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"...In der damaligen, harten Zeit für Metal und insbesondere Thrash Bands, war «Disco Destroyer» genau die Platte, die zu der Zeit keiner hören wollte..."
Tankard gehören zu den "Big Four" des deutschen Thrash, und auch wenn sie immer ein bisschen im Schatten von Kreator, Destruction und Sodom stehen, sind sie aus der musikalischen Prügelwelt des Thrash Metals nicht wegzudenken. Ihren Charme und ihr Flair für intelligente und nachdenkliche Texte haben sie auf jeden Fall nie verloren, auch wenn sie das Image der Biertrinker nie ablegen konnten.
Mit ihrem leicht punkigen Thrash Sound veröffentlichten sie auch in der Gefahrenzeit des Grunge (den 90iger-Jahren) ihren kompromisslosen Metal, der nun wieder zu neuem Leben erweckt wird. Sprich die Century Media Scheiben «Disco Destroyer» (1998), «Kings Of Beer» (2000) sowie «Himbeergeist Zum Frühstück» (1996) des Fun-Projekts Tankwart sind wiederveröffentlicht worden. Wie es dazu kam und an was sich Sänger Gerre sonst noch alles erinnert, könnt Ihr im folgenden Interview nachlesen.
MF: Wie kam es zu den drei Re-Releases von «Disco Destroyer», «Kings Of Beer» und «Himbeergeist Zum Frühstück»?
Gerre: Unsere Plattenfirma "Reaper Entertainment" hat die Alben lizensiert und veröffentlicht sie wieder. Die Dinger waren lange nicht mehr erhältlich. Sie kamen damals bei Century Media raus. Unser Label hat nun keine Mühen und Kosten gescheut und neue Cover-Artwork kreiert. Für uns als Band ist es wichtig, dass es diese Platten wieder im Handel gibt. Die Scheiben aus der damaligen Century Media Zeit sind noch nie wiederveröffentlicht worden. Die ganzen alten Noise Scheiben, die sind schon länger wieder verfügbar. Wir sind froh, dass es «Disco Destroyer», «Kings Of Beer» und «Himbeergeist Zum Frühstück» wieder gibt (grinst).
MF: Habt ihr die Songs neu eingespielt, aufgenommen oder gemischt?
Gerre: Nein, sie wurden nur neu gemastert, heisst alles ist wie es einmal war, nur die Covers haben sich verändert. Ich fand die Idee wirklich gut, und die neuen Covers gefallen mir supergut. Ich bin gespannt, wie sich die Scheiben verkaufen werden.
MF: Welche Erinnerungen hast du an «Disco Destroyer»?
Gerre: «Disco Destroyer» war die letzte Platte, bei der Andy (Bulgaropoulus, Gitarre) mitgespielt hat. Das Album war nach «The Tankard», nachdem wir da einen kleinen Ausflug…, sprich «The Tankard» war für unsere Verhältnisse relativ melodisch. Mit «Disco Destroyer» gingen wir wieder komplett "back to the roots", und alles war sehr rau. In der damaligen, harten Zeit für Metal und insbesondere Thrash Bands, war «Disco Destroyer» genau die Platte, die zu der Zeit keiner hören wollte (lacht). Wir hatten aber wieder voll Bock auf die Mucke, und da sind schon ein paar gute Schmankerl drauf.
MF: Du hast es angetönt, damals lag die Welt in den Klauen des Grunge. Wie habt ihr euch dagegen gewehrt?
Gerre: Was heisst dagegen gewehrt? Wir haben nicht aufgegeben und einfach weitergemacht (grinst). Mitte bis Ende der Neunziger war die wichtigste Zeit, um am Leben zu bleiben und nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Das war damals wie in der Zeit mit Corona. Tankard spielten nur noch drei Konzerte pro Jahr, weil uns keiner mehr gebucht hat oder sehen wollte. Wir haben uns im Proberaum getroffen, haben weiter neue Musik geschrieben und diese Durststrecke überwunden. Sieht man sich das Ganze in der Retrospektive an, war es die wichtigste Zeit, damals nicht abgesprungen zu sein.
MF: Viele Bands aus dem Thrash-Sektor haben für die Fans zu der Zeit geschwächelt, wie Kreator mit «Endorama» oder Metallica mit «Re-Load». Ihr aber nicht, heisst ihr habt sogar noch mehr Gas gegeben!
Gerre: Ich finde «Endorama» gut! Es ist komplett was anderes (grinst), aber es sind echt gute Songs drauf. Am Ende ist alles immer Geschmackssache. Wir haben uns nie aufgelöst, so konnte es auch keine Reunion geben, und wir sind durch diese harten Zeiten hindurch gegangen. Bei Sodom wurden die Scheiben zu der Zeit auch härter, und sie haben sich auch einen Scheiss um diese Entwicklung gekümmert. Sie sind, wie wir, komplett gegen diesen Trend gelaufen.
MF: Wie siehst du «Disco Destroyer» aktuell in der Historie von euch?
