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"...Also haben wir unseren Sound als Pirate und Folk Metal bezeichnet, damit die Leute, die uns noch nicht kannten..."
Storm Seeker sind eine deutsche Nautic Metal-Band aus Düsseldorf und Neuss. Gegründet wurde sie 2013 von den Brüdern Marius & Timo Bornfleth. Timo alias Timothy stand mir an diesem Abend zur Verfügung, um den Begriff Nautic Metal etwas näher zu erläutern, in ihre neue Platte «Nautic Force» einzutauchen und zu klären, was seine Truppe mit Mono Inc. gemein hat. Eigentlich wäre Fabienne Kirschke, die 2019 der Band beitrat, auch noch zum Interview geladen gewesen, allerdings wurde sie Opfer des NRW-Feierabendverkehrs. So starteten wir schliesslich um 21 Uhr als Duo ins abendliche Gespräch.
MF: Dann lass uns doch einfach beginnen, damit du auch bald Feierabend hast. Stimmt das so für dich?
Timothy: Ja, sehr gerne. Das können wir machen, denn wir sind morgen bereits wieder auf Tour. Wir treffen uns kurz nach sechs Uhr morgens, um wieder loszufahren.
MF: So schnell sind wir mitten im Interview angekommen. Ich spule jetzt aber erst einmal etwas zurück. Pirate Metal ist in der Szene mittlerweile ein grosser Begriff. Ihr bezeichnet euren Sound aber als Nautic Metal. Was darf man sich darunter vorstellen?
Timothy: Wir haben unsere Musik auch ewig lange als Pirate Metal bezeichnet, und zu Nautic Metal sind wir dann gekommen, weil der Begriff Pirate Metal doch sehr durch ein paar einschlägige Bands besetzt ist, die sich nun etabliert haben. Viele davon vertreten die Haltung, 24/7 Partys wie das Leben zu feiern, und wir wollten einfach noch etwas mehr. Wir finden diese Haltung zwar gut, sind auch Fans einiger Bands, aber das alleine reichte uns nicht. Schon unser erster bekannter Song «The Longing» passte da rein gar nicht in dieses Konzept hinein. So ging es dann ständig weiter. Die Songs, die wir machen und am besten finden, haben oft epische Weiten und etwas Sehnsüchtiges. Wir machen auch die klassischen Songs, aber eben nicht nur. Und da wir uns im Metal befinden, mussten wir auch einen eigenen Namen dafür haben (lacht). Heute braucht ja alles seinen Namen und (s)eine Subkultur, deswegen nennen wir das Genre jetzt Nautic Metal.
MF: Eine Hilfestellung sozusagen, dass jeder Fan es für sich einordnen kann…
Timothy: Ja genau! Wenn aber jemand von ausserhalb der Szene, zum Beispiel jemand von der Arbeit fragt, was ich denn für Musik mache, dann sage ich einfach Folk Metal (grinst). Das kann jeder irgendwie einordnen. Da wäre einmal Metal und dann noch ein bisschen Folk, dann reimen die sich so etwas zusammen. Wenn ich aber Nautic Metal sage, dann fragen sich alle, was zum Geier denn das Komisches sein soll.
MF: Dann wird es für Aussenstehende schlichtweg zu hoch?
Timothy: Ja wirklich, und ich möchte sie dann nicht auch noch in die Death, Grind und keine Ahnung welche Bezeichnungen ebenso einführen.
MF: Wann war denn der Punkt, an dem es für euch als Piraten-Metaller nicht mehr gestimmt hat?
Timothy: Tatsächlich ist es nicht so, dass wir das, was wir machen, dem angepasst haben, wie es heisst. Verständlich? Wir haben früher also nicht Pirate Metal gemacht und heute Nautic Metal, sondern wir haben schon immer so geklungen. «The Longing» war auf der ersten EP, da hatten wir noch nicht einmal einen Plattenvertrag. Das war das allererste Ding, das wir überhaupt gemacht hatten und fanden schlichtweg keinen besseren Begriff dafür. Also haben wir unseren Sound als Pirate und Folk Metal bezeichnet, damit die Leute, die uns noch nicht kannten, sich am Genre orientieren konnten. Mit der Zeit wuchs jedoch auch das Selbstvertrauen, und wir konnten uns dann umbenennen (lacht).
