Swiss Hard Rock and Heavy Metal Magazine since 1999
You can reach us via email or phone.
+41 (0) 79 638-1021
"...Dabei sollte der Fan nicht einschlafen, wenn er sich das Album anhört..."
Ewig im Untergrund steckenbleibende Bands tragen einerseits ein finanzielles Risiko, das sie mit einem geregelten Job ausmerzen müssen, besitzen aber gleichzeitig auch die Freiheit, dass ihnen niemand in das Musikalische reinredet. So auch bei den Amis von Jag Panzer, die seit 1981 aktiv sind und, abgesehen von einer Pause zwischen 1988 und 1993, nie aufgesteckt haben. Musikalisch sind die Jungs um Sänger Harry "The Tyrant" Conklin ein Gourmet-Essen für die Metal-Fangemeinde. Reiner US-Metal wird mit filigranen Strickmustern und melodischen Parts serviert. Dies geschieht durch eine Truppe, welche seit Jahrzehnten mit Harry, Gitarrist Mark Briody, Bassist John Tetley und Schlagzeuger Rikard Stjernquist ein sehr stabiles Line-up aufweist. Nur der zweite Gitarrist änderte sich immer wieder, und so ist es aktuell Ken Rodarte, der neuerdings die Sechssaitige spielt.
Mit dem neuesten und mittlerweile zwölften Studio-Album geht der Fünfer ins Rennen, und das hat es wahrlich in sich. «The Hallowed» ist nicht nur ein futuristisches Konzept-Werk geworden, sondern birgt auch eine Geschichte in sich, die mit einem Comic-Buch ergänzt wurde. Lassen wir uns nun in die apokalyptische Welt von Jag Panzer mitnehmen und erteilen Harry (zu einer ziemlich mittelmässigen Telefonverbindung) das Wort.
MF: Wie kam es zum Comic-Buch von «The Hallowed»?
Harry: Mark kam mit der Idee an, und wir dachten, dass es eine grossartige Gelegenheit wäre. Wir haben einen anderen Blickwinkel auf die Geschichte eingenommen und sie aus der Sichtweise der Tiere geschrieben. Das Buch ist eher wie ein Abenteuer zu lesen und unterscheidet sich daher ein bisschen von den Songs. Wir haben uns dann über das Budget unterhalten und stellten fest, dass es den Rahmen sprengen würde. Aber ich bin der Meinung, dass es uns sehr gut gelungen ist.
MF: Welche Geschichte steckt hinter «The Hallowed»?
Harry: Es basiert alles auf dem Foto, das du auf dem neuen Album sehen kannst. Diese apokalyptische Szene zeigt Menschen, die gefangen und auf der Suche nach einem neuen Planeten sind. Es hat etwas mit Filmen wie "Dune" zu tun. Es dreht sich um Menschen, die die Apokalypse überlebt haben und in der Eiszeit stecken. Der ganze Planet ist in Eis gehüllt. Die Tiere versuchen zu überleben und kreieren untereinander eine Gemeinschaft. Auf der Suche nach einer neuen Heimat durchqueren die Menschen das Eisland und treffen dabei auf einige furchterregende Kreaturen (einen hyänenartigen Fleischfresser oder einen grossen fledermausartigen Flieger) und kämpfen mit ihrem eigenen Team aus Hunden, Adlern und Panthern um ihr Leben, während sie zu einem unbekannten Ziel vorstossen, um eine neue Gemeinschaft und ein neues Leben aufzubauen.
MF: Was war zuerst da, das Buch oder die Musik?
Harry: Die Musik war zuerst da. Das komplette Album war geschrieben. In der Zeit, bis das Werk gemischt war, kam Mark mit Yan Sek in Kontakt. Zusammen kreierten sie die Charaktere. In diesen sechs Wochen ist alles entstanden.
MF: Wie einfach oder wie schwer war es, die neuen Songs zu schreiben?
Harry: Wie immer waren Ideen und Riffs da. Wir haben uns oft unterhalten, und die Songs entwickelten sich. Als die Musik stand, brachten wir die Lieder in eine Reihe. Bevor wir realisierten, dass es ein Konzept geben könnte, standen die Tracks. Rikard kam mit dieser Möglichkeit an, dass wir daraus ein Konzept bauen könnten. Das war für mich eine sehr aufregende Geschichte. Zusammen mit Mark habe ich an den Texten gearbeitet, und wir nahmen die Perspektive der Tiere ein. Wir drehten alles ein bisschen um und hielten das Ende ein bisschen mysteriöser. Es war eine aufregende Angelegenheit. Ich habe meine Texte immer wieder den anderen Jungs vorgestellt und sie gefragt, ob sie damit zufrieden sind oder inwiefern ich noch etwas anpassen soll. Sie liebten meine Ideen, und es gab kaum Anpassungen. Die Arbeit am neuen Album hat sich grossartig angefühlt. Die Energie war sehr gut. Die Story und die Musik harmonieren.
