Swiss Hard Rock and Heavy Metal Magazine since 1999
You can reach us via email or phone.
+41 (0) 79 638-1021
"...erst wenn das Demo fertig ist, höre ich, ob es sich wirklich um den weltbesten Song handelt...*
Die finnischen Monster sind zurück! Nachdem sich Mr. Lordi mit den letzten Alben…, richtig gelesen Alben und nicht Album, denn «Lordiversity» bestand aus nicht weniger als sieben CDs, welche sich jeweils einer bestimmten musikalischen Epoche zuordnen liessen. Dabei vermischten Lordi die Einflüsse von Alice Cooper und KISS (Mr. Lordi ist ein fanatischer KISS-Fan!), wie auch jene von Earth, Wind & Fire, den Bee Gees und gar Boney M. oder Rush wie Pink Floyd sowie weitere von W.A.S.P., den Scorpions und Twisted Sister. Zudem betrat man mit Anthrax, Pantera und Metallica sogar (fast) musikalisches Neuland. Alleine die Idee war an sich schon spektakulär, beziehungswiese deren Umsetzung. Grundsätzlich waren diese sieben Scheiben aber nichts anderes als die detailliertere Geschichte, die bereits auf dem Vorgänger «Killection» zu hören war. Da wurde die Lieblingsmusik von Lordi zwischen 1970 und 1995 als "fictional compilation" wiedergegeben.
Mit «Screem Writers Guild» verlassen die eine Dame und die anderen vier Herren ihren musikalischen Flug in die Vergangenheit, und aktuell tauchen die Finnen wieder in die von Horror gefärbten Stories der Ursprünge ein. Dies auch mit einem neuen Bandmitglied, denn der ehemalige Gitarrist Amen verliess, sprich wurde darum gebeten, die Truppe nach 25 Jahren zu verlassen. Wachsende Spannungen trugen dazu bei, dass nach jahrelanger Freundschaft Unverständnis erwuchs, doch dazu später aber mehr. Mit dem neuen Gitarristen Kone, dem seit 2019 in der Truppe spielenden Bassisten Hiisi und den langjährigen Members Hella (Keyboards) sowie Mana (Drums) veredelte Bandleader und Sänger Mr. Lordi das neue Werk. Eine Scheibe, die es sich auf jeden Fall lohnt anzuhören, und der Shouter stand uns hierzu für ein Interview zur Verfügung, respektive sprach über den aktuellen Stand der Dinge.
MF: Lass uns zuerst über «Lordiversity» sprechen. Wie kam es dazu, dass du eine 7 CD-Box veröffentlicht hast? Wie schwierig oder ambitiös war das Songwriting?
Mr. Lordi: Oh, das war gar nicht so kompliziert, wie sich dies viele vielleicht vorstellen (grinst). Es war eigentlich sehr simpel. Ich arbeitete am neuen Werk, das sich stilistisch am Jahr 1975 orientierte. Dann entwickelten sich die Lieder eher in die Disco-Richtung der späten Siebziger. Ich hüpfte dabei nicht zwischen den einzelnen Scheiben hin und her, sondern fokussierte mich auf den jeweiligen Stil und beendete so Album für Album. Wir nahmen sie auch in chronologischer Reihenfolge auf. Für Lordi war es definitiv die beste Art, sich mit diesen unterschiedlichen Stilen und Jahren auseinander zu setzen. Wir behielten den Fokus jeweils auf einen davon.
MF: Wo siehst du die Unterschiede hin zu «Screem Writers Guild»?
