese Version einer der besten Cover-Songs ist und von der Deutschen Truppe J.B.O. stammt. Das fanden wir total cool. Übers Management liessen wir anfragen, ob wir mit Sepultura nicht einen Song zusammen spielen könnten. Wir traten vor Sepultura auf und standen dann für drei Nummern zusammen mit ihnen auf der Bühne. Beide Combos komplett auf einer Bühne (grinst). Nach den ersten beiden Tracks musste ich kurz mein Outfit wechseln und meine Pavarotti Klamotten anziehen. Am Nachmittag probten wir zusammen. Derrick (der Sänger) sagte zu mir: "Gib mir ein Zeichen, wenn dein Pavarotti Einsatz kommt". So habe ich den Shouter von Sepultura dirigiert und ihm gesagt, wann sein Einsatz an der Reihe ist. Viel cooler gehts doch gar nicht (grinst). Die Jungs, auch Andreas Kisser, was für ein Schätzchen, waren alle wahnsinnig nett und sehr herzlich! Das hat echt grossen Spass gemacht.
MF: Was ist dir denn lieber, Songs zu "verpinken" oder die eigenen "pinkigen" Kinder in die Welt zu setzen?
Vito: Das ist sehr schwer zu sagen, es macht beides Spass. Das sind zwei verschiedene Paar Stiefel. Wenn ein Lied, welches du selber geschrieben hast, zum Hit wird, ist es vielleicht fürs Ego ein bisschen besser (grinst). «Ein guter Tag zum Sterben» oder «Verteidiger des Blödsinns», die von uns komponiert wurden, sind aus dem Live-Set nicht mehr weg zu denken. Was sich in den letzten Jahren zum Hit im Radio entwickelte, war «Alles nur geklaut» (Original von den Prinzen). Tobias Künzel (Die Prinzen, Keyboarder) traf ich kurz nach der Veröffentlichung in Berlin. Das war vor der GEMA Jahreshauptversammlung. Ich war mit einem Freund in einem Club. Dort sah ich Tobias und laberte ihn einfach an und bedankte mich für die Genehmigung, dass wir «Alles nur geklaut» spielen durften. "Oh cool, die Nummer wurde schon oft gecovert, oftmals auch sehr peinlich, aber eure Version ist echt schön geworden" war seine Antwort.
MF: Wie entstand «Expedition ins Geistreiche»?
Vito: Der Track entstand nach einer älteren Idee. Stehen wir vor einer neuen Scheibe, dann gehen wir unsere Ideenliste durch (grinst). Manche Ideen tauchen immer wieder auf (grinst). Leider wurde bis jetzt kein Song daraus. Dieses Mal wollten wir keinen Song daraus machen, sondern ein "spoken word". Der Rest war Handwerk. Die Idee, immer etwas falsch zu verstehen und was anderes zu sagen oder zu interpretieren, ist nicht wirklich neu (lacht).
MF: Sehr hörenswert ist auch «Klassiker», wie lange braucht ihr, um einen solchen Song zusammen zu basteln?
Vito (lachend): Gute Frage…, also, pass auf (grinst). Der Anfang mit der 5. Symphonie von Beethoven aufzubereiten, das ist uralt. Das zauberten wir schon vor über dreissig Jahren hin und erinnerten uns daran, dass es eine coole Geschichte ist. Bisher veröffentlichten wir es nie, aber es macht unglaublichen Spass. Die Idee zum Text von «Klassiker» mit all diesen Musik und Film Zitaten stammt von Hannes. Zu Beginn war das schon eine Herausforderung (grinst). Der Text entstand, und wir stellten all diese Parts zusammen. Aus dem Riff von Beethoven sollte ein Song-Riff gebastelt werden. Dies sollte dann mit einem Blues vermischt werden (grinst zufrieden). Die Chöre stammen von mir, mit diesem dramatischen und Spannung erzeugenden Bogen. Das war schon ein Skizzieren mit dem Lineal (lacht), aber es hat funktioniert (grinst zufrieden). Das Solo war auch eine Herausforderung (lacht), respektive wie man klassische Gassenhauer stimmig hintereinander spielt (lacht). Das ist frech, aber genauso hat man seinen Spass damit.
"...Klar haben wir uns überlegt, ob wir einen Corona-Song schreiben sollten, aber das will doch keiner mehr hören..."
MF: Wie schwer war es in dieser Zeit der Pandemie, sich den Humor zu bewahren?
Vito: Das ist doch die einzige Möglichkeit noch zu lachen. Wenn du nur mit hängenden Mundwinkeln durchs Leben läufst, macht das doch keinen Spass. Klar haben wir uns überlegt, ob wir einen Corona-Song schreiben sollten, aber das will doch keiner mehr hören. Das ist nicht unsere Aufgabe (lacht), sondern wir widmen uns dem Rock'n'Roll (lacht).
MF: Streiten sich du und Hannes über die musikalische Ausrichtung oder die Texte?