MF: War bei der Gründung schon klar, in welche musikalische Richtung es gehen sollte?
Timothy: Das ist eine ziemlich gute Frage, auf die ich jahrelang keine gute Antwort hatte, doch inzwischen sind wir "full circle". Es war damals so, dass wir als Schülerband mit Cover-Versionen angefangen haben. Ich glaube, dass der erste Song, den wir covern wollten, «We Are Pirates» von Orden Ogan war. Wie du siehst, war das Thema schon damals massgebend, und dabei ist es auch geblieben. Wir hatten zwar noch keine Auftritte, aber die Setliste hätte so typisch nach Bandraum-Truppe ausgesehen - drei eigene Songs und sechs Cover-Songs. Allerdings haben wir dann gar nicht mehr lange gecovert, sondern mit eigenem Material begonnen. Das war eine wirklich gute Zeit. «Side By Side» war der erste eigene Song von damals, und auch dieser war voll im Thema drin.
Das seemännische Thema hat uns schon immer fasziniert, den Gedanken an Zusammenhalt, Wehmut, Fernweh und auch Heimweh. Wir standen immer auf starke Gefühle, die wir in den Songs unterbringen wollten. Deswegen auch "full circle", weil wir auf dem letzten Album Seeb (Sebastian «Seeb» Levermann) von Orden Ogan mit an Bord hatten. Ansonsten hatten wir Vorbilder aus allen möglichen Bereichen. Für mich haben Eluveitie eindeutig die Drehleier im Geschäft etabliert. Zu nennen wären auch noch Alestorm, die man nicht unerwähnt lassen darf. Auch sie haben eine gewisse Vorbildfunktion. Korpiklaani sind ebenfalls klasse, gerade für die Partyseite des Lebens.
Ich habe auch ganz gerne Power Metal gehört, was man jetzt bei Storm Seeker zwar nicht heraus hört, aber das war voll mein Ding. Mittlerweile bin ich noch deutlich breiter aufgestellt. Ich war damals siebzehn oder achtzehn Jahre alt! Das war einfach eine andere Zeit im Leben (lacht). Tatsächlich hatte ich auch eine ganz harte Dream Theater Phase, die glücklicherweise bei Storm Seeker auch nicht heraus zu hören ist. Sonst hätten wir uns alle nochmals einem Studium unterziehen müssen. Mittlerweile gibt es auch bei uns drei studierte Musiker in der Band, doch Dream Theater sind da nochmals ein ganz anderes Level.
MF: Du sagtest vorhin, ihr hättet als Schülerband begonnen. Wie alt warst du, als ihr damit gestartet seid?
Timothy: Ich war achzehn, so viel mir ist. Ich stand kurz vor dem Abitur, und das ist jetzt zehn Jahre her. Von dieser Formation ist so gut wie niemand mehr übrig. Nur mein Bruder und ich sind von der Anfangszeit her noch übrig geblieben. Und der Rest ist mit der Zeit…, ich meine es war eine Schülerband. Die Schule war vorbei, ein paar sind weggezogen und wir haben uns hier neu formiert. Es veränderte sich superviel in all den Jahren. Mit den einen lebt man sich zusammen und mit den anderen auseinander, so ist das eben. Es waren ziemlich verrückte Jahre, wovon auch die Bandkonstellation nicht verschont blieb. Inzwischen ist zum Glück alles etwas stabiler geworden.
MF: Dann lass uns doch zum neuen Album «Nautic Force» kommen. Es ist ein ziemlich cooles Album, und der Metal-Anteil ist hörbar gestiegen. Was hat euch dazu veranlasst?
