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"... leider gibt es ab und zu immer wieder unbequeme Entscheidungen, wenn man die Bandleaderin ist. Speziell, wenn du nicht der Leader sein willst und speziell, wenn du möchtest, dass sich alle in der Band wohl fühlen..."
Es wurde einmal mehr wieder viel über die Rochade bei Thundermother gesprochen. Gitarristin Filippa Nässil stellte kurzentschlossen und für viele überraschend die Stühle ihrer gesamten Band vor die Konzerthalle. Dadurch mussten sich Sängerin Guernica Mancini, Schlagzeugerin Emlee Johansson und Bassistin Mona Lindgren eine neue Band suchen (die sie nun zusammen gegründet haben – The Gems). Filippa holte derweil eine alte Bekannte zurück in die Truppe und hat meiner Meinung nach mit Majsan Lindberg die perfekte Bassistin reaktiviert, die nicht nur unglaublich druckvoll spielt, sondern auch eine verdammt geile Performance auf der Bühne abliefert. Am Schlagzeug sitzt die Honey Creek Lady Joan Massing, und am Mikrofon steht neu Linnéa Vikström. Eine Mischung, die es in sich hat und schon beim dritten, gemeinsamen Konzert im Z7 aufzeigte, welche Power und Durchschlagskraft in der Frauenband stecken. Dass hier das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Filippa und Majsan sassen mir vor dem Gig im Z7 gegenüber, gut gelaunt wie immer. Bevor wir jedoch kurz die Hintergründe für den Besetzungswechsel ergründeten, gingen wir ein bisschen weiter zurück in die Vergangenheit, als Thundermother die Support-Rolle für die Scorpions- und Whitesnake-Tour zugesprochen wurde und die Mädels Abend für Abend (noch in der alten Besetzung) für Furore sorgten. Auch wenn die von der damaligen Band angestrebte Weltherrschaft nicht erreicht wurde, war es ein Triumphzug. Und was das Erobern der Welt betrifft, davon hatte sich Filippa ja bereits im letzten Interview distanziert…, somit Vorhang auf und Bühne frei für Filippa und Majsan.
MF: Welche Erinnerungen hast du an die Gigs in den USA, zusammen mit den Scorpions und Whitesnake?
Filippa: Diese Konzerte waren unglaublich! Genauso wie die Scorpions, die uns sehr nett aufgenommen haben und uns immer das Gefühl gaben, ein Teil "ihrer Familie" zu sein. Das zeigt auch, wie bescheiden die Jungs sind, trotz des Erfolgs, den sie haben. Wir haben zusammen gegessen und Zeit miteinander verbracht. Wir hatten einen sehr engen Kontakt zu Mikkey Dee (Schlagzeuger der Scorpions, der ebenfalls aus Schweden stammt, wie die Mädels) – (lacht). Aber die Tour war in anderer Hinsicht sehr schwierig, was die Energie innerhalb von Thundermother betraf. Die Fans haben uns jeden Abend gefeiert, und seit der Amerika-Tournee habe ich viele neue Freunde gefunden. Wenn wir einen freien Tag hatten, haben wir die Zeit genutzt, um Chicago, Philadelphia, Seattle oder San Francisco zu erkunden.
MF: Wie war es für dich, in diesen grossen Arenen zu spielen?
Filippa: Ich habe zuvor noch nie solch grosse Dimensionen gesehen. Jetzt steht dieselbe Produktion hier in Europa (Thundermother spielen auch den Support für die Scorpions in Europa, aber leider nicht in der Schweiz) auf den Bühnen. Absolut fantastisches Licht, fünfzig Leute die sich um alles kümmern, damit die Show zu einem Erlebnis wird. Das ist richtig cool. Die Trucks fahren in die Hallen rein, vor und nach der Show, dort, wo während des Gigs die Fans stehen. Das ist völlig verrückt, wenn man sieht, wie gross und teuer der ganze Tross ist. Das ist für uns ein neues Ziel (lacht).
Majsan: Ich bin nun seit etwas mehr als einem Jahr wieder bei Thundermother. Es ist sehr viel in dieser Zeit passiert (grinst), heisst als ich dabei und weg war (lacht), aber es hat sich auch vieles für mich verändert. Es fühlt sich unglaublich an, und ich bin sehr, sehr glücklich, wieder dabei zu sein.