Mr. Lordi: Oh, das ist ein völlig anderes Werk geworden (lachend). «Screem Writers Guild» sollte sich an den klassischen Lordi-Scheiben orientieren, wie «Get Heavy» (2002), «Babez For Breakfast» (2010) oder «The Arockalypse» (2006). Wie immer habe ich die Lieder für das neue Werk geschrieben und bin mit allen neuen Kompositionen verbunden. Darum mag ich sie alle. Ich bin auf jede verdammte Note meiner Tracks stolz. Wenn ich am Komponieren bin, versuche ich immer den besten Song zu schreiben, den die Welt jemals gehört hat (grinst). In diesen Momenten verlasse ich mich auf mein Gefühl, und erst wenn das Demo fertig ist, höre ich, ob es sich wirklich um den weltbesten Song handelt (lacht). Sollte sich die Version als nicht tauglich heraus stellen, werde ich sie einfach auf die Seite legen. Schreibe ich, hört sich immer alles sehr komfortabel an. Auf «Screem Writers Guild» gefällt mir zum Beispiel der Opener «Dead Again Jayne» sehr gut, aber auch «Scarecrow», «End Credits» und «The Bride» sind sehr gut geworden. Wobei «In The Castle Of Dracoolove» ist mir sehr ebenso gut gelungen (lacht). Jeder in der Band hat seine Favoriten, und ab und zu hat es gar nichts mit dem Song zu tun, sondern weil es eine Stelle gibt, welche man dann jeweils besonders toll findet. Ich habe auch solche Momente und liebe meine Stimme bei einzelnen Parts, weil sie da speziell zum Ausdruck kommt. Auf «Screem Writers Guild» ist es bei «Inhumanoid», beim Schluss des zweiten Verses…, die Performance meiner Stimme gefällt mir da verdammt gut (lacht). Das war einer dieser Momente wo ich im Studio dachte: "Yeah, das ist richtig cool geworden" (lacht).
MF: Gibt es einen roten Fadem durch die Texte hindurch?
Mr. Lordi: Nicht wirklich! Es ist ein Thema, das sich in allen Liedern wieder findet. Es geht um Horror-Filme. Wenn du findest, dass die meisten Tracks von Charakteren der klassischen Horror-Movies inspiriert wurden, gebe ich dir recht (grinst). Das findet sich speziell beim Schlusstrack «End Credits» wieder. Das Werk ist aber sicherlich kein Konzept-Album geworden. In vielen der vorherigen Lordi-Alben wirst du dieses Horror-Thema finden. Wie zum Beispiel bei «Sexorcism», wo sich vieles um Sex und Horror dreht. Bei der neuen Scheibe geht es jedoch eher um die klassischen Horror-Streifen und deren Charaktere. Klar, wenn du uns als Band siehst (lacht), wirst du zwangsläufig das Schreckliche aus dem Horror sehen (lacht). Wir sind unterschiedliche Monsters, darum ist es nicht Neues oder Spezielles, wenn wir über Horror schreiben (grinst). Wir hatten dies schon immer, aber dieses Mal sehen wir uns in der Tradition eines Streifen wie «Evil Dead», «Frankenstein», «Wolf Man» oder «Dracula». All dieser Scheiss hat uns dieses Mal inspiriert und beeinflusst. Auch wenn dies nicht meine Alltime-Favoriten sind und sie auch keinen speziellen Platz in meinem Herzen haben. Ich bin keiner dieser verrückten Die Hard Fans, sprich dieser Vintage-Filme. Ich mag sie zwar, aber wir hatten sie noch auf keinem anderen Album untergebracht, auch wenn viele denken, dass wir uns wiederholen (lacht).
MF: Wenn du komponierst, denkst du da schon daran, wie sich das Stück zukünftig in die Setliste integrieren lässt und mit welchen Special-Effects?
Mr. Lordi: Nicht so sehr! Wenn ich schreibe, dann denke ich stets an andere Dinge. Ab und zu dreht sich alles. Zuerst steht bei mir immer die Musik, und erst dann kommt der Text hinzu. Manchmal verändert sich dies, und ich habe eine Strophe, die dann mit Musik untermalt wird. Stellen wir das Set zusammen und integrieren neue Lieder, dann kommen immer wieder neue Ideen dazu, wie man den Track visuell unterstützen und dadurch die Atmosphäre und den Text noch besser untermalen könnte. Aber bisher habe ich mir nie überlegt, wie ich einen Special-Effect mit einem Song umsetzen kann. Einen solchen Soundtrack gab es noch nie (lacht).
"...Es dauert aber zehn Jahre, bevor du in der Zeit wirklich zurück gehen und dir deine alten Scheiben anhören kannst....*
MF: Wie schwer ist es für dich eine neue Setliste zusammen zu stellen, da die Lieder einerseits für die Show stimmig sein müssen und du anderseits sicherlich, trotz all der vielen Tracks, speziell auch die neuen performen möchtest?