Timothy: Das war ehrlich gesagt keine bewusste Handlung. Es passt einfach momentan am besten zu dem, was wir gerade machen. Das Album ist auch nicht ganz so wild und fröhlich wie sein Vorgänger, das wirklich mehr Party und Geballer war. So richtig raue Passagen, die sehr viel Spass machen. Also versteh mich bitte nicht falsch. Es ging uns damals eben mehr um Geschwindigkeit als um den Hintergrund. Das neue Album ist viel epischer geworden. Wir haben ein Orchester in echt aufgenommen und auch einen Chor, da passen metallige Strukturen schlicht besser dazu. Diese Kombination ist ja nicht neu. Ich habe eben erst erfahren, dass es «Rock meets Classic» seit gut dreissig Jahren gibt, und diese Kombination ist eben sehr wirkungsvoll. Worauf bei diesem Album besonders geachtet wurde…, worauf mein Bruder «Olaf» beim Songwriting geachtet hat, war die Eingängigkeit der Songs. Nicht bloss bei den Refrains, sondern auch in den Strophen wollten wir das hinkriegen, und ich denke, dass uns dies ganz gut gelungen ist. Ich würde jetzt nicht gerade mitsingbar sagen, aber die Melodie ist uns einfach superwichtig. Deshalb ist das Album jetzt so wie es ist.
"...die Kreativität entsteht ganz oft aus der Beschränkung..."
MF: Eine tolle Platte jedenfalls. Worum geht es inhaltlich? Klar, der Begriff Nautic deutet ja schon etwas an…
Timothy: (lacht)… ich brauche dir jetzt nicht mit Seefahrt zu kommen, oder? Nee, es ist ja kein Konzept-Album, daher geht es um Verschiedenes. Das Album fängt mit «Heavaway» an, ein klassischer Aufbruch-Song. Dann haben wir einen Schlachten-Song wie «Cannonthunder» geschrieben, der ein bisschen wilder ist. Es gibt auch den Song «Nine Ships By Night», der von einem Kapitän handelt, der angeblich alles kann, was natürlich absoluter Blödsinn ist. Ähnelt so ein bisschen der Münchhausen-Geschichte. Ausserdem ist da noch «Blow Winds Blow». Ein Song der die Abhängigkeit thematisiert, ein Thema mit dem wir uns in düstere Abgründe begeben.
Wir bekommen auch immer mal wieder die Frage gestellt und jetzt stelle ich sie mir gerade selber: "Ist das denn nicht langweilig, immer dasselbe zu produzieren?" Das ist eine ulkige Frage, denn die Kreativität entsteht ganz oft aus der Beschränkung. Gerade bei diesem Song sieht man es gut…, Mr. Hurley (und die Pulveraffen) sagt immer, dass man alles in ein Bild verpacken kann! Ich habe also meine Thematik und die beziehe ich einfach auf das Nautische. So funktioniert es einfach. Du kannst eigentlich alles darauf beziehen, auch aktuelle Sachen. «Rolling Home» ist dann wieder ganz klar ein Song über die Heimfahrt. Wegsein ist zwar schön, das Zuhause eben auch!
MF: Ist das ein klassischer Song, dessen Gefühl aufkommt, wenn ihr viel auf Tour seid?
Timothy: Auf jeden Fall! Wir hatten das letzte Wochenende eine dreitägige Tour mit Mono Inc., also drei Tage hintereinander ein Konzert. Das erzähle ich deswegen, weil wir das noch nie zuvor gemacht haben. Wir hatten immer nur zwei Tage in Serie Konzerte gespielt und dann ging es wieder nach Hause. Ein klassisches Festival-Wochenende eben. Jetzt hatten wir Freitag, Samstag und Sonntag, und am Ende konntest du uns alle zusammenfalten und in eine Ecke stellen. Das kommt natürlich auch davon, dass wir noch mehr Aufwand haben. Wir verstauen alles selber und bringen es von A nach B. Wir haben keine Aufbau-Crew oder so. Wir waren schon sehr froh darüber, erstmals einen Toningenieur und Lichtmeister dabei zu haben.
