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"...Ich singe englisch, weil ich den Eindruck habe, dass der Flow nur durch diese runde und weiche Sprache entstehen kann..."
«Sweet Poison» nennt sich das neue Werk der Wiesbadener The New Roses. Eine Scheibe, die voller Herzblut, Seele und Leidenschaft trieft. Ein Werk, das mit Hingabe, Blut an den Fingerkuppen, Dreck unter den Fingernägeln und den Cowboystiefel eingespielt wurde. Das fünfte Album geht den eingeschlagenen Weg konsequent weiter und lässt Timmy Rough (Gitarre, Gesang), Urban Berz (Schlagzeug), Hardy (Bass) und den zurück gekehrten Dizzy Daniels (Gitarre) als ganz hellen Stern am Rock'n'Roll Firmament erstrahlen. Einen, welcher die Grossen problemlos beerben kann. Gut gelaunt gab Timmy Auskunft zu meinen Fragen.
MF: Gratulation zum neuen Album…
Timmy: …sehr nett, danke…
MF: …es hat zehn von zehn Punkten bei uns erhalten…
Timmy: …ohh…, das ist…, besser gehts ja nicht (grinst zufrieden und lacht).
MF: Ihr habt beim Brienzer Rockfest mit «The Usual Suspects» schon eine neue Nummer gespielt, und da wusste ich, da kommt etwas ganz Grosses auf mich zu.
Timmy: Schön, so soll es sein, cool. Ja, die Show hat richtig Bock gemacht. Wenn man sich überlegt, wie alles losging…, vor Jahren spielten wir nachmittags, und das Zelt war noch nicht voll. Die Atmosphäre war so gut, dass wir immer wieder gerne kommen. Dieses Jahr nun als Hauptattraktion auftreten zu können und dies in einem vollen Haus, das ist schon geil.
MF: Wenn man sich das neue Album anhört, könnte man denken, das Herz des Rock'n'Roll kommt aus Wiesbaden!?
Timmy (lachend): Als wir mit The New Roses gestartet sind, gab es eine richtige Rock Szene in Wiesbaden, speziell gute Blues Bands. Da wir in Wiesbaden diesen Armee-Stützpunkt der US-Army haben, bestand eine sehr gute Szene. Die Leute waren alle ein bisschen älter, aber in den Sechzigern und Siebzigern gab es sehr viele Truppen, die ihren Lebensunterhalt mit der Musik bestritten haben und in diesen Ami-Clubs spielten. Wir hatten das grosse Glück, als totale Fans dieser Musik, mit diesen Leuten in Kontakt zu kommen. So haben wir diesen Sound mit der Muttermilch aufgesogen. Von Beginn weg waren wir in diesem Rock'n'Roll Sound dabei. Meine erste Truppe, mit der ich Geld verdiente…, ich war achtzehn Jahre jung, Urban war schon dabei, der acht Jahre älter ist, während unser Bassist schon Fünfzig war. Alle hatten graue Haare (grinst). Da ich keinen Führerschein hatte, mussten sie mich immer von zu Hause abholen. Mit «Voodoo Child» und solchen Nummer ging alles los. Die Rolling Stones, die Beatles, Elvis, aber auch ZZ Top oder Guns n' Roses haben wir richtig durchexerziert. Als wir begonnen haben eigene Songs zu schreiben, hatten wir einen riesigen Background an Rock'n'Roll.
MF: Wie kommt es dann, dass ihr als deutsche Band so völlig undeutsch klingt?
Timmy: Das hat sicher auch damit zu tun, was ich gerade gesagt habe. Wir spielten echt viel amerikanische Musik. Als Sänger hatte ich von Beginn weg eine Allergie gegen diesen deutschen Akzent beim Singen (grinst). Das war für mich sinnlos. Klar, das ist meine persönliche Betrachtung. Ich singe englisch, weil ich den Eindruck habe, dass der Flow nur durch diese runde und weiche Sprache entstehen kann. Wenn ich so singen will, dann muss es auch grooven. Deswegen verwendete ich sehr viel Zeit dafür, die Sachen richtig auszusprechen. So schaute ich viele englische Filme oder habe englische Bücher gelesen. Ich hatte das Glück, heisst zu Beginn meiner Songschreiber Laufbahn, einige dieser Soldaten als gute Freunde zu haben. Ich lebte in dieser Szene, und wir verbrachten die Zeit bei gemeinsamen Barbecues oder spielten Pool Billiard zusammen. So lernte ich auch viele Ami-Bands kennen, die man sonst in Deutschland nicht kannte und lernte die Art, wie sie Texte komponierten.