Mr. Lordi: Ich gehöre definitiv zu den Musikern, die das komplette neue Album im Set unterbringen wollen (lacht). Ja, zu denen gehöre ich (lautes Lachen). Weisst du Martin, das neue Album sollte und ist doch immer das Beste! Zumindest fühle ich dies immer, wenn die Arbeit im Studio abgeschlossen ist. Das Kommende wird dann logischerweise besser als sein Vorgänger sein (lacht). Darum weiss ich schon jetzt, dass in meiner Wahrnehmung das nächste Werk besser ausfallen wird als «Screem Writers Guild». Das sollte ja auch immer das Ziel als Musiker sein. Wieso solltest du dich mit weniger zufrieden geben? Wieso solltest du das Studio verlassen, bevor du nicht der Meinung bist, dass das neue Album nicht so gut ist, wie das, welches du davor veröffentlicht hast? Es dauert aber zehn Jahre, bevor du in der Zeit wirklich zurück gehen und dir deine alten Scheiben anhören kannst. Doch zu meiner grossen Überraschung stellte sich für mich heraus, dass die ja gar nicht so schlecht gewesen sind (lautes Lachen). Zum damaligen Zeitpunkt hatte ich logischerweise das Gefühl, dass ich was Grossartiges komponierte. Nun…, um auf deine Frage zurück zu kommen (lacht)…, eine neue Setliste zu kreieren ist eine verdammte Aufgabe, die sich kaum bewältigen lässt (lacht).
Wir veröffentlichen unser achtzehntes Album, und es ist sehr schwierig geworden. Es gibt vier oder fünf Lieder, die wir spielen müssen. Würden wird dann von jedem Werk noch ein Lied spielen…, das ist heute unmöglich geworden, sonst würden wir länger als zweieinhalb Stunden auf der Bühne stehen. Das wäre für mich völlig okay, aber wäre nicht fair unserem Schlagzeuger gegenüber (lacht). Zudem wäre es nicht in Ordnung für die Hallen, weil die ihre Sperrstunden haben und irgendwann den Schuppen schliessen müssen. Viele Fans müssen ausserdem ihre Busse oder den letzten Zug erreichen, damit sie wieder nach Hause kommen. Das ist einer der Gründe, wieso wir bei unseren hundert Minuten Spielzeit bleiben. Das entspricht maximum fünfzehn Songs. Aus diesem Grund spielen wir auch immer wieder Medleys, damit möglichst viele Lieder vorgetragen werden können. Es ist wirklich schwierig, weil, wie gesagt, ich immer das komplette neue Album präsentieren will (lacht) und natürlich nicht ohne «Hard Rock Hallelujah» von der Bühne gehen kann. Weisst du, viele Besucher wünschen sich, dass wir auch Lieder spielen, die vor gut zehn Jahren veröffentlicht wurden, wie zum Beispiel ab «Scare Force One» (2014). "Das ist unser Lieblings-Album, und wieso spielt ihr keinen Song davon?" Ja (lautes Lachen), alle zufrieden zu stellen, ist unmöglich geworden.
MF: Wenn du dir neue Bandmitglieder an Bord holst, komponierst du die neuen Songs in eine andere Richtung?
Mr. Lordi: Nein! Denn ich schreibe…, wie ich eben schreibe (lautes Lachen) und schaue dann, wie sich alles zusammenfügt. Letzte Woche feierten wir den Tag, an dem ich Kone fragte, ob er Amen ersetzen möchte. Amen ist nun auch schon ein Jahr nicht mehr dabei. Kone wusste, dass das Erste, was er für Lordi tun würde, die Aufnahmen zum neuen Album sein würden. Wir standen im Studio, bevor wir verkündeten, dass Amen die Band verlassen würde. Kone ist sehr qualifiziert und ein richtiger Bruder geworden. Verstehe mich richtig, all meine Liebe und mein Respekt gehören Amen, der während einem Vierteljahrhundert mein "fucking brother in arms" war. Er war der Ace Frehley (KISS) Typ, mit diesem AC/DC Klang. Ein richtiger "oldschool" Rock-Typ, jedoch kein sehr "thighter" Gitarrist. Ich bin halt auch ein Metaller und liebe als Beispiel King Diamond. Amen hat dies nie verstanden. Er war der Gitarrist der ersten Stunde bei Lordi. Er ist, wie gesagt der typische Ace Frehley und Kone verkörpert Bruce Kulick (KISS). Das ist der Gap, sprich der Unterschied.
MF: Wie schwer ist es für dich, Musiker mit der gleichen Leidenschaft zu finden, um mit ihnen in die gleiche Richtung gehen zu können?