Das hat die Show enorm verbessert. Auf- und Abbau machen wir alles selber, und von daher waren wir nach drei Tagen völlig hinüber. Gerade als Sänger hätte ich da nicht noch einen vierten Tag anhängen wollen, denn der ganze Abbau bis tief in die Nacht und dann die Fahrt zur Unterkunft ist doch sehr kräftezehrend. Nichtsdestotrotz hat es super viel Spass gemacht! Es war wirklich der Hammer, denn erstmals sind wir vor so vielen Leuten aufgetreten. Jedes Mal die ultimative Party, und wir sind sehr glücklich, mit Mono Inc. unterwegs sein zu dürfen. Man konnte uns auch deswegen zusammenklappen, da wir immer auf 180 und total glücklich waren, was ja auch anstrengend sein kann. Vielleicht kennst du das auch, wenn du einfach happy bist und plötzlich merkst, dass du wieder einmal deine Gesichtsmuskeln entspannen solltest. Es ist ein Aufwand, der sich jedoch wirklich lohnt!
MF: Du hast bereits Mono Inc. angesprochen, auf die ich gerne später noch näher eingehen werde. Jetzt möchte ich aber noch kurz beim neuen Album bleiben. Auf was freut ihr euch am meisten, wenn ein neues Album auf den Markt kommt? Was ist euch wichtig?
Timothy: Ou, das ist schwierig… (pause). Wichtig ist natürlich das Feedback! Das Feedback kann ganz verschiedener Art sein. Das Album haben sich so und so viele Leute auf Spotify angehört, kann ein Feedback sein. Natürlich auch direktes Feedback von Freunden, die das Album übrigens auch nicht zu hören bekommen, bevor es draussen ist. Wir erzählen ihnen zwar, dass bald etwas heraus kommt, aber zu hören kriegen sie es auch nicht. Direktes Feedback ist superwichtig. Das Wichtigste ist für mich, dass unsere Arbeit ankommt! Wir haben so viele schriftliche und mündliche Rückmeldungen, viel Bewegung auf Spotify, auf YouTube und anderen Kanälen. Es macht Spass und entschädigt einem für die Zeit vorher, zumindest wenn das Kritiker-Urteil positiv ausfällt.
Die Zeit davor ist unglaublich stressig. Alles muss gefühlt gleichzeitig passieren, und diesmal haben wir noch mehrere Videos gemacht, was wirklich sehr viel Arbeit ist. All dies ist Arbeit, die man vorher hinein steckt, ohne zu wissen, was dann wirklich ankommt. Als Musiker geht man extrem in Vorleistung, die man meist selber macht. Wir haben glücklicherweise für die zwei grossen Videos den Timo Tafelski, einen guten Freund von uns, der beruflich Videograf ist, mit dem wir aufwändigere Videos machen konnten. Aber sogar da war alles selfmade, und es gab da auch keine Crew. Er brachte die Kamera sowie etwas Licht, und den Rest mussten wir anschleppen. Mit dem grossen Auto vorfahren und schleppen. Wenn also alles geschafft ist, sind wir erst einmal glücklich. Wenn das Feedback dann noch positiv ausfällt und man dadurch auf einem Festival spielen darf, hat sich das auf jeden Fall gelohnt.
"...Es ist ein eigenes, uminterpretiertes Kunstwerk..."
MF: Bei eurem aktuellen Album-Cover ist mir aufgefallen, dass ihr auf die typischen Klischees verzichtet habt. Es wirkt schlicht, eine Art Bleistiftzeichnung, die eine Armada zeigt, die auf einen Mann am Ufer zusteuert. Was ist die Geschichte dahinter?
Timothy: Ähm, es ist an einen Kupferstich angelehnt, und es ist wie bei den meisten unserer Album-Cover, wenn wir nicht wie bei «Guns Don't Cry» selber drauf sind. Es ist an ein Bild angelehnt, das wir persönlich cool finden. Wir hatten bei «Beneath In The Cold» dieses relativ bekannte Gemälde mit Ruderboot und darunter das Walauge – in der klassischen Vogelperspektive. Wir haben versucht, das Grauen aus der Tiefe zu imitieren. «Nautic Force» ist nun angelehnt an den "Wanderer über dem Nebelmeer" (googelt schnell, um sicher zu sein)… ja, von Caspar David Friedrich. Man sieht deutlich, wenn du die Frisuren und die Posen der beiden Herren vergleichst, wovon unser Mann inspiriert ist. Wir konnten aber keinen "Wanderer über dem Nebelmeer 2" machen, und so mussten wir das Meer und eine Armada drauf packen, um der "Nautic Force" gerecht zu werden. Es ist ein eigenes, uminterpretiertes Kunstwerk, für das wir wieder mit Freunden zusammen gearbeitet haben.