MF: Wenn du das neue Album mit seinen Vorgängern vergleichst, was hat sich musikalisch verändert?
Harry: Ich denke…, da hat sich nicht allzu viel verändert. Viele Ideen gehen bis zu unseren Anfängen zurück. Da gibt es Parts, die auch auf «Mechanized Warfare» hätten verarbeitet werden können. Wir haben auch epische Tracks, die wir früher auch schon hatten. Ich bin mir sicher, dass wir unsere ganze musikalische Reise mitverarbeitet haben. Es fühlt sich gut an, die neuen Lieder zu hören und zu wissen, dass wir in der Vergangenheit auch viele Ideen in der gleichen Richtung verarbeiteten.
MF: Interessant sind auch die Geigen auf «Last Rites»...
Harry: ...ja, toll, oder? Sie hören sich wie eine Kampfmaschine an (lacht).
MF: Wolltest du schon immer ein Konzept-Album schreiben?
Harry: Nicht wirklich (lacht). Es ist immer ein sehr schwieriges Unterfangen, Musik mit einer interessanten Story zu vermischen. Dabei sollte der Fan nicht einschlafen, wenn er sich das Album anhört. Für uns war es sehr wichtig, eine Geschichte zu verfassen, die nicht langweilig wird und immer einen gewissen Spannungsbogen hat. Die Story ist cool geworden und beinhaltet spannende Elemente. Ich will nur gute Lieder schreiben. Arbeite ich ein Konzept aus, muss der Song mehr auf das Konzept ausgerichtet sein. Würde ich über Elfen schreiben, würde das musikalisch anders klingen, als wenn ich über Wölfe etwas zu berichten habe. Es war wichtig, dass sich alle mit dem Konzept identifizieren konnten, denn nur so konnte die Musik so grossartig umgesetzt werden, wie es uns auf «The Hallowed» gelungen ist.
"...sonst schreibe ich über die Erfahrungen von Leuten aus ihrem Leben. Für mich besteht die Verbindung immer zur Musik..."
MF: War es für dich dann einfacher dieses Konzept zu verfassen, statt einzelne, textlose Songs zusammen zu komponieren?
Harry: Nein, nicht unbedingt. Ich denke, wenn man in der Geschichte drin ist..., sonst schreibe ich über die Erfahrungen von Leuten aus ihrem Leben. Für mich besteht die Verbindung immer zur Musik. Wie bei Bon Jovis «Living On A Prayer». Verstehst du, was ich meine? Wenn genau diese Situation beschrieben wird und ich als Zuhörer mit dem Herzen verstehe, was mir der Künstler sagen will, dann bewirke ich etwas beim Konsumenten. Der Text und die Emotionen sollten die Menschen berühren, dann ist die Verbindung da. Das ist das Schöne an «The Hallowed», da habe ich keinen persönlichen Favoriten oder je nach Stimmung einen anderen (lacht).
MF: Wie kam es dazu, dass Ken Mary (Schlagzeuger bei Flotsam And Jetsam, Fifth Angel) das Album aufgenommen hat?
Harry: Wir haben Ken vor ein paar Jahren auf Tour kennengelernt. Die Chemie hat von Beginn an gepasst. Er ist ein wundervoller Mensch. So wurde er unsere erste Wahl für die Aufnahmen zum neuen Werk. Nicht nur in meinen Augen war er die perfekte Person, um auf diesem Album mitzuwirken. Er legte die richtige Einstellung und Energie an den Tag, und so ergab sich die perfekte Verbindung zwischen uns. Es war fantastisch!
MF: Gemischt hat Jim Morris, ein alter Freund von euch...
Harry: ...ja, er hat schon unser «The Fourth Judgement» Album gemischt. Das war damals unsere erste Century Media Produktion.
MF: Mark, John, Rikard und du…, ihr spielt seit Jahrzehnten zusammen bei Jag Panzer. Was ist das Geheimnis, dass ihr schon so lange miteinander unterwegs seid?