Gerre: Um ehrlich zu sein, diese ganzen Century Media Alben, da nehmen wir die Tankwart mal aus davon, das war ein Fun-Projekt…, um es vorsichtig zu formulieren, war diese Phase nicht die Stärkste von uns (grinst). Trotzdem war «Disco Destroyer» wieder der richtige Weg zurück. Das alte Album-Cover (lacht)…, von einer Disco-CD haben wir diese Kugel geklaut (lachend). Das Cover, gehört jetzt auch nicht unbedingt zu den Highlights unserer Band-Geschichte (lachend). Das passte aber zu der Zeit, und ich stehe noch immer voll dazu. Im Nachhinein gesehen war es jedoch nicht die stärkste Phase von uns.
MF: Wie entstand damals der Albumtitel?
Gerre: Du stellst mir Fragen (lachend), das war 1998 und ist jetzt wie viele Jahre her (lacht)?! Wir hatten einen Song, der hiess so. Das war in unserer Demo-Phase. Der Track wurde aber auf keinem Tape veröffentlicht, wenn ich mich richtig entsinne (lacht). Diesen Titel fanden wir so lustig, wie auch die Textzeile "From Frankfurt to Frisco, we destroy every Disco". Das ist natürlich totaler, hanebüchener Schwachsinn (lacht).
"...Klar, mit «Chemical Invasion» und «The Morning After» haben wir einiges für unser Image getan..."
MF: Vor knapp 26 Jahren habt ihr schon auf die Gefahren des Internets mit www.planetwide-suicide.com hingewiesen. Wie seid ihr zu solchen Texten gekommen, denn eigentlich habt ihr immer dieses biertrinkende Musiker-Image nach aussen getragen, habt dann aber immer wieder mit solchen Texten auf euch aufmerksam gemacht.
Gerre: Klar, mit «Chemical Invasion» (1987) und «The Morning After» (1988) haben wir einiges für unser Image getan (lacht). Mitte der Neunziger wollten wir uns davon verabschieden, aber wir sind kläglich gescheitert (lacht). Seit dem zweiten Album verarbeiten wir immer wieder ernstere Texte und versuchten eine gute Mischung hinzukriegen. Heute sehen wir das Image (grinst)…, nun ja, mit einem zwinkernden Auge können wir auch darüber lachen. Stell dir vor, auf der nächsten Tankard Scheibe ist ein Totenkopf, Blut und Gemetzel zu sehen, das würde nicht zu uns passen und uns auch keiner abkaufen.
Wir haben auf der letzten Platte «Pavlov's Dawgs» (2022) mit «Ex-Fluencer» einen Track, bei der wir die Thematik wieder aufgegriffen haben, dass es Leute gibt, die sich in dieser virtuellen Welt komplett verlieren. Klar, wir nutzen jetzt für dieses Interview auch Zoom oder Whats App, Instagram und Facebook. So ein Leben, gefangen in diesen Medien, kann durchaus gefährlich sein. Wenn man sieht, wie man heute auf sein Handy angewiesen ist. Ist das Teil weg, hat man echt ein Problem, wenn man nicht immer alles speichert und das Ding kaputt geht (lächelt). Wir stammen noch aus den Achtzigern, was willst du also machen (grinst)?
MF: Waren die Achtziger denn einfacher?
Gerre: Weiss ich nicht, aber hinterher sagt man immer, früher sei alles besser gewesen. Waren sie einfacher? Keine Ahnung, aber wir sind damals aufgewachsen. Ich sehe im Hintergrund, du kaufst dir noch Tonträger, das ist sehr löblich. Aber ich glaube, dass wird irgendwann eine aussterbende Spezies sein, leider.
MF: Die Jungen wachsen mit Downloads auf, hingegen wir alten Säcke kaufen eben noch physische Produkte.
Gerre: Ja, man will etwas in der Hand halten und braucht ein Cover sowie ein Booklet.
MF: Kommen wir noch zu «Kings Of Beer». Was hat sich bei dieser Scheibe verändert?
Gerre: Die Phase muss man zusammen ansehen. Keine Ahnung, ob wir da gross etwas verändert haben? Andy hat die Band nach «Disco Destroyer» verlassen, und dort sind auch seine Abschiedsworte zu hören. Mit Andy (Gutjahr), dem neuen Andy, damit wir nicht so viele neue Namen lernen müssen (lautes Lachen)..., mit ihm kam ein anderer Einfluss in die Truppe. Er ist eher der traditionelle Metal-Gitarrist. Da hat sich sicherlich auch auf die Songs ausgewirkt, aber ansonsten gings auf «Kings Of Beer» mit dem Geprügle weiter (grinst). Der Schnitt kam mit «B-Day» (aus dem Jahre 2002, zwei Jahre nach «Kings Of Beer»). Neue Plattenfirma (AFM) neuer Produzent (Andy Classen), frischer Wind, und im Nachhinein, dass wir in den Neunzigern die Flinte nicht ins Korn geworfen haben, war «B-Day» für uns ein kleiner Neustart und eine ganz wichtige Platte.
MF: Wie schwer war für euch der Wechsel von Andy zu Andy? Ihr hattet zuvor immer ein sehr stabiles Line-up. Wie schwer war es für ihn oder euch, mit einem neuen Mann an der Gitarre Musik zu machen?