MF: Klingt spannend und durchdacht…
Timothy: Ich glaube, du bist auch wirklich der Erste, der danach fragt. Finde ich gut! Gerade wenn es eine Story dazu gibt. Manchmal sitzen wir nämlich da, Geschichten im Köcher und warten darauf, dass wir die passende Frage gestellt bekommen…
MF: …und dann die grosse Enttäuschung, wenn sie nicht gestellt wird?
Timothy: Ach…, dann behalten wir sie eben für uns. So können wir sie als Bandgeheimnis irgendwann später einfach so erzählen oder wenn jemand doch noch danach fragt (lacht).
MF: Du hast bereits kurz die Festivals erwähnt. Wie sieht euer Festival-Fahrplan für diesen Sommer aus?
Timothy: Gut! Wir haben einiges vor. Wir sind erstmal mit Mono Inc. auf Tour für die nächsten vier, fünf Wochen. Das ist ordentlich viel Arbeit. Im Anschluss daran sind wir auch wieder unterwegs. Erst auf dem "Sternenklang-Festival", ähm…, allen möglichen Festivals, und ich weiss ehrlich gesagt gar nicht, auf welchen Festivals wir alles spielen. Ich muss auch immer etwas aufpassen, dass ich nicht schon Spielorte ausplaudere, die die Festivals noch gar nicht kommuniziert haben. Was schon offiziell und für uns ein richtig grosses Ding ist - das "Summer Breeze-Festival". Das ist ein richtig grosses Ding!
Wir waren letztes Jahr auf "dem Wacken", und das ist nun die andere Grösse, die man auch besuchen möchte. Wir waren alle schon als Besucher da, und jetzt darf man auf der grossen Bühne spielen. Das ist wirklich krass! Das war jetzt auch mit Mono Inc. so. Wir haben in Köln, im Carlswerk Victoria gespielt, da war ich schon auf einem Amon Amarth Konzert oder in der Turbinenhalle Oberhausen, wo früher das "Pagan-Fest" war. Jetzt wieder da zu sein und den Backstage sehen zu dürfen, ist für viele von uns eine riesige Sache. Das fand ich sehr spannend. Auf das "Summer Breeze" freue ich mich wirklich mega dieses Jahr. Wir sind sehr viel unterwegs, nur im Juli haben wir vier Wochen frei, da wir bewusst nichts angenommen haben, um aufzutanken zu können. Man muss sich darüber klar werden, was gerade passiert ist. Man muss kurz wieder herunter kommen und schauen, ob noch alles ganz ist, auch das Equipment, und dann kann es weitergehen. So ein Kontrollschub muss eben auch mal sein.
MF: Klingt spannend! Jetzt muss ich aber doch auf Mono Inc. eingehen. Du hast ihren Namen so viele Male erwähnt, und meines Wissens kommt ihr nicht wirklich aus der gleichen Genre-Ecke. Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit und zu dieser Tour gekommen?
"... schliesslich haben sie gefragt, ob wir Bock haben. Da konnte ich doch nicht nein sagen..."
Timothy: Also, zur Zusammenarbeit ist es deswegen gekommen, da wir bei «No Cut», dem Label von Mono Inc. sind. Sie haben einen Bandübernahme-Vertrag, promoten uns und machen auch teilweise unser Merchandise. So steht man sich natürlich schon einmal ziemlich nah. Klar oder? Aber wie ist es dazu gekommen? Wir haben während Corona, als Vorband für Mono Inc., die Strandkorb-Konzerte bestritten. Das hat sehr sehr gut funktioniert, da die Mono Inc.-Fans unglaublich offen und freundlich sind und gar nicht so…, Metalfans sind manchmal so: "Ich höre mir nur Progressive an, und alles andere finde ich doof!“ Nicht so diese Fans, die waren wirklich entspannt, und weil das so gut funktioniert hat, machen wir das einfach weiter.