MF: Hat es sich abgezeichnet, dass du dich von den anderen Mädels trennen wirst? War dies schon ein Thema auf der US-Tour?
Filippa: Die ersten Anzeichen waren schon früher da. Die Kommunikation wurde schwieriger. Kannst du nicht miteinander sprechen, wird es sehr schwierig zusammen zu arbeiten (grinst). Wenn du auf Tour bist, verbringst du viel Zeit zusammen, solltest Spass haben und Dinge gemeinsam tun. Es ist Rock'n'Roll (grinst). Das Ende war schmerzlich, aber notwendig. Bedauerlicherweise..., leider gibt es ab und zu immer wieder unbequeme Entscheidungen, wenn man die Bandleaderin ist. Speziell, wenn du nicht der Leader sein willst und speziell, wenn du möchtest, dass sich alle in der Band wohl fühlen. Aber es entwickelte sich in eine falsche Richtung, leider.
MF: Wie fühlt es sich für dich an, wieder bei Thundermother zu sein?
Majsan: Es ist grossartig! Die Energie in der Band ist spürbar und beflügelt mich. Es ist gut, dass wir das Geschäft und das Vergnügen nicht miteinander vermischen. Wir verbringen unsere Freizeit gemeinsam, haben Spass und sprechen dabei nicht über das Business. Wenn wir ernsthaft und seriös sind, reden wir über unseren Job. Aktuell ist das die perfekte Vorgehensweise, speziell zwischen Filippa und mir.
MF: Wieso hast du damals die Band verlassen?
Majsan: Da gab es viele Gründe. Auch viele persönliche Themen, weil die damalige Energie mich ein bisschen herunter gezogen hat. Zudem hatte ich zu dieser Zeit einige persönliche Probleme. Zu jenem Zeitpunkt standen zu viele Hindernisse im Weg, aber vieles hat sich seither verändert (grinst).
MF: Wie einfach war es für dich, die anderen Musikerinnen zu finden?
Filippa: Ich hatte immer Kontakt mit Linnéa. Eigentlich sollte sie schon in vorherigen Line-ups singen, aber sie hat einen Rückzieher gemacht, bevor es so weit kam (lacht), um ehrlich zu sein (lacht). Ich habe sie erneut gefragt, und sie war der Meinung, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen sei. Ich liebe ihre Stimme, und sie ist wie eine verdammte Schwester (lacht). Wir haben keine Probleme zusammen, geniessen den gemeinsamen Spass, und Linnéa ist entspannt wie ein Typ. Sie besitzt eine wundervolle Persönlichkeit und zeigt sich auf der Bühne sehr professionell. Unsere Schlagzeugerin Joan schrieb mich hingegen an. Ich kannte ihre Band Honey Creek, und als ich die Truppe zum ersten Mal hörte, dachte ich, dass hier ein Mann Schlagzeug spielt (grinst). Ich hatte das Album zu Hause (lautes Lachen). Sie ist grossartig. Wir liessen sie einfliegen, probten zusammen und gaben ihr den Job. Sie ist fantastisch! Eine richtige Maschine.
MF: Ich werde es heute Abend sehen...
Filippa: ...das wirst du, Martin. Sie ist ein "fucking beast" (lacht). Es wird das erste Mal sein, dass du ein so verdammt geiles Drum-Solo einer Schlagzeugerin siehst. Sie wird alles wegblasen.
MF: Ist es heute schwieriger geworden, im gleichen Line-up länger zusammen zu bleiben?
Filippa: Leute wollen ihren eigenen Kram machen, was völlig okay ist. Solange es keinen Einfluss auf die Hauptband hat, sollte dies kein Problem sein. Es wird kritisch, wenn wegen einer solchen Geschichte Konzerte abgesagt werden müssen. Joan spielt in vielen unterschiedlichen Truppen, aber ich hoffe, sie wird Thundermother immer an erster Stelle sehen (lautes Lachen). Linnéa war unter anderem ein wichtiger Part bei At The Movies.
Majsan: Ich bin in einige Dinge mit meinem Freund involviert, wenn ich nicht mit Thundermother beschäftigt bin. Alles, was du neben deiner Hauptband machst, kann dich zu einer besseren Musikerin werden lassen. Das hilft allen...