MF: Bei euren Songs merkt man, ihr seid mit Herz, Seele, Schweiss, Blut und Tränen dabei. Wie schwer oder wie einfach ist es, diese Authentizität stets aufrecht zu halten?
Timmy: Eigentlich nicht. Wir bleiben ziemlich nah an unserer Grundlinie dran. Auch wenn wir ab und zu eine kleine Spritztour in eine andere Richtung machen (grinst) und dabei ein bisschen poppiger werden. Oder es wird eine Ballade oder der Country kriegt mehr Freiheiten. Aber vom ersten Album hatten wir eine Mischung aus Hard Rock, aber auch griffige Melodien, die man im Radio spielen kann, wie beim Debüt mit «2nd 1st Time» oder «For A While», eine Ami-Ballade. Daneben stehen Tracks wie «Devil's Toys». Damit legten wir den Grundstein, experimentierten aber immer wieder in die eine oder andere Richtung. Wir haben aber nie Computer auf die Bühne genommen, begannen uns zu schminken oder haben mit Click gespielt. Was viele andere Bands entwickeln oder auch mit Feuerwerk oder Kulissen hantieren. Das ist nicht böse gemeint und auch nicht schlimm. Für uns erkannten wir, dass wir eher aus der Bruce Springsteen Ecke kommen. Nicht musikalisch, aber betreffend der Grundmessage. Purer Rock, ohne grosses Klimbim. Wir wollen auch viel mit den Leuten kommunizieren auf der Bühne. Wenn man bei diesen Grundsätzen bleibt, ist es nicht schwer authentisch zu bleiben. Wir mussten uns auch nie wachrütteln (grinst). Es gibt ein paar Dinge, auf die stehen wir nicht, und darum lassen wir sie auch sein.
MF: Ist «The Usual Suspects» der perfekte Appetizer für das neue Album?
Timmy: Ja, fanden wir schon (grinst zufrieden und sichtlich stolz). Das war einer der allerersten Songs, die fertig waren für das neue Werk. Wir waren voll im COVID Lockdown und hatten keine Ahnung, wo uns der Kopf steht, geschweige denn was passiert. Die Tragweite dessen, was da losgetreten wurde, wird uns noch viele Jahre begleiten. Wir hatten ehrlich gesagt alle schlechte Laune, sassen zu Hause, und jeder hat auf seine Art und Weise gelitten. Klar waren wir auch müde vom vielen Touren, und die ersten paar Monate waren wir nicht sauer, dass wir uns mal nicht sahen (lacht). Es war ganz cool zu sehen, welche Klamotten wir noch im Schrank hatten (lacht). Zuerst schrieben wir Songs über den ganzen Frust. Auf diese Demos hatte niemand Bock. Man bekam den Eindruck, dass wir kein Album machen wollten. «The Usual Suspects» war die Initialzündung und hat uns aus dieser lethargischen Situation heraus gerissen. Es war uns allen klar, dass es weder ein COVID noch ein Frust-Album werden sollte. Weg von den Tränendrüsen, wir rocken uns frei und machen uns Mut. Es war doch völlig beschissen, man hat das Radio angemacht oder das TV, es ging nur um COVID. Telefonierst du mit deinem besten Freund, wird über COVID gesprochen. Darum wollten wir eine Scheibe machen, die völlig COVID frei ist, aber trotzdem damit zu tun hat, weil wir, voller Power, gute Laune verbreiten wollen. Wenn sich dann unsere Fans genug über COVID ausgekotzt haben, dann erhalten sie eine CD und können sich positiv auftanken. «The Usual Suspects» war die Marschrichtung dazu.
MF: Ein weiteres Highlight für mich auf «Sweet Poison» ist «The Veins Of This Town»…
Timmy (grinst zufrieden): …schön…
MF: …worum geht es dabei?