Für Mono Inc. selber ist es natürlich auch von Interesse, dass wir als grösste Label-Band mehr Fans generieren. So sind wir in deren Set, heisst bei «After Dark», einem Song, der auch auf dem aktuellen Album «Ravenblack» vertreten ist, mit auf der Bühne. Für uns ganz grosses Kino! Wir haben die Drehleier im Intro, und ich singe auch. Wir arbeiten wirklich gerne mit ihnen zusammen und schliesslich haben sie gefragt, ob wir Bock haben. Da konnte ich doch nicht nein sagen…
MF: Das kann ich gut verstehen, denn selbstverständlich ist es nicht. Man hört ja noch immer, dass die Grossen den Kleinen nicht viel Aufmerksamkeit schenken. Diese Geste spricht aber klar für Mono Inc.
Timothy: Ja, das ist richtig, und ich finde es auch megacool. Es ist echt toll, sie dabei zu haben respektive… (grinst), dass wir bei denen dabei sind. So muss man es eigentlich sagen! Sie kommen stets mit hilfreichen Tipps an, können uns oft sagen wie etwas läuft, denn sie machen es schon mindestens zehn Jahre länger und sind 120% erfolgreicher als wir. Sie haben einfach viel mehr Erfahrung, und es ist sehr wertvoll, wenn sie diese mit uns teilen. Gerade für den ganzen Promotions-Zirkus sind wir ihnen sehr dankbar!
MF: Du hast vorhin die "Strandkorb-Konzerte" erwähnt. Darüber habe ich auch etwas gelesen. Seid ihr eigentlich froh darüber, wieder vor Massen spielen zu dürfen, und was war das Besondere an diesen Strandkorb-Konzerten?
Timothy: Die Strandkorb-Dinger waren ein ganz besonderes Teil. Du musst dir vorstellen, die Bühne ist riesig, denn die Leute in der zweiten Reihe und alle die noch dahinter kommen, müssen die Bühne im Blick haben können. Das heisst, die Bühne ist mindestens sechs Meter hoch! Trotzdem stand ich an der Bühnenkante und das war schon mal ziemlich…, wow! Die Leute waren unglaublich weit weg, und es brauchte links und rechts eine Grossleinwand. Für uns superkrass, denn wir waren noch nie auf Grossleinwand zu sehen. Ich meine, warum sollte man auch, denn das ist ansonsten echt nur den ganz Grossen der Szene vorbehalten, wenn überhaupt. Zu Beginn sitzen die Leute dann auch noch, doch wir haben es meistens ganz schnell geschafft, dass sie aufgestanden sind und begonnen haben zu tanzen.
Witzigerweise ging das Tanzen sogar besser, weil die Leute viel mehr Platz hatten. Die Fans haben für sich selber getanzt und nicht nur das nachgemacht, was von der Bühne kam…, also mal klatschen und mal "hey!" oder so was, sondern man hat die Leute richtig tanzen sehen. Die Fans haben mehr von sich selber eingebracht. Man konnte trotz Distanz mit den Leuten Kontakt aufnehmen, denn ich wusste, wenn ich nach links schaue, stehen da immer die gleichen Personen. So sah ich dann immer die gleichen beim Singen oder jene, die stets denselben Move machten, und das war cool. Speziell riesig waren auch die Locations, denn die Strandkörbe fressen enorm viel Platz. Es war wie in einem Fussballstadion, das nur von 700 Personen besucht wird. Das war wirklich ein besonderes Erlebnis ,und davon haben wir drei Stück mitgemacht.
