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"...Die Chemie stimmt, und es macht grossen Spass zusammen zu arbeiten. Darum lassen wir Teile, die sich nicht gut anfühlen, aussen vor..."
Claus Lessmann gehört für meine Begriffe noch immer zu den ausdrucksvollsten Sängern des Hard Rocks. Auch wenn es in den letzten Jahren ruhiger um ihn geworden ist, so hatte er zumindest mit dem Projekt "Phantom V", zusammen mit Michael Voss (Produzent bei MSG, ehemals Casanova, Mad Max), Francis Buchholz (Bass, ehemals Scorpions), Axel Kruse (Schlagzeug, Mad Max, ehemals Jaded Heart) und Robby Boebel (Gitarre, Frontline), eine Band am Start, mit der er zwei tolle Rock-Alben veröffentlichte. Nun tat er sich mit seinem "Partner in crime" Michael Voss zusammen und das Projekt Lessmann/Voss aus der Taufe gehoben. Wie es dazu kam und wieso man Claus eher selten auf der Bühne zu Gesicht kriegt, könnt Ihr in den folgenden Zeilen nachlesen.
MF: Was hast du seit dem letzten "Phantom V" Album «Play To Win» gemacht?
Claus: Gute Frage, manchmal weiss ich das selbst nicht mal (lacht). Michael und ich haben an neuen Liedern gearbeitet und überlegten, was wir damit machen wollen. Die Geschichte mit "Phantom V" und Frontiers war nicht mehr so der Bringer. Das Angebot für ein weiteres Album war nicht so prickelnd. Wir hatten diese Songs in der Hinterhand, welche wir schon seit ewig fertig machen wollten, und dann machte uns Corona einen Strich durch die Rechnung. Es war nicht mehr so einfach, sich zu treffen. So hat jeder bei sich zu Hause gearbeitet. Wir haben das Endprodukt nun "Lessmann/Voss" getauft. Es ist schön, wenn man sich für gewisse Dinge mehr Zeit nehmen kann. Ab und zu ist dies aber eher hinderlich, weil man nicht mehr weiss, ob das Getane überhaupt noch gut genug ist (lacht). Weisst du Martin, es ist schade, wenn man tolle Tracks hat, die aber in der Schublage herum liegen und dort vergammeln. Da drin liegend bringen die Songs niemandem was. Es liegt in der DNA eines jeden Künstlers, seine Kreativität mit anderen zu teilen und zu hoffen, dass sie das Produkt genau gleich mögen wie du selbst.
MF: Mich hast du mit dem Album absolut glücklich gemacht, weil ich der Meinung bin, dass in diesen Liedern deine DNA zu 105 % drin steckt.
Claus: Das ist lieb, wenn du das sagst, aber es ist schon eine 50/50 Geschichte zwischen Michael und mir. Das Schöne ist, dass wir uns bestens ergänzen. Das passt stimmlich, wenn wir zusammen singen, aber auch auf die Art und Weise, wie wir arbeiten. Die Chemie stimmt, und es macht grossen Spass zusammen zu arbeiten. Darum lassen wir Teile, die sich nicht gut anfühlen, aussen vor. Es muss einfach sein und locker von der Hand gehen. Spass muss es machen, und wenn es kompliziert wird, dann lassen wir die Finger davon (grinst zufrieden).
MF: Wo siehst du die Unterschiede zwischen "Phantom V" und "Lessmann/Voss"?
Claus: Ich denke, dass es vom Feeling und der Attitude her in eine Band-Richtung ging, auch wenn "Phantom V" nur ein Projekt war. Hier steht aber das "Duett Lessmann/Voss" im Mittelpunkt, und so klingen auch die Songs. Verstehe mich nicht falsch, was wir gemacht haben, geht nicht in die Singer-Songwriter Richtung, aber wenn da bloss zwei Leute dastehen, verkörpert dies etwas anderes, als wenn fünf Musiker zu hören sind. Das ist hörbar und besitzt diesen Touch. Dieses "let the music do the talking". Die Lieder stehen für sich und sind ein bisschen anders gehalten als bei "Phantom V".
MF: Gab es einen Masterplan beim Komponieren der neuen Songs?
Claus: Nein! Überhaupt nicht. Wir haben weder bewusst eine Ballade noch einen schnellen, harten Track geschrieben. Was uns gefiel, wurde in den Topf geschmissen, dann wurde kräftig gerührt und geschaut, was übrig bleibt (lacht). Die Lieder sind dabei sehr unterschiedlich ausgefallen. Es gab keine Vorgabe, und ich bin mir sicher, dass dies die richtige Vorgehensweise war, zumindest für uns beide. Wir gingen nach dem "gefällt" Prinzip vor.
