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"...Bei uns geht es darum das zu geniessen, was wir tun. Wir sind noch immer viel auf Tour und lieben es..."
Sie gehören zu diesen kämpferischen Bands, die nie aufgegeben und ausser zwischen 1995 und 1998 sowie 2009 und 2012, sprich den Metal seit 1980 immer wieder in seinen Grundgerüsten erschüttert haben. Alben wie das legendäre, selbstbetitelte Debüt von 1984, das für viele nach wie vor beste Metal Church Werk aller Zeiten, wie auch «The Dark» (1986), «Blessing In Disguise» (1989), «The Human Factor» (1991), «Hanging In The Balance» (1993), «A Light In The Dark» (2006), «Generation Nothing» (2013) und «Damned If You Do» (2018) gehören noch heute in jede gut sortierte Plattensammlung. Auch wenn die Band mit «The Dark» und «Blessing In Disguise» am Tor zum weltweiten Ruhm anklopfte, blieb ihnen der Eintritt hierzu immer verwehrt.
Dies hielt Bandleader und Gitarrist Kurdt Vanderhoof freilich nicht davon ab, nach dem tragischen Selbstmord von Sänger Mike Howe ein weiteres Kapitel aufzuschlagen, welches sich "Congregation Of Annihilation" nennt. Ein Produkt, das sich wieder bei den thrashigeren Momenten der Frühzeit findet und mit Marc Lopes einen neuen Shouter präsentiert, der schon bei Ross The Boss für Aufsehen sorgte. Zusammen mit dem ehemaligen W.A.S.P. Trommler Stet Howland und dem seit Urzeiten im Bandgefüge steckenden Steve Unger (Bass) sowie Rick van Zandt (Gitarre) hat der Fünfer noch immer einiges zu sagen. Dies zeigte sich auch im Interview mit Kurdt, der sich des Stellenwerts seiner Truppe vollkommen bewusst und nach wie vor dankbar ist, dass Metal Church die Metal-Fans noch immer in Verzückung zu versetzen vermögen.
MF: Wie schwer war es, die neuen Songs zu komponieren?
Kurdt: Es ist immer schwer, ein neues Album mit einem neuen Sänger zu präsentieren. Ich hatte das Werk schon geschrieben, und bevor Mike starb, hatten wir die Zusammenarbeit für den Aufnahmeprozess schon lange gestartet. Als Mike von uns ging, benötigte ich einige Monate..., denn zuerst wollte ich alles hinschmeissen und die Band auflösen. Mir fehlte einfach die Kraft, um weiter zu machen. Nach einer Weile begann dann ein Veränderungsprozess in mir. Ich hatte ein komplettes Album vor mir liegen und fragte mich, was können wir daraus machen? Wir veranstalteten aus der Sängersuche kein nationales Aufsehen, um einen neuen Shouter zu finden. Wir hatten zwei Personen auf dem Radar, und eine davon war ein richtig guter Sänger, aber Steve kannte Marc.
"Lass es uns mit ihm versuchen und schauen, wohin die Reise geht!" Schritt um Schritt fügte sich alles zusammen und machte richtig Spass. Klar besitzt er eine aggressivere Stimme, und das gab uns andere Möglichkeiten beim Schreiben, die mir sehr gefielen. Sollten wir weitermachen, wollte ich einen neuen und frischen Start. Wir hatten diesen aggressiveren Sound und Sänger, beides passt bestens zu Metal Church und fühlte sich gleichzeitig sehr ehrlich an. Daraus ergaben sich neue Tracks die ich komponierte und dabei einen anderen Ansatz verfolgen konnte. Das neue Werk ist zur Hälfte neu und zur anderen Hälfte alt (grinst) und beinhaltet Lieder, die wir noch zusammen mit Mike Howe geschrieben haben.
MF: Wie gross war der Druck, die neuen Tracks zu schreiben? Schliesslich habt ihr doch einige Klassiker komponiert.
Kurdt: Ich kümmere mich nicht um diesen Druck und wenn, dann liebe ich ihn (grinst). Ich schreibe die ganze Zeit an neuem Material. Sei es für Metal Church oder den Prog Rock für Presto Ballet. Ich liebe es, Lieder und Musik zu komponieren. Es treibt mich an, unterschiedliches Zeug zu schreiben, und dabei versuche ich immer besser zu werden, ich liebe es. Als ich realisierte, dass wir mit dem neuen Album in eine andere Richtung gehen werden, mit diesem neuen Sound…, okay, der neue, der sich im alten wieder findet (lacht). Wir haben wieder diesen Thrash-Stuff, und das hat richtig Spass gemacht.