Timmy: Vor Jahren bin ich aus der Stadt hier aufs Land gezogen. Ich lebe ganz in der Natur und die meisten "Autos", die ich hier sehe, sind Traktoren (lacht). Es riecht nach Bauernhof, nach Kühen und Ziegen. Ich geniesse das total. Steigst du in den Tourbus, fährst in die grosse Stadt…, in dem Song geht es um Paris. Da bin ich immer wieder…, und den anderen Jungs gehts auch so, man ist immer wieder überwältigt von dieser Flut an Menschen. Aus den Sorgen, Lebensgeschichten, dem Stolz und den ganzen Empfindungen, die in einer Stadt ungesehen und unbekannt aneinander vorbei strömen. Jeder kommt irgendwo her, geht irgendwohin und hält sich für den Mittelpunkt des Universums. Das liegt aber in der Natur der Sache. Nach dieser Show in Paris ging ich zur Sacré-Coeur. Da muss man eine ganz lange Treppe mit vielleicht dreihundert Stufen hoch laufen. Überall sassen Leute, haben miteinander gesprochen und Bier getrunken.
Da war Puls wie Leben da, und wenn ich mir dies nicht mehr gewohnt bin (lacht), weil ich auf dem Land lebe, dachte ich nur: "WOW!" Ich tauchte nach dieser tollen Show, bei der ich im Scheinwerferlicht stand und was "Besonderes" war, völlig ein. Heisst nach diesem Konzert ging ich raus und verschwand förmlich in dieser Menschenmenge. Das war ein ziemlich verrücktes Gefühl. Ich setzte mich also auf eine dieser Treppen und kritzelte die erste Zeile des Songs in mein Notizbuch. Dies bei dem Lärm der Autos und einem Parfüm, das ich von einer vorbei gehenden Person aufnahm. Zwei oder drei Jahre später schrieb ich den Song zu meinen Notizen. Das Intro vom Lied ist ein bisschen spezieller und entsprich nicht dem, was man sonst von uns kennt. Es hat präzise die Stimmung dieses Abends wiedergegeben. Wir waren uns aber nicht sicher, ob es passen würde und probierten noch andere Dinge aus. Auch wenn es hardrockiger wurde und besser zu uns gepasst hätte, wäre es dem Track nicht gerecht geworden. So entschieden wir uns auf den letzten Drücker, das genau so aufzunehmen, wie es auf dem ursprünglichen Demo war.
MF: Es ist eine grossartige Nummer geworden, ich liebe den Song…
Timmy: …das freut mich sehr (grinst zufrieden).
"...Diese klischierten Hard Rock Balladen, da rollen sich bei mir immer so ein bisschen die Fussnägel hoch..."
MF: Was beschreibt ihr mit «All I Ever Needed»?
Timmy: Wir wollten wieder Hard Rock und Country verbinden. Ich bin so ein bisschen ein Hard Rock Muffel. Diese klischierten Hard Rock Balladen, da rollen sich bei mir immer so ein bisschen die Fussnägel hoch. Da werde ich nicht so ganz warm damit (grinst). Andere in der Band finden das supercool, sprich die kriegen dann eher Pickel, wenn es zu viel Country hat. So war es bei der Ballade eine Herausforderung, wie wir das hinkriegen, dass ich mich dabei noch gut fühle (lacht) und die Jungs schon gut fühlen (lacht). Inhaltlich ist es eine Frage…, spielt man in einer Rock Band, steigen die eigenen Prioritäten auf unbewusste Weise in eine falsche Richtung. Man sehnt sich nach mehr Erfolg. Dinge, die man als selbstverständlich ansieht, sie nicht mehr hat, erscheinen plötzlich enorm wichtig. Dazu die Erkenntnis dass, ohne bestimmte Personen oder Fundamente im Leben, alles keinen Spass oder Sinn mehr macht.
MF: Wie kam es zum Albumtitel «Sweet Poison»?
Timmy: Normalerweise benannten wir die Alben immer nach einem Song. Dieses Mal gab es keinen Track, der das Album repräsentiert und als Titel herhalten könnte. Wir überlegten, was das Album gut zusammenfassen würde. Bedingt durch COVID konnten wir nicht über aktuelle Geschehnisse schreiben, weil das Leben still stand. So schrieb ich viele Lieder über meine zwanziger Jahre. «Sweet Gloria» ist eine Nummer über eine erfahrene Lady, bei der ich aus Datenschutz den Namen änderte (lacht). «Playing With Fire» ist ein Track über meine Sturm und Drang Phase, bei der jede Nacht die Letzte meines Lebens war. Mein Lifestyle zur damaligen Zeit war sehr ungesund, und den hätte ich so nicht viel länger leben können. Das war ein Ansatz zu «Sweet Poison», dass man dies nicht mehr nochmals erleben kann, weil es nicht mehr zu schaffen sein würde. Gleichzeitig will man es aus der eigenen Historie auch nicht heraus streichen. Das andere war, dass wir dieses Gift COVID nahmen und etwas Positives daraus machten.