Harry: John, Mark und ich kennen uns seit Ewigkeiten. Mark und ich kommen sogar aus derselben Strasse. Wir kannten uns schon seit Schulzeiten und haben uns entschieden, eine Band zu gründen. Mark nahm Gitarren-Unterricht, während ich im Kirchen-Chor sang. In der Highschool spielten wir in einer Cover-Band. Diese erste Truppe endete in dem, was sich heute Jag Panzer nennt. Das ist wirklich eine geile Geschichte. Es gibt so viele Musiker auf dieser Welt, aber wenn sie älter werden und eine Familie gründen, verändert sich ihr Fokus. Kinder und ein geregeltes Einkommen werden wichtiger als die Musik. Aber die Musik hat unsere Freundschaft über all die Jahre hinweg stets gestärkt. Rikard ist seit 1987 bei uns dabei und war sogar Mitglied bei Jag Panzer, als ich die Band für einen kurzen Moment verliess. Ich brauchte diese Pause und kam dann für «The Fourth Judgement» zur Band zurück. Das müsste 1993 gewesen sein.
MF: Ihr habt mir Ken Rodarte einen neuen Gitarristen. Wie schwer ist es für ein neues Bandmitglied in die Truppe hinein zu kommen, in diese verschworene Gemeinschaft?
Harry: Nicht so schwer, wie man sich das vielleicht denken kann (lacht). Ken ist ein lockerer Typ. Wir sind keine grossen Arschlöcher (lacht). Weisst du, jeder von uns kann mal einen schlechten Tag einziehen. Wir sind wie Kerzen, und Ken ist das Feuer für uns. Er ist ein wirklich guter Mensch, hat immer einen Spass auf den Lippen, respektive macht uns mit seiner Art und Weise glücklich. Er beschwert sich nie über irgendetwas oder meckert, wenn das Equipment schlecht ist. Er ist sehr positiv eingestellt, und das verleiht uns einen zusätzlichen Schub. Er trägt wesentlich zu diesem positiven Gefühl bei.
"...Solange die Fans Freude an unserer Musik haben, sind wir auf dem richtigen Weg..."
MF: Ihr hattet bisher nie den grossen Erfolg. War das vielleicht sogar besser, weil euch so auch nie eine Plattenfirma unter Druck gesetzt hat und ihr immer euren eigenen Weg gehen konntet?
Harry: Nun, das versuchen wir sowieso immer (lacht). Weisst du, ich war eine Zeit lang nicht bei den Jungs dabei. Damals wurde uns nahegelegt, uns mehr auf radiotaugliche Lieder wie «In-A-Gadda-Da-Vida» (Iron Butterfly) zu konzentrieren. Daraus entstanden Songs wie «Eyes Of The Night». Gott, nimm mir diesen Schmerz (lacht), verstehst du, was ich meine? Wir haben einiges getan, um diese Leute zufrieden zu stellen. Damals waren wir auf der Suche nach Plattenlabels, aber heute haben wir Firmen im Rücken, die uns machen lassen, was wir wollen. Solange die Fans Freude an unserer Musik haben, sind wir auf dem richtigen Weg. Einige Bandmitglieder können nicht zu lange auf Tour gehen und vielleicht nur drei oder vier Festivals spielen, weil sie nicht zu lange von ihrer Arbeit wegbleiben können. Das macht die Musik zu einem Hobby. Wir haben erkannt, dass wir unsere Musik mit unseren Jobs verbinden müssen, und deshalb legen wir mehr Wert auf das, was wir wirklich wollen. Wer weiss, vielleicht können wir dieses Hobby in eine Karriere umwandeln? In ein paar Jahren (lacht laut).
MF: Gibt es eine Geschichte hinter dem Bandnamen?
Harry: Ja! Ursprünglich wollten wir uns "Tyrant" nennen. Wir lebten damals in Colorado, und als die Zeit gekommen war, unsere EP zu veröffentlichen, riet uns der Typ von der Plattenfirma, dass es zu viele Bands mit diesem Namen gibt und wir uns deshalb einen neuen suchen sollten. Mark stiess dabei auf Jagdpanzer. Das Gefährt verfügte über einen unglaublich grossen wie mächtigen Körper, und ich war der Meinung, dass es keinen besseren Namen für uns geben könnte. Der perfekte Name für eine Heavy Metal Band. Ich hatte diese verrückte und wilde Stimme, und so nahm ich den Namen "Tyrant" als Künstler an. Es sollte eine Art Mysterium für die Band sein. Wir münzten "Jagdpanzer" auf die amerikanische Weise um und nannten uns Jag Panzer. In den ersten fünf Jahren hatten wir auch ein militärisches Outfit für die Bühne und präsentierten uns sehr kriegerisch.
MF: Was war früher für dich wichtig und was ist es heute?
Harry (überlegt): Wow…, früher…, Freundschaft und mit meinen Jungs Musik zu erschaffen. Ich bin mir sicher, dass dies heute noch wichtiger für mich geworden ist. Freundschaft und Familie! Zusammen die Möglichkeit zu haben, neue Musik zu kreieren!
MF: Danke für das Interview…
Harry: …ich danke dir. Kommst du uns in Aarburg besuchen?