MF: Was war für dich wichtig, als du nach einem Ersatz für Mike geschaut hast?
Kurdt: Es gab nichts Spezielles, das wir suchten, sondern eher…, es musste sich gut anfühlen. Etwas, bei dem wir alle das Gleiche gefühlt hatten und wussten, dass es klappt. "Okay, das könnte passen, das mach ich". Verstehst du, was ich meine? In unserem Alter suchten wir nach jemandem, mit dem wir länger zusammen arbeiten können. Es kümmert mich nicht, ob wir den besten Sänger der Welt bei Metal Church haben. Das ist mir scheissegal und würde das Ganze nicht einfacher machen. Wir wollten jemanden in der Band, mit dem wir zusammen abhängen können. Weisst du, wir verdienen zu wenig Geld, um grosse Ansprüche zu stellen (lacht). Wir sind froh, wenn wir alles am Laufen halten können. Schau dir all die Historie der Bands an mit ihren Kämpfen. Sie arbeiteten jahrelang, und der grosse Erfolg blieb aus. Trotzdem blieben sie am Ball, auch wenn sie keine Milliarde von Dollars verdienten (lacht). Bei uns geht es darum das zu geniessen, was wir tun. Wir sind noch immer viel auf Tour und lieben es. Mir ist es zuwider mit Leuten herum zu hängen, die ich nicht mag und dann noch mit ihnen auf die Bühne gehen muss.
MF: Dann ist Freundschaft bei Metal Church sehr wichtig für dich?
Kurdt: Absolut! In unserem Alter ist es die Persönlichkeit und die Dynamik, die wichtig sind. Vielleicht sind wir nicht die besten Freunde, aber wir haben den grössten Respekt füreinander. Als wir älter wurden, lernten wir länger mit den anderen zusammen zu sein und wie man sich gegenseitig behandelt. Respekt! Das ist sehr, sehr wichtig. Wir sind alte Säcke, aber geniessen es noch immer sehr, auf der Bühne zu sein. Es ist ein Segen, dass wir dies noch immer tun können. Ich will mich nicht mit jemandem in der Band streiten und kämpfen. Ja, Freundschaft ist wichtig, auch wenn wir keine Brüder sind (grinst), aber es geht bedeutend einfacher, Musik zu geniessen, wenn man sich mag. Das hat oberste Priorität.
MF: Hat dich der Suizid von Mike überrascht oder hast du es geahnt?
Kurdt: Das war eine sehr grosse Überraschung. Mike durchlief einige familiäre Probleme, wie wir sie alle einmal erleben. Das hat ihn richtig herunter gerissen. Als wir wieder begannen miteinander zu sprechen, fühlte er sich bedeutend besser. Einige Wochen nachdem wir mit dem neuen Werk begannen, verliess er uns. Das Timing war sehr komisch, auch wenn ich wusste, dass er am Kämpfen war. Ich weiss, wie sich solche Dinge anfühlen, aber ich wäre nie so weit gegangen wie Mike es tat.
"... Manchmal findest du aber nicht die Worte, und ab und zu wollen Freunde auch nicht mit dir sprechen..."
MF: Hast du dich hilflos gefühlt?
Kurdt: Absolut! Als es passierte, konnte ich nichts mehr für ihn tun. Ich versuchte ihm immer den Raum zu geben, um mit mir zu sprechen. Manchmal findest du aber nicht die Worte, und ab und zu wollen Freunde auch nicht mit dir sprechen. Wir setzten ihn nicht unter Druck, sondern sprachen oft mit ihm. Es schien, dass er wieder Freude hat und sich auf das kommende Werk konzentrierte. Das sind solche Dinge, die du nie verstehen wirst. In meinem Leben musste ich viele Kämpfe austragen, aber keiner war so gross, dass ich keinen Ausweg mehr sah. Ich kann daher kaum nachfühlen, wie gross der Kampf von Mike war.
MF: Hat das dein Leben seither verändert oder die Art und Weise, wie du dein Leben aktuell führst?