Mr. Lordi: Zu meiner eigen grossen Überraschung war es einmal mehr ein leichtes Unterfangen (lautes Lachen). Bis jetzt gaben sich sechzehn Musiker die Klinke in die Hand. Wenn ich so überlege…, unglaublich, wie viele Leute schon bei Lordi spielten (lacht). Viele Wechsel gab es in den Neunzigern, bevor wir den Plattenvertrag unterschrieben. Wenn du einen neuen Musiker findest und er ist ein toller Typ…, das ist das Wichtigste, heisst die Chemie muss stimmen. Ich spreche da über die eigenen Erfahrungen, sprich dass ich viele Leute fand, die sehr lange bei mir blieben. Man kann untereinander die besten Freunde sein, aber du kannst, verdammt nochmals, nicht mit ihnen zusammen arbeiten! Das passierte immer wieder. Mit Amen…, wir waren beste Freunde, das ist grossartig. Zumindest für die ersten fünfzehn Jahre, aber nicht mehr während den letzten zehn. Wir stimmten in einigen Dingen nicht mehr überein. Es fühlte sich wie ein Ehe an oder eine Freundschaft, die sich über eine zu lange Zeit zerstörte. Was du zuerst geliebt hast, beginnst du plötzlich zu hassen, denn du weisst, dass alles, was aus seinem Mund kommt, scheusslich sein wird, wie in einer zerrütteten Ehe.
Ab und zu wird es deshalb Zeit sich zu trennen. Jetzt ist es wie mit einer neuen Freundin, alles fühlt sich grossartig an (kichert wie ein verliebter Teenie). Ich bin sicher (lautes Lachen), dass ich in fünf oder sechs Jahren etwas finden werde, über das ich mich bei Kone beschweren kann (lautes Lachen). Sorry, das war ein Witz (lacht). Was ich sagen will, ist, dass alles Neue sich zu Beginn immer gut anfühlt und man dann mit der Zeit heraus findet, wie man zusammen passt. Weisst du Martin, Mana und Hella sind seit 2012 bei mir in der Band, und es fühlt sich jeden Tag noch besser an. Wir haben zusammen keine Probleme. Es war jedoch immer so, dass wenn jemand die Band verliess, dies nichts mit Lordi zu tun hatte, sondern irgendwas in deren persönlichem Leben passierte und sich die Situation dadurch veränderte. Sei es die fehlende Leidenschaft für die Musik, das Spielen an sich oder dass man wegen dem ewigen Touren müde wurde. Oder es änderte sich dahingehend, dass in ihrem Leben plötzlich die Familie eine wichtigere Rolle einnahm, weil sie Kinder bekamen. Ehm ja…, ich habe deine Frage inzwischen völlig vergessen (lacht), aber ich hoffe, dass ich sie trotzdem beantwortet habe (lacht).
MF: Das war die absolut korrekte Antwort…
Mr. Lordi: …zum Glück (lautes Lachen).
MF: Kommen wir noch zum Schluss, wie wichtig ist das Z7 in Pratteln für dich?
Mr. Lordi: Das ist sehr wichtig!!! In unserem Buch «Lordiary», das wir auch in englischer und deutscher Sprache zu veröffentlichen versuchen, ist zu lesen, dass wir in Pratteln die meisten Konzerte spielten. Es gibt nur eine Tour, auf der wir nicht im Z7 auftraten. Ich liebe den Ort, die Leute, das Catering, die Bühne, den Sound und das Licht (lacht). Beim letzten Konzert ging ich zum ersten Mal ausserhalb der Mauern des Z7 etwas spazieren. Sonst war ich ja immer im Bus oder Backstage (lacht), aber ich bin schon froh, dass das Z7 weiter existieren wird. Während der Corona- Zeit bekam ich einen Anruf meines Managers, der mir berichtete, dass es ausschaue, als ob das Z7 seine Pforten für immer schliessen müsse. Danke Gott, dass dies nicht eingetroffen ist! Es gibt diese eine Sache, welche alle anderen Clubs und Hallen übertrifft. Du wirst lachen, aber diese Waschmaschine und der Tumbler sind grossartig (lacht). Das ist unglaublich wichtig für Bands. Wenn ich mir den Tour-Rider ansehe, schaue ich immer, wie lange meine Unterwäsche reichen muss, bis ich im Z7 bin (lautes Lachen) und sie dort waschen kann.
MF: Herzlichen Dank für das Interview, und ich hoffe, dich bald wieder im Z7 begrüssen zu dürfen…
Mr. Lordi: …ich danke dir Martin…, und ja, wir sehen uns im Z7. Ich kann es kaum erwarten (lacht)…, tschüss!