Für uns als Band war es auch deshalb cool, weil wir so die Gelegenheit zum Spielen bekamen. Trotz allen Massnahmen auf einer Bühne zu stehen und das tun zu können, was wir lieben - der Wahnsinn! Dann letztes Jahr, als der erste normale Festival-Sommer wieder losging, hatten wir totales Kontrastprogramm und die absoluten Highlights hintereinander weg. Wir hatten unseren neuen Gitarristen Pauli mitgenommen, der seit letztem Jahr dabei ist, und das war superwitzig. Der erste Gig war auf dem "W-G-T" (Wave-Gothic-Treffen) in Leipzig. Da haben wir quasi das "W-G-T" auf der Waldbühne eröffnet, kurz danach haben wir "am Rockharz" und dann "am Wacken" gespielt. Dieser arme Junge hatte bis dahin nur ein paar Club-Gigs gespielt und musste dann auf diesen riesigen Bühnen klarkommen, auf denen wir selber schon nicht wussten wohin, weil wir einfach noch nie auf solchen Monsterbühnen standen. Es war aber fantastisch, denn wir sind super angekommen. Der letzte Sommer war echt krass für uns alle. Und deswegen wird dieses Jahr das "Summer Breeze" der nächste Schritt in dieser Tradition. Das wird echt cool.
"...Zum Beispiel mit Eluveitie, denn wenn die Bescheid sagen, bin ich da..."
MF: Wenn ihr mit anderen Künstlern etwas machen könntet, mit wem wäre das? Gibt es offene Wünsche?
Timothy: Gute Frage, auf die du, je nach dem, wen du aus der Band fragst, eine andere Antwort erhältst (lacht). Also für mich gibt es das bestimmt! Einer davon wäre sicherlich Seeb von Orden Ogan, mit dem wir schon auf dem letzten Album etwas gemacht haben. Ich würde unglaublich gerne mit vielen grösseren Bands auf Tour gehen, da hätte ich voll Bock drauf. Zum Beispiel mit Eluveitie, denn wenn die Bescheid sagen, bin ich da. Werden sie wahrscheinlich nie machen, aber man kann ja mal träumen (lacht). Ansonsten würde ich sehr gerne einen Song mit Anna Murphy (Cellar Darling, Ex-Eluveitie) machen. Es gibt allgemein viele Künstler und Künstlerinnen zu denen ich aufblicke, mit denen ich mir aber nicht vorstellen könnte etwas zu machen. Joacim Cans von HammerFall zum Beispiel. Das ist ein Künstler, zu dem ich definitiv aufschaue, mir aber echt nicht vorstellen kann, dass wir etwas zusammen machen könnten…
MF: Ganz im Sinne: Ist, war und bleibt ein Vorbild?
Timothy: Ganz genau, und das ist auch in Ordnung so. Ich persönlich finde es auch immer spannend über die Genre-Grenze hinaus zu gehen, aber es wird dann superschwierig, das Ganze zu vermarkten. Es war schon mit Mono Inc. ein grosser Schritt, und das zeigt sich auch anhand deiner Frage, dass diese Zusammenarbeit für die Fans nicht ganz durchschaubar ist. Ich bin ebenfalls ein Fan von instrumentalen Tracks und Features.
Ein grosser Teil des Orchesters auf dem neuen Album stammt von unseren Freunden von Eclipse, einer Streich-Combo, bestehend aus vier Ladies. Instrumentale Features finde ich fast noch cooler als Gesangs-Features, weil Gesang ist so… ja, weiss nicht…! Bei uns steht die Melodie doch sehr im Vordergrund, und es macht einfach viel Spass, gute Melodien zu haben. Ich bin ein riesiger Fan von Melodien. Ich bin ja auch Sänger, ich darf das sagen (lacht)! Wenn ich mich hinstellen und sagen würde, Gesang ist das Wichtigste, wäre das komisch.
MF: Dann müsstest du A Capella singen…
Timothy: Ja genau! Van Canto ist übrigens auch so eine Band, von der ich ein riesiger Fan bin.
MF: Ja Timothy, dann bin ich soweit am Ende der Fragen und der Zeit…
Timothy: Ich hoffe du hast etwas Brauchbares bekommen, denn ich habe sehr lange geantwortet.
MF: Absolut! Da lässt sich ganz vieles mit machen..., vielen Dank!
Timothy: Das freut mich sehr! Vielen Dank für das coole Interview. Ich freue mich immer, wenn Interviewer vorbereitet sind, denn das macht immer viel mehr Spass, auch mehr zu erzählen, wenn Fragen kommen, die auch irgendwo hinzielen. Ich bin übrigens auch am Endresultat interessiert, denn ich archiviere solche Dinge immer. Ich wünsche dir einen ganz schönen Abend. Tschüss!