Kurdt: Ja…, es hat mir sehr bewusst gemacht, wer meine Freunde sind. Besonders in der Gesellschaft und als Teil einer Band, die einer speziellen Art der Öffentlichkeit angehört. Alle sehen mein Foto im Internet und "liken" es oder schreiben einen bissigen Kommentar dazu. Das ist alles so verrückt und schwierig geworden, sich selbst zu sein. Es war ein Schock und hat mich gegenüber dem nachdenklicher gestimmt, was um mich herum geschieht. Das wiederum hat mich sehr glücklich gemacht mit meinem Leben. Mir geht es sehr gut, und ich kann ein Leben lang das tun, was ich am meisten liebe. Seit über vierzig Jahren bin ich Gitarrist und kann mit meiner Musik auf der ganzen Welt spielen. Ich bin nun auch schon 62 Jahre jung (lacht). Das ist völlig verrückt, denn ich dachte, alles würde mit Ende dreissig vorbei sein. Viele Musiker in meinem Alter sind noch immer unterwegs, aber genauso viele haben die Musik an den Nagel gehängt und sich einem normalen Leben mit Familie und Haus zugewandt. "Life is pretty good!"
MF: Sind dann deiner Meinung nach die Sozialen Medien mehr ein Fluch denn ein Segen?
Kurdt: Im Musikgeschäft sind sie ein Segen. Du kannst damit auf einfache Art und Weise viele Leute erreichen. Im Privaten ist es dagegen die Hölle, und darum bin ich auch nicht auf diesen Plattformen anzutreffen (lacht). Diesen ganzen Mindset verstehe ich nicht (lacht immer noch), aber es ist ein grossartiges Marketing-Tool, um deine Band den Leuten vorzustellen, besonders für neuere Truppen.
MF: Ist es also für euch einfacher geworden, als noch in den Achtzigern?
Kurdt: Auf eine gewisse Weise schon. Die Leute kennen die Band, während wir in den Achtzigern versuchten, uns den Leuten vorzustellen. Nach all den Jahren sind wir immer noch eine eher unbekannte Truppe. Weisheit kommt halt erst mit dem Alter (grinst).
*...Das gibt es heute nicht mehr. Das grosse Geld ist eh nicht mehr zu verdienen, und das ist auch okay...."
MF: Haben dich das Business, Manager oder Labels in der Vergangenheit zur Weissglut getrieben?
Kurdt: Ich war tatsächlich für eine gewisse Zeit sehr…, sagen wir mal verängstigt. Aus dem einfachen Grund, weil ich nicht wusste, wie es weiter gehen soll. Dies, weil der Filter eines Major-Labels dich ganz schön aus der Bahn werfen kann, da sie dich nicht verstehen und alles durcheinander bringen können. Diesen Filter gibt es heute nicht mehr. Das macht es uns alten Säcken einfacher, weiter zu machen und zu überleben. Das Business in den Achtzigern..., wir bettelten um einen Vertrag. Das gibt es heute nicht mehr. Das grosse Geld ist eh nicht mehr zu verdienen, und das ist auch okay.
Heute haben wir Leute in unserem Umfeld, die sich um die Band kümmern und sich dafür interessieren, weil sie selbst oft auch Fans sind, speziell bei kleineren Labels wie "Rat Pak". Zwischen uns herrscht eine unglaubliche Beziehung. Gibt es ein Problem oder eine Frage, kann ich beim Label anrufen und erreiche auch die verantwortliche Person. Wir können meine Anfrage in kurzer Zeit besprechen und offene Punkte lösen. Sie liefern einen fantastischen Job ab, und da würde ich nichts daran ändern wollen. Das Einzige, was ich anpassen würde, ist der ganze Streaming-Prozess. Klar, diese Plattformen sind cool für die Leute, die sich Musik anhören wollen, aber sie bezahlen uns Musiker nicht.
MF: Kommen wir nochmals zum Thema Major-Label. Ihr wart ja bei Elektra Records, wie schön oder anstrengend war die Zeit mit ihnen?
Kurdt: Wir hatten damals wirklich Glück und danken Gott, dass wir in Bewegung kamen. Sie sahen, was in der Szene abging, und wir wurden ein Teil davon. Wir veröffentlichten unser Debüt-Album auf einem Independent-Label (Ground Zero Records), und dann ging plötzlich alles sehr schnell. Timing ist alles, und wir waren zur rechten Zeit am richtigen Ort. Das erste Album war grossartig! Wir waren Kinder, hungrig und trugen verdammt viel Energie wie dicke Eier in uns (lautes Lachen).