MF: Wie kam es zu den indianisch anmutenden Klängen zu Beginn von «Medicine Man»?
Claus: Das war ein Überbleibsel, und zu einem grossen Teil stammten sie von Michael. Ich habe aus Spass zu ihm gesagt "den singe ich besser als du!" (grinst). "Dann mach mal!" war seine Antwort. Dieses Intro war schon vorhanden, und zu einem Titel wie «Medicine Man» passte es wie der berühmte Deckel auf den Eimer. Ein Intro ist immer ein passender Einstieg, und somit mussten wir nicht mehr lange überlegen, was wir nehmen sollten. Weil wir beide es witzig und für gut befanden, ist es nun zu hören. So kam es zu diesen Indianergesängen. Es ist noch ein andere Nummer zu hören, die mit Abstand die älteste auf dieser Scheibe ist…, es ist das allererste Stück, das Michael und ich jemals zusammen geschrieben haben. Das ist «Take My Heart And Run» und findet sich auf der Bonfire Scheibe «Knock Out». Mensch, der Song ist dermassen verkannt, und wir beide mögen und lieben ihn…, "lass ihn uns in einem neuen Gewand, dreissig Jahre später, nochmals aufnehmen". Das war eine sehr spannende Geschichte. Auf dem Original sind Walgesänge zu hören. Da wir aber schon die Indianergesänge hatten, verzichteten wir dieses Mal darauf. Damals fanden wir die Idee ganz nett und passend.
MF: Gibt es eine Nummer, die für dich persönlich heraus sticht?
Claus: Das würde ich so nicht sagen. Ich denke, es ist ein rundes Album geworden, und ich sehe da kein Stück, das sich von den anderen abhebt. Das Werk ist wie aus einem Guss, und ich bin mir sicher, dass man das man sehr gut hört.
"...Manche Tracks passieren innerhalb von Minuten, und du musst kaum was machen. Die Texte dazu zu schreiben, ist eine zusätzliche Herausforderung..."
MF: Ist das Komponieren für dich heute einfacher, wenn keine Erwartungen eines Labels erfüllt werden müssen und du einfach nur dich selbst sein kannst?
Claus: Jein (lacht). Es ist mal so und mal so. Vielleicht wurde das Komponieren bewusster gehalten, dabei liebe ich es sehr, wenn Dinge einfach passieren. Wenn sie "live" passieren, ohne dass du dich dazu zwingen musst. Klar, ab und zu ist es ein hartes Stück Arbeit. Es kann dauern, bis die zündende Idee kommt und dem Lied das verleiht, wonach es schreit. Das war aber schon immer so und wird, glaube ich, auch immer so bleiben. Manche Tracks passieren innerhalb von Minuten, und du musst kaum was machen. Die Texte dazu zu schreiben, ist eine zusätzliche Herausforderung. Mir reicht oft die Melodie, weil sie schon schön genug ist. Das kann ab und zu in richtiger Arbeit münden, aber das hält sich alles in Grenzen. Solange alles Spass macht und das Ergebnis stimmt, ist es kein Problem!
MF: Bezüglich der Texte, zieht sich da ein roter Faden hindurch, der sich Freiheit, Liebe, Mut und zu sich selbst stehen nennt?
Claus: Ja, da hast du recht Martin, da ist zumindest ein ganz dünner roter Faden zu hören (grinst). Diese Dinge betreffend einen selber im Leben. Du wirst ständig mit Beziehungsgeschichten konfrontiert, ob dies von Freunden oder von weiblicher Seite her kommt. Das macht einen Grossteil unseres Lebens aus. Freiheitsthemen sind ganz, ganz wichtig, und man sieht gerade aktuell, wie unsere Freiheit in Gefahr geraten kann. Bei Dingen, bei denen man dachte: "Mensch, das ist doch alles in trockenen Tüchern, das passiert wo anders, aber nicht bei uns". Dass man wieder Angst haben muss. Ich kann mich an meine Ängste erinnern, die ich in den Achtzigern hatte. Auch weil ich in der Bundeswehr war und ständig mit nuklearen Themen konfrontiert wurde. Da hattest du allein wegen deiner dir bewussten Ohnmacht Angst. Ich war mittendrin und konnte nichts tun. Das ist schon erschreckend, und ich hätte nicht gedacht, dass sowas nochmals einen solchen Stellenwert erreicht.
MF: Ist Kenny Lessmann, der bei «Sister Golden Hair» Schlagzeug spielt, mit dir verwandt?