Gerre: Wir testeten ein paar Gitarristen, und er passte am besten zu uns. Klar hat er später den Stil von Tankard beeinflusst und mitgeprägt. Das hat aber alles gut funktioniert. Er kam in einer Zeit in die Band, 1998, in der wir drei Gigs im Jahr spielten. Allein aus diesem Grund lief alles sehr entspannt, aber natürlich sind seine Einflüsse unverkennbar.
"...Tankard lieben Wortspiele..."
MF: Wie habt ihr euch einen so geilen Titel wie «Hell Bent For Jesus» ausgedacht?
Gerre (lachend): Nun ja, Tankard lieben Wortspiele. Der Titel kommt logischerweise von «Hell Bent For Leather» von Judas Priest. «Tattoo Coward» ist auch so ein Titel, der gefällt mir am besten auf dieser Scheibe. Ist auch ein lustiger Text bei es darum geht, dass jemand Angst hat, sich tätowieren zu lassen.
MF: Habt ihr euch damals auch dazu entschieden, dass die Musik bloss ein guter Nebenverdienst sein wird, ihr aber nicht mehr das Leben zum Rockstar erreichen werdet und deshalb normale Jobs gesucht habt?
Gerre: Die Entscheidung fiel zu Beginn, Ende der Achtziger Jahre. Irgendeiner in der Band war immer in der Ausbildung oder es stand dies oder das an. So entschieden wir, dass die Musik nicht zum Hauptberuf wird. Die Medaille hat immer zwei Seiten. Wir sind völlig unabhängig und können machen und tun, was wir wollen, weil wir nicht von der Musik leben müssen. Die Kehrseite ist, dass man nie alles spielen kann, was uns angeboten wird. Das ist ein bisschen doof, aber im Grossen und Ganzen sind wir mit dieser Entscheidung sehr gut gefahren.
MF: Hat euch das entlastet, sprich Druck weggenommen?
Gerre: Ja natürlich, wenn ich diese Corona-Zeit sehe, mit diesen zwei bis drei Jahren. Manche Bands, die von der Musik leben, dies aber nicht auf grossem Fuss tun, hatten echt Probleme. Das war für die eine Scheiss-Situation. Für uns war diese Zeit jedoch kein Problem, diese Durststrecke durchzustehen. Alles hat stets zwei Seiten, aber wir sind eigentlich immer sehr gut mit unserer Entscheidung gefahren.
MF: Wir kam es letztlich zu Tankwart und «Himbeereins Zum Frühstück», respektive zu diesen verpunkten Schlager und Neue Deutsche Welle Songs?
Gerre (lacht): Die erste Tankwart «Aufgetankt» kam 1994 heraus. Die zweite Scheibe trat 1996 ans Tageslicht. Keine Ahnung, wer zuerst mit dieser Idee ums Eck kam (grinst). Mehr oder weniger waren die Lieder auf der ersten Tankwart alles Neue Deutsche Welle Songs. Mit dem Schlagerkram zur Zweiten, das war, glaube ich, meine Idee. Es war ein lustiges Side-Projekt (grinst), und ich werde immer darauf angesprochen: "Existiert die Band noch"? Im Grundsatz nicht mehr, heisst Ideen für etwas Neues bestehen nicht, aber ich bin jemand der nichts ausschliesst. Man sollte niemals nie sagen, und wenn ich morgens aufstehe, respektive eine Bomben-Idee habe, kommt da vielleicht noch mal was. Aber aktuell sieht es nicht danach aus.
"...Weisst du eigentlich, dass ich ein riesengrosser Fan von deinen Landsleuten von Pertness bin?..."
MF: Kommen wir noch kurz ins Hier und Jetzt, welche Erinnerung hast du ans «Klash Of The Ruhrpott», als ihr zusammen mit Destruction, Sodom und Kreator aufgetreten seid?
Gerre: Darauf haben die Fans sehr lange gewartet. Für uns war es super, bei uns hat noch die Sonne geschienen (lachend), da wir als Erste auf die Bühne sind (Kreator mussten ihren Gig wegen einer Sturmwarnung abbrechen!). Es war ein geiler Event, und wir sind beim Publikum super angekommen. Ich hoffe, dass sich dies irgendwann wiederholt. Geplant ist aktuell nichts, da jede Truppe ihre eigenen Termine hat. Kreator sind mit weitem Abstand die grösste Band, sprich sie sind gerade mit Anthrax und Testament auf Tour. Sollte dies nochmals stattfinden, sehr gerne wieder (grinst)! Weisst du eigentlich, dass ich ein riesengrosser Fan von deinen Landsleuten von Pertness bin? Ich liebe diese Band, und sie haben schon ein paar Mal mit uns zusammen gespielt. Die Jungs haben mir eine neue Mütze von ihnen geschenkt, weil ich die immer verliere (lacht).
MF: Dann hoffen wir, dass du die Mütze nicht mehr verlierst (Gerre lacht). Ich wünsche dir alles Gute, beste Gesundheit und bedanke mich für das Interview.
Gerre: Nichts zu danken mein Lieber, immer wieder gerne.