Vito (wie aus der Pistole geschossen): Klar gibt es Zoff (lautes Lachen). Wir kennen uns nun schon so lange und wurschteln zusammen, dass man miteinander klar kommt. Klar muss jeder ab und zu seine Meinung sagen. Vielleicht ist zu dem Zeitpunkt die Abstimmung noch nicht ausreichend (grinst). Wo Menschen sind, da gibt es Zoff, das ist doch logisch, aber es findet sich bei uns auch immer wieder ein.
MF: Gab es für euch auch mal eine schwierige Zeit, sprich so eine Art Schreibblockade?
Vito: Das ist uns noch nicht passiert. Wenn wir losgehen und sagen: "Wir müssen jetzt", dann funktioniert es auch (grinst). Dass wir da sitzen und meinen (mit trauriger, deprimierter Stimme): "Tja, jetzt sitzen wir da, und es fällt uns nix ein…", das ist uns noch nicht passiert. Wenn, dann kann ich mich nicht mehr daran erinnern (lacht).
MF: Wie kam es zu eurem Bandnamen?
Vito: Der genaue Augenblick ist im Bierdunst verschleiert (lacht). Es war im Sommer 1989, da lernte ich Hannes kennen. Zu der Zeit waren wir beide im Zivildienst. Zufälle generieren Begegnungen, und wären wir nicht im Zivildienst gelandet, würde es heute J.B.O. sehr wahrscheinlich überhaupt nicht geben. Wir hatten eine Arbeit, kriegten Geld dafür und hatten ansonsten unseren Kopf frei. Nach dem Zivildienst studierte ich noch einige Semester Englisch und Deutsch zum Gymnasiallehrer. Nebenbei spielte ich in einer Coverband und J.B.O. begannen sich zu entwickeln. Das Ziel war aber mein Beruf, den ich dann nicht beendet hatte, weil ich mich entscheiden musste, gehe ich auf Tour oder mache ich mein Examen (grinst).
Erst viel später wurde mir klar, dass ich während des Zivildienstes meine Berufung für mich fand. Bei uns in Erlangen gab es lange dieses Newcomer Festival. Da wurdest du nicht ausgewählt, sondern musstest dich nur schnell genug anmelden, damit du auftreten konntest. Hannes meinte zu mir: "Hey komm, wir gründen eine Band und melden uns da an! Wie spielen kein kompliziertes Zeugs, sondern Covers und proben auch nicht so viel". Das ist doch cool (lacht). Bei den Proben fiel uns dann immer mehr Scheiss ein (lacht). Bei Hannes im Keller nahmen wir vieles auf ein Vierspur-Kassettengerät auf, und bei einer der Proben kam Hannes mit den Namen James Blast Orchester an. So benannten wir die Truppe zu Beginn.
Spätestens ein halbes Jahr danach kürzten wir den Bandnamen bereits in J.B.O. ab. Das J.B.O. Logo mit den drei grossen Buchstaben habe ich per Hand gezeichnet. Damals wusste ich noch nicht, dass sich dies so lohnen würde (lacht). Das war 1989/1990. Die ersten Jahre waren J.B.O. nur ein Freizeitspass. Hannes war ab 1990 in der Cover-Band Justice tätig, ich ab 1991 auch. Da reichte die Zeit für J.B.O. höchstens für drei bis vier Konzerte pro Jahr. Wir haben nicht nach Auftritten gesucht, sondern wurden immer von Veranstaltern angefragt, ausser bei diesem Newcomer Festival. Als wir 1996 zum ersten Mal in den Charts waren, trudelte zwei Wochen später bei unserer Plattenfirma das Schreiben der Anwälte von James Last mit der Bitte ein, unsere CDs nicht mehr mit dem Bandnamen "James Blast Orchester" zu veröffentlichen. Seitdem verwenden wir den Zensurbalken.
Das war für uns die beste Werbekampagne, die wir jemals hatten. Das Thema wurde sogar in der Bildzeitung thematisiert. Wir können diesen Anwälten nicht genug dafür danken. Zu einem unserer Bandjubiläen hatte ich die Idee, dass wir anfragen könnten…, ehrlich…, die Verwechslungsgefahr ist gar nicht gegeben (grinst). Ich klopfte also beim Management an, wie sie dazu stehen würden, wenn J.B.O. ihren Originalnamen zurück kriegen würden? Da kam nur ein ganz eisiger Hauch zurück, dass sich J.B.O. weiterhin vom Namen des Orchesters von James Last fern halten sollen. Da war James Last noch am Leben. Ich denke, ihm selber wäre das völlig egal gewesen, und immerhin habe ich von einem österreichischen Journalisten ein Bild erhalten, auf welchem James Last eine J.B.O. CD in seinen Händen hält (grinst).
MF: Besten Dank für das Interview wie die Zeit, welche du dir genommen hast, und hoffentlich bald wieder auf ein Konzert in der Schweiz?!
Vito: Sehr gerne! Alter Schwede, ja es wird wieder mal Zeit, dass wir bei euch und grundsätzlich spielen können. Ich hoffe es auch und sage im Moment aber gar nichts dazu (lacht).