MF: Wie wichtig war es für die Band und das Songwriting, dass Dizzy zur Band zurück kam?
Timmy: Das war ganz wichtig für uns, weil wir wie eine Familie sind. Wir kennen uns schon ewig. Dizzy ist Hardys Bruder. Das ist der Spirit der Band, dass wir keine zusammengewürfelte Söldner Truppe sind, sondern aus dem gleichen Ort kommen und in derselben Gegend aufgewachsen sind. Als Dizzy in den Proberaum kam, war es wie früher. Die Truppe spielte wieder ein bisschen anders, weil Dizzy eine eigene Art besitzt, den Rhythmus zu spielen. Das hat unbewusst dazu geführt, dass «Sweet Poison» wieder mehr so klingt wie unsere früheren Scheiben. Wie «The Lion In You»…
MF: …auch eine ganz geile Nummer…
Timmy: …solche Tracks, bei denen mit den Gitarren viel gepumpt wird.
"...da sind so viele Leute involviert, und es ist dermassen Alarm hinter der Bühne…, da musst du echt gut funktionieren..."
MF: Wie war es für euch, erneut mit KISS auf Tour zu sein?
Timmy: Das war krass aus vielerlei Gründen. Es besteht unheimlich viel Druck, weil diese Produktion so gross und detailliert ist, mit den ganzen Feuereffekten…, da sind so viele Leute involviert, und es ist dermassen Alarm hinter der Bühne…, da musst du echt gut funktionieren. In der Garderobe sitzen, Party machen und dann kurz mal auf die Bühne gehen, das geht nicht. Das ist der eine krasse Faktor. Der andere war der Eindruck, den KISS auf mich gemacht haben. Die waren jeden Abend perfekt, und das war echt krass. Perfekt, von vorne bis hinten, jeden Abend. Geile Gitarren-Solos und geile Band. Diese Präsenz und Performance waren echt beeindruckend. Das tritt selbst auch dich in den Arsch. Ich bin dreissig oder vierzig Jahre jünger und muss dann abliefern. Die Grössenordnung und die Hallen, in denen wir schon viele Konzerte sahen, da jetzt selbst zu spielen war schon sehr geil. Die Festhalle in Frankfurt ist ein heiliges Pflaster. Dadurch waren viele Augen auf uns gerichtet. Diesen Blicken will man gerecht werden und abliefern. Dieser ganze Rock'n'Roll Wahnsinn und dieser Kult um KISS, da ein bisschen mit rein zu rutschen und ein wenig teilzuhaben, war von vorne bis hinten geil.
MF: Hattet ihr die Möglichkeit mit den Jungs in Kontakt zu treten?
Timmy: Die sind saumässig beschäftigt und kaum vor Ort, wenn sie nicht spielen. Die hängen nicht gross herum, was auch klar ist mit dem ganzen Make-up und den Kostümen. Wir haben uns bei der letzten Show gesehen, und dort habe ich sehr nette Komplimente für meine Stimme von Paul Stanley bekommen. Das war richtig cool.
MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?
Timmy: Wir wollen im Herbst wieder auf Tour gehen und uns nicht durch das Virus in die Knie zwingen lassen. Viele Bands haben aus logistischen Gründen ihre Tourneen abgesagt. Unsere Shows wollen wir durchziehen. Auch aus dem Grund, weil wir keine dieser Strandkorb-Gigs gespielt haben, mit Ausnahme von einem, bei dem wir beschlossen haben, dass es nicht zu uns passt. Das ist kein Rock'n'Roll, denn da müssen die Leute vor uns stehen, dass man sich sieht und kommunizieren kann. Solange wir dies machen können, spielen wir. Geplant ist in den nächsten Jahren auch, ein Live-Album aufzunehmen. Das wünschen sich die Fans.
MF: Timmy, besten Dank für deine Zeit und das Interview, das sehr viel Spass gemacht hat.
Timmy: Immer wieder gerne, ich danke dir. Wenn du uns besuchen willst, gib Bescheid.