Claus: Ja, ganz entfernt, das ist mein Sohn (lacht). Das war eine schöne Geschichte. Ich wusste schon ewig, dass er Musik macht und Schlagzeug spielt. So kam die Idee auf, dass er bei uns spielen könnte. Ich wusste, dass er live gut spielt, das bedeutet aber noch lange nicht, dass er auch im Studio abliefert. Wir probierten es aus, und er hat einen tollen Job gemacht. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Das war ein wichtiger Teil für mich, weil dieser Song uns schon ein Leben lang begleitet. Er war früher einer meiner Lieblingslieder aus den Siebzigern, aber auch einer von Kenny. In Mailand, beim Frontiers Festival, traten wir rein akustisch auf. Am Nachmittag sassen wir am Pool. Da war ein Amerikaner, und der hat rumgejammt. Wir fragten ihn, ob er «Sister Golden Hair» kenne. Klar kannte er ihn, das wäre, wie wenn bei uns jemand Tony Marshall und «Schöne Maid» nicht kennen würde (lacht). Wir haben also «Sister Golden Hair» zusammen gespielt und ich wusste, dass der Track auf einem der kommenden Alben drauf gepackt wird. Wenn wir schon bei den Trommlern sind…, es gibt heute gute Programme die ermöglichen, dass du auf einen menschlichen Schlagzeuger verzichten kannst. Uns war es aber wichtig, dass wir das Album mit einem richtigen Musiker aufnehmen. Wir haben deshalb Vincent Golly angefragt, der ein Super-Drummer ist, und er hat das Material eingespielt. Handgemacht ist einfach besser, und darum sind wir sehr happy, dass dies so geklappt hat.
MF: Habt ihr das Ziel auf Tour zu gehen?
Claus: Auf Tour eher nicht. Du weisst selbst, wie schwer es ist, eine Band zusammen zu stellen. Ganz abgesehen von der Verantwortung, die du den Jungs gegenüber hast. Vielleicht gibt es akustische Konzerte, aber da muss ich schauen, dass ich live noch gut genug singen kann und meine Psychose überwinden, die ich bei meinem Weggang von Bonfire hatte…, die mir jemand aufgedrückt hat. Wenn ich aus diesem Loch draussen bin, würde ich sehr, sehr gerne spielen. Ich glaube, dass viele Leute dies auch zu schätzen wüssten und sich freuen würden, wenn man sich live wieder sehen würde.
MF: Du hast noch immer diese eigenständige, sofort erkennbare Stimme. Hattest du nie Probleme mit ihr?
Claus: Ich habe mit meiner Stimme ständig ein Problem! Das ist mein grosses Handikap. Viele Leute sagen, dass meine Stimme einen hohen Wiedererkennungsgrad hat und sehr eigenständig klingt. Mein Problem ist, dass ich nie Gesangsunterricht hatte. So habe ich mein Leben lang völlig falsch gesungen und meine Stimmbänder total überbelastet. Mir hat jemand…, ich kann mir dies heute noch nicht vorstellen, aber er hat dies damals gesagt. Vor der «Point Blank» war ich durch die Proben vollkommen kaputt und bin zu einem Professor gegangen. Er sagte mir, dass ich nur ein Stimmband hätte und das zweite gelähmt sei. Darum würde die Funktion vom zweiten durch das erste übernommen. Er konnte es sich nicht erklären, wie das geht, aber es schien zu funktionieren. Die Problematik war die Belastbarkeit. Die Stimmbänder schwellen sehr schnell an. Das war und ist heute noch so. Das ist der Grund, wieso es live nicht mehr so funktioniert. Früher habe ich mich gescheut dies zu sagen. Wer will so eine Story hören? Aber auf der anderen Seite tut es mir unheimlich gut, wenn ich es heraus lassen kann. "Leute, es ist einfach so!" Für ein bis zwei Konzerte reicht es, dann brauche ich wieder eine Pause. Glaubt mir, könnte ich fünf Shows hintereinander singen, dann wäre ich super happy. So ist es jedoch nicht, aber ich werde mein Bestes versuchen.
"...Es ist nicht so, dass ich nicht länger singen kann. Es stört und ärgert mich selbst, hält mich davon ab auf die Bühne zu gehen..."
MF: Wie war es für dich, als du festgestellt hast, dass es schwierig wird, mit nur einem Stimmband zu touren. Zusammen mit Bonfire warst du stetig unterwegs. Wie konntest du das verarbeiten?
Claus: Es war schlimm für mich. Wenn dir bewusst ist, dass der kommende Tag sehr schwierig werden wird, dann ist das unschön. Du willst als Sänger eine Topleistung bringen, die ich aber nicht mehr in der Lage war abzuliefern, das war so. Am Anfang war alles relativ gut und wurde mit zunehmender Dauer aber immer schwieriger und härter. Das war eine harte Geschichte, denn ich benötigte meine Pausen. So viele Shows hintereinander zu spielen…, die Konzerte in Europa oder Amerika…, irgendwie schaffte ich es, auch wenn ich damals um einiges jünger war (grinst). Das war zu der Zeit noch ein bisschen einfacher. Es ist die Wahrheit, wieso soll ich was verschleiern? Es ist nicht so, dass ich nicht länger singen kann. Es stört und ärgert mich selbst, hält mich davon ab auf die Bühne zu gehen und auf Teufel komm raus zu spielen. Es geht nicht so, wie ich mir das wünsche. Vielleicht ist es ganz gut, wenn die Leute wissen was es ist, und sie verstehen dann meine Situation auch besser.
