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JACK RUSSELL - Mit besten Erinnerungen an die Zeit als Rockstar. "...Was wir damals erlebten war unglaublich und wir waren die Könige von Hollywood. Auch wenn wir dies gar nicht sein wollten! Ab und zu war ich ein Glückpilz..."
Jack Russell besitzt eine unverkennbare Stimme, welche einerseits den Rock, aber auch den Blues mit viel Hingabe zelebriert. Der bald 60-jährige Shouter hat in seiner Karriere mit Great White alle Höhen und Tiefen miterlebt. Darunter auch die Brandkatastrophe 2003, als in Rhode Island infolge der Pyrotechnik ein Feuer im "The Station-Club" ausbrach. Bedingt durch die damit verbundene Massenpanik starben hundert Leute und der damalige Gitarrist Ty Longly. Die erfolgreicheren Zeiten feierten Great White mit den Alben «One Bitten…», «…Twice Shy» (Doppelplatin in den USA) und «Hooked». Nicht nur in diesen Zeiten konnten Great White als agile und mitreissende Hardrock-Band auf sich aufmerksam machen. Heute gehen Jack und der Rest von Great White getrennte Wege. Ein "Auseinanderleben", das seine Spuren bei Jack hinterliess und die er mit dem letzten JRGW Studio-Album «Once Bitten Acoustic Bytes» auf seine Art zeigte, dass er noch immer DER Sänger für den weissen Hai ist.
MF: Wer hatte die Idee zu «Once Bitten Acoustic Bytes»?
Jack: Es bestand schon seit längerem der Plan ein solches Album zu veröffentlichen. Mit Great White veröffentlichte ich ein Akustikalbum, das sich «Recovered» nannte. Die Basis meines Songwriting ist, dass ich zuerst alles mit meiner Akustikgitarre und meiner Stimme komponiere. Klingt es gut und hat es einen Wieder-erkennungsgrad, dann arbeite ich weiter an diesen Ideen. Der Plan war, die alten Hits wieder so zu spielen, wie sie entstanden sind. Die Lieder wieder in ihrer natürlichen und grundlegenden Form zu zeigen. Es kamen viele Erinnerungen hoch, wie wir damals zusammen die Tracks komponiert und vollendet haben.
MF: Das Schöne dabei ist, dass man nach all den Jahren noch immer dich und deine Stimme sofort erkennt. Hattest du nie Probleme mit dem Singen?
Jack: Ich bin in der sehr glücklichen Lage, dass ich nie Schwierigkeiten hatte zu singen. Dabei versuche ich auf die Gesangsstimme aufzupassen und mit Gottes Segen hat dies immer funktioniert. Er hat immer gut zu mir geschaut, selbst dann, wenn ich es nicht tat (lacht). Es gibt viele Geschichten, bei denen ich sehr fahrlässig mit meiner Stimme umging. Aber in den letzten zehn Jahren habe ich immer auf sie aufgepasst und die richtigen Dinge getan. Wenn du früher von der Bühne kamst und die nächste Party seinen Lauf nahm… "I love no stone unturned" (grinst). Meine erste Band gründete ich mit elf Jahren. Das Schöne war, dass mich meine Eltern immer unterstützten, mir den Rücken freihielten und stärkten. Dies erleichterte mir einiges. Speziell mein Dad hat mich immer an meine Gigs gefahren, war fast mein persönlicher Roadie, half mit beim Equipment und wartete bis die After-Show-Party zu Ende war. Es war grossartig, wie sich die Beiden um mich kümmerten und unterstützten.
MF: Der Titel deines zweiten Soloalbums «He Saw It Coming», trägt dies auf gewisse Art und Weise auch autobiographische Züge?