MF: Gab es für dich auch den entscheidenden Moment, an dem du gedacht hast, das ist jetzt unser Durchbruch?
Kurdt: Ja, mit dem ersten Album, das uns den Weg für Elektra geebnet hat. Wow, da waren wir plötzlich ein Teil des Geschäfts und bei der gleichen Plattenfirma unter Vertrag, bei der auch Queen standen. Als Fan war das ein grossartiger Moment. Das war verdammt cool. Unsere Kumpels waren Metallica, bei denen auch gerade alles steil abging. Es war eine wundervolle Zeit. Es war diese Gemeinschaft, in der wir alle danach strebten, den Metal bekannter zu machen. Auch wenn die Labels das ein bisschen anders sahen, waren wir ein Teil dieser aufkommenden Bewegung. Das war eine wunderschöne Zeit.
MF: Gibt es eine Geschichte zum Bandnamen?
Kurdt: Ich startete in einer Punk Rock Band namens The Lewd, und eines schönen Tages zogen wir von Seattle nach San Francisco um. Für mich verlor der Sound an Faszination, und ich sah das Ende kommen. Ich bekam all diese Import-Scheiben aus England von Iron Maiden, Saxon oder Motörhead. Wow, das hat mich echt umgehauen und war besser als dieser Punk Rock (lacht). Zudem konnten die Musiker spielen und hatten echt was drauf. So startete ich meine eigene Band. Ich fand ein paar Jungs, die meine Ideen teilten, und wir feierten einige Partys in meiner Wohnung in San Francisco. Wir nannten das Ganze "Metal Church". "Es gibt wieder eine Party in der Metal Church diese Woche". Wir waren Kinder, tranken Bier und hörten uns die neuen Scheiben von Iron Maiden und Motörhead an. Aus diesem Grund begannen die Leute meine Band Metal Church zu nennen, und zuerst mochte ich den Namen nicht mal (lacht).
MF: Welche Zeit war für dich die erfolgreichste?
Kurdt: Das war mit dem Album «Blessing In Disguise», aber für mich war es «The Dark», bei dem ich sehr viel lernte, wie man ein richtiges Metal-Album macht. Das war das erste Werk, bei dem ich mit einem richtigen Produzenten zusammen arbeitete. Terry Date und ich passten sehr gut zusammen, und ich lernte sehr viel von ihm. Ich bekam mit, wie ein Album klingen sollte und wie ich dabei die Knöpfe drehen muss (grinst). Persönlich war dies ein sehr grosser Erfolg, nicht nur Musik zu schreiben, sondern auch zu produzieren.
MF: Welches war die schwierigste Zeit?
Kurdt: Oh mein Gott! Ich war zu der Zeit nicht in der Band, aber die Phase rund um «Hanging In The Balance» war echt komisch. Die Industrie befand sich in einem Änderungsprozess. Wir hatten ein schreckliches Management. Schau dir das Cover an, das sagt alles aus. Das Album ist, abgesehen von der Produktion, jedoch sehr gut. Der ganze Vibe in der Industrie war allerdings weg. Es war eine wirklich schreckliche Zeit. All diese Dinge machten es damals für Metal Church zu einer verdammt schwierigen Periode. Das zweite Mal erlebten wir das bei der Reunion mit «Masterpeace» (1999), denn da funktionierte überhaupt nichts.
MF: Was war für dich früher wichtig, und was ist es heute?
Kurdt: Dankbar zu sein! Dafür, dass ich nach wie vor ein Teil des Business und noch immer in der Verfassung bin, Neues zu kreieren. Das ist und war das Wichtigste für mich. Dankbarkeit. Natürlich auch dankbar für all die Leute, welche noch immer unsere Scheiben kaufen und die Shows besuchen. Wie glücklich darf ich sein, dies noch immer machen zu können?!
MF: Herzlichen Dank für das Interview...
Kurdt: ...es war mir ein Vergnügen. Es wäre grossartig, wieder im Z7 zu spielen und dich dort begrüssen zu dürfen. Geniesse diesen wundervollen Tag und bleib gesund.