MF: Was würdest du heute anders machen?
Claus: Ich würde viel mehr Geld für die Anwälte sparen (lacht). Die Jungs brauchst du einfach. Das ist unglaublich, in welchem Haifischbecken man da unterwegs ist. Du willst nur Musik machen, und deine Gedanken drehen sich nur um dies. Songs schreiben und auf die Bühne gehen, das willst du. Andere Leute denken an was völlig anderes. Deswegen haben wir dieses zweigeteilte Wort: "Music-Business". Wir die Musik und die anderen Leute das Business. Die, welche unsere Kohle nehmen und derjenige, der Musik macht, für den bleibt am Schluss am wenigsten übrig.
MF: Dann kann man davon ausgehen, dass du in der Vergangenheit öfters verärgert über Labels, Manager und das Business warst?
Claus: Ja, aber das hat sich im Endeffekt gut eingeklinkt, weil es auch nur ums Geld geht. Viel schlimmer ist es, wenn es sich um persönliche Dinge dreht. Das sind Verletzungen, die nicht immer so leicht zu kitten sind. Aber ich habe alles gut überwunden, habe meinen Frieden gefunden und damit abgeschlossen. Es ist wichtig, dass man verzeihen kann. Auch den Leuten, welche dir nicht so wohl gesonnen waren. Wichtig ist dabei, dass man sich in die Augen sehen und vielleicht auch wieder ein bisschen flachsen kann.
MF: Als junger Musiker träumte man in den Achtzigern immer davon in den Staaten aufzutreten und aufzunehmen. Wie war es damals für dich, als diese Träume in Erfüllung gingen?
Claus: Das war, als ginge eine Tür zu einem Portal auf und du befindest dich im "Winter Wonderland" (grinst). Da träumt jeder davon, und auf einmal gehen die Türen auf, und du stehst mittendrin. Ob du damit erfolgreich wirst, ist wieder eine völlig andere Geschichte. Aber du bist durch diese Türe gegangen, und das alleine war der grosse Unterschied zu all jenen, die nicht einmal an diese Pforte hinkamen. Das war eine Offenbarung für uns und eine ganz tolle Erfahrung. Als Musiker siehst du dich mit einem anderen Stellenwert. Was als Künstler wichtig ist, heisst, dass du dich selbst schätzen lernst. Ich mochte meine Stimme früher überhaupt nicht, da sie mir zu klar war. Heute wäre ich froh, sie wäre wieder ein bisschen klarer (grinst). Ich wollte immer, dass meine Stimme härter klingt. Die ganzen Tourneen haben dazu beigetragen, ohne dass ich was dazu beitragen musste. Plus Freund Jack Daniels und Mister Marlboro, die kamen als Hilfe auch noch dazu (lacht). So kam es zum Reibeisengesang. Aber mein Gott, so ist es. Sollen die hoch singen, die schon immer so gesungen haben. Das konnte ich eh nie richtig, und dann sollte man dies vielleicht auch gar nicht machen, weil es andere viel besser können. Ich kann andere Dinge, welche die nicht singen können. Im Endeffekt ist alles Gefühl und "good vibes". Wenn man dies an sich zu schätzen weiss, dann ist es um einiges leichter, andere Leute zu schätzen. Das hat mir ungemein geholfen und brachte mich weiter.
MF: Konntest du all deine Wünsche, Hoffnungen, Erwartungen und Ziele mit der Band erreichen?
Claus: Nein!! (wie aus der Pistole geschossen) Dann hätte ich mit der Musik schon lange aufgehört (lacht). Ein richtiger Millionär bin ich auch nicht geworden, und eine Yacht steht bei mir auch nicht vor dem Haus. Aber wie gesagt, erstens ist Geld nicht alles, und zweitens bin ich trotzdem sehr, sehr zufrieden wie es gelaufen ist. Ich habe so viel erlebt wie gesehen und freue mich, dass ich noch immer Musik machen darf. Das ist ein Geschenk, Menschen mit der Musik glücklich machen zu können. Das ist mir mehr wert als alles Geld auf dieser Welt!
MF: Herzlichen Dank für das Interview…
Claus: …ich habe dir zu danken, auch für die jahrelange Unterstützung.