Jack: Ja, wie vieles andere auch, beinhaltet dieser Titel viel Autobiographisches. Ich schrieb viel über mich selber wie meine Erfahrungen, und speziell dieser Track beinhaltet sehr viel über mich. Als ich jung und wild war, hatte ich die Vision, dass ich ein Rockstar werde (grinst). Das muss mit sechs Jahren gewesen sein und ich liess mich nicht davon abbringen. Viele haben mich ausgelacht, aber ich habe ihnen bewiesen, dass man seine Träume umsetzen kann. Davon handelt dieser Song. Zudem ist «He Saw It Coming» eines meiner beiden Lieblingsalben. Es ist ein reines Great White-Album, weil Jack Russell noch immer Great White ist! Das andere ist «Can't Get There From Here», diese beiden Scheiben liebe ich sehr.
MF: Warst du enttäuscht, als du bei Great White raus geflogen bist…
Jack: …ich war nicht enttäuscht, dass ich raus geflogen bin, sondern wie es passierte. Niemand rief mich an oder informierte mich, dass sie nicht mehr mit mir auftreten wollen. Es war damals eine schwierige Zeit für mich, und sie hätten auf mich warten können, wie dies andere Bands auch taten. Hey! Ich bin der Sekretär, der Vize-Präsident, der Präsident, der Kassier, der Master und die kreative Antriebsfeder der Band. Sie konnten mich gar nicht feuern, aber mich ignorieren. Ich habe Great White mit siebzehn Jahren ins Leben gerufen. Heute nennen sie sich Great White und ich das Ganze eben Jack Russell's Great White. Es ist, wie es ist. In meiner Musik waren Great White immer verwurzelt. Es ist meine Band!
MF: Was denkst du hat Great White die Türe für Europa mehr geöffnet? Die erste Tour zusammen mit Alice Cooper oder das "Monsters Of Rock" Festival 1988?
Jack: Ich denke, dass die Tour mit Alice für uns bedeutsamer war. Wir konnten uns an unterschiedlichen Orten präsentieren und mehr Leute erreichen. Klar, der Auftritt in Schweinfurt war ein Spektakel. Wir nutzten unsere Möglichkeit, aber wie vieles im Leben geht es hoch, aber auch wieder runter (lacht).
MF: Kam für dich und Great White der Erfolg in den achtziger Jahren zu schnell, bedingt durch das Major-Label und das grosse Management?
Jack: Ja, weisst du… Wir waren alle sehr jung, wussten nicht auf was wir uns einliessen und wollten nur unsere Musik machen. Wir glaubten all den Managern und der Plattenfirma, was sie uns sagten und versprachen. Dabei hat es sie einen Scheiss interessiert, wie es uns ging. Sie haben uns zum Essen eingeladen, mit Namen angesprochen, eine Linie Koks verabreicht, und wir hatten das Gefühl, dass sie unsere besten Freunde sind. Damals habe ich mich nicht um die geschäftlichen Dinge gekümmert, son-dern hatte verdammt viel Spass. Ich wünschte mir, dass ich damals klüger gewesen wäre und die Finger von den Drogen gelassen hätte. Heute bin ich in einer besseren Position, aber ich liebe es noch immer Spass zu haben (lacht). Ich kann mich heute nicht mehr an alles erinnern, aber ich weiss, dass ich viel Spass hatte.
MF: Somit brauche ich nicht zu fragen, welche Bedeutung damals "Sex, Drugs and Rock&'n'Roll" hatte, es gehörte einfach dazu…
Jack: …absolut! Ich habe das jeden einzelnen Tag gelebt. Weisst du, ich bin nicht stolz darauf. Aber damals hatte ich eine grossartige Zeit, hatte Spass und heute Erinnerungen, die mir niemand nehmen kann. Rock'n'Roll ist zu 100 % besser als jeder Job. Was wir damals erlebten war unglaublich, und wir waren die Könige von Hollywood. Auch wenn wir dies gar nicht sein wollten! Ab und zu war ich ein Glückpilz, der mit seiner Arbeit Unglaubliches erreichte. Als ich die "Monster Of Rock" spielte, da fühlte ich mich wie ein Rockstar. In Schweinfurt waren 69'000 Leute da, und ein Helikopter filmte unseren Auftritt. Da denkst du wirklich: "Verdammt, jetzt habe ich es geschafft" (lacht). Ich fühlte mich wie ein Rockstar, auch wenn ich gar nicht wusste, was ein Rockstar ist (lacht). Heute geniesse ich noch immer meine Musik und neues Material zu schreiben. Klar hatten wir früher viel Druck, dem wir standhalten mussten. Einige Alben verkauften sich unglaublich gut, und wir hatten gerade mal die verdammte Pflicht, nach sechs Monaten, einen ebenbürtigen oder besseren Nachfolger abzuliefern. Darum gab es von uns viel Material zu hören. Waren es neue Songs, Covers oder Liveaufnahmen. Im Moment schreiben wir an neuem Material, weil wir dazu verdammt sind zu Hause zu sitzen.
MF: Wenn du die Zeit zurück drehen könntest, was würdest du ändern?
Jack: Ich würde die Frisuren und die Kleider der Achtziger verbieten lassen (lacht). Einige Jahre später, als ich Fotos von uns sah, dachte ich nur: "Oh mein Gott, was hat mich da geritten?" (lacht). Das sieht alles nach David Lee Roth (ehemaliger Sänger von Van Halen) aus. Die Videos als wir die Spandex-Hosen trugen… Hey, David war ein verdammter Rockstar, er durfte das! Oder diese unsäglichen, hochtoupierten Frisuren. Ich liebe lange Haare, wie sie damals in den Siebzigern getragen wurden. Robert Plant und Jimmy Page hatten auch lange Haare, aber sie waren keine "Hair-Band". Sie alle hatten nicht dieses Schubladen-Denken, wie es in den Achtzigern an der Tagesordnung war. Great White waren immer eine stinknormale Blues Rock Band und wollten nie einer dieser Bubblegum-Truppen sein. Diese idiotischen Lieder, die als Rock verkauft wurden, aber niemals den Spirit davon verbreiteten. Das ist aber meine persönliche Sichtweise und meine Art, die damalige Zeit zu beschreiben, dass wir in ein Genre hinein rutschten, in welchem wir uns selber nicht wohl fühlten. Klar konnten wir die grössten Erfolge mit diesem Trend feiern. 1987 bis 1991 waren die besten Jahre für uns mit den Alben von «Once Bitten…» bis und mit «Hooked». Mitte der Neunziger brach alles zusammen. Unsere Fans bekamen plötzlich alle Kinder und besuchten keine Konzerte mehr. Wir fragten uns, was mit der Musik passierte. Ist die Musiklandschaft tot? Wanderten unsere Fans alle zum Grunge ab und hörten sich nur noch Nirvana an? Dies war nicht der Fall, sie wurden Eltern, setzten andere Prioritäten, kamen später wieder zu unseren Konzerten und brachten ihre Kinder mit.
MF: Hast du dich über all die Jahre verändert?
Jack: Nicht unbedingt (grinst). Ich bin noch immer ein Arschtreter, der in seinen Gedanken 25 Jahre jung geblieben ist. Auch wenn ich morgens aufwache und mir meine alten Knochen weh tun. Trotzdem denke ich wie ein 25-Jähriger, mache idiotische Fehler und frage mich, wieso ich diese noch immer mache (grinst)? Schliesslich bin ich doch älter als 25ig und werde bald sechzig Jahre alt (lacht). Ich versuche alles zu geniessen und Spass dabei zu haben.
MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?
Jack: Weiterhin Musik zu machen, in dieser verrückten Welt, als plötzlich alles von 100 auf 0 ging. Ich hoffe, dass die Menschen seriöser werden und dabei lernen. Ich möchte weiterhin machen, was ich immer tat und dies solange ich in der Lage bin es zu tun. Das ist der Grund, wieso ich hier bin. Ich würde unglaublich gerne wieder bei euch in der Schweiz spielen. Ihr seid für mich echt die glücklichsten Leute in der Welt, seid mit dem zufrieden was ihr habt und rennt nicht irgendwelchen Titeln hinterher, wie die Amerikaner.
MF: Ich danke herzlich für das Interview, die Zeit und deine ehrlichen Antworten.
Jack: Es war mir ein Vergnügen, danke dir mein Freund. "God bless you!"