Filippa: ...absolut. Ich möchte eine Soloplatte über meine Erfahrungen auf Tour in den USA veröffentlichen. Sie wird «American Diaries» heissen. Das ist aber ein reines Spassding. Wieso soll ich diese Ideen sterben lassen, wenn sie sich nicht wie Thundermother anhören? Es ist doch besser, sie aufzunehmen, und vielleicht mögen die Leute das? Das wird sich komplett anders anhören, denn es ist amerikanische Musik. Das kommt von mir und ist eine sehr persönliche Angelegenheit.
MF: Das hört sich sehr gut an, und dafür soll es auch Platz geben. Wie schwer ist es aber, dabei den Fokus auf das Wichtigste nicht zu verlieren?
Filippa: Ganz ehrlich, mein Fokus liegt immer auf Thundermother (lacht laut). Ich denke zuerst immer an Thundermother, und ich bin mir sicher, dass dies bei allen anderen in der Band genauso zutrifft...
Majsan: ...oh ja, definitiv! Thundermother ist die absolute Nummer eins. Wenn etwas anderes zeitlich in dein Leben passt, dann tu es...
Filippa: ..."exactly"! In deiner Freizeit (lacht laut).
Majsan (lacht laut): Da hast du recht.
MF: Seid ihr schon am Planen für ein neues Studio-Album?
Filippa: Ja! Wir schreiben gerade neue Musik auf Tour. Das macht richtig Spass. Viele Ideen fliegen uns zu (grinst, Majsan lacht). Das ist etwas völlig Neues, Lieder auf Tour zu komponieren. Das haben wir vorher noch nie gemacht. Wir versuchen, im Herbst aufzunehmen und dann zu veröffentlichen.
"...Vielleicht werden wir eine zweite Gitarre auf der Bühne haben, das ist eine sehr aufregende Idee..."
MF: Wie gross ist der Einfluss der neuen Musikerinnen? Kommen neue Ideen hoch?
Filippa: Ja, absolut! Persönlich schreibe ich wieder viel mehr. Dabei werde ich vom Drumming und dem Bass-Spiel her sehr beeinflusst, was völlig anders klingt als vorher. Joan ist eine Blues-Schlagzeugerin. Das ist verdammt cool! Dabei können wir einen anderen Weg einschlagen und sind näher bei der Musik, die ich liebe (grinst zufrieden). Darum bin ich auch sehr glücklich. Wir können ein bisschen mehr dahin gehen, wo wir her kommen. Es wird rauer (grinst).
Majsan: Genau, rauer und mehr Blues. Ich liebe es, diesen Blues Rock zu spielen…
Filippa: …ja, das lässt uns auf der Bühne auch mehr jammen. Linnéa ist eine sehr talentierte Musikerin. Sie spielt ein bisschen Gitarre und sehr gut Klavier. Vielleicht werden wir eine zweite Gitarre auf der Bühne haben, das ist eine sehr aufregende Idee.
MF: Dann können wir auch mit einer Piano-Ballade rechnen…
Filippa: …das klingt grossartig, und wir stellen dann gleich ein Klavier auf die Bühne, sodass wir selber keinen Platz mehr haben (alle lachen). Das müsste dann ein Fake-Klavier sein (lacht), also ein Keyboard (lautes Lachen).
MF: Was war bisher das Wichtigste in deinem Leben?
Filippa (überlegt lange). Musik…
Majsan: …ja, es ist die Musik. Denn wenn du sie liebst, wird sie dich auch lieben und dir die Möglichkeit geben, sie auf eine spezielle Weise zu geniessen. Darum muss es die Musik sein.
MF: Welches waren die schwierigsten Zeiten für euch?
Filippa: Die zwei Band-Splits waren sehr schmerzhaft. Aber die schwierigste Phase war, als sich meine Eltern trennten, das war eine sehr harte Zeit für mich.
Majsan: Als Corona kam, wurde für Musiker alles sehr schwierig. Das habe ich vorhin kurz erwähnt. Ich bin sehr glücklich, dass das nun vorbei ist. Persönlich..., wenn es Todesfälle oder schwere Krankheiten im eigenen Umfeld gibt. Mein Dad starb vor fünfzehn Jahren.
"...Viele Dinge in der Musik zu tun, auch wenn ich keine Ahnung habe, wo es enden wird..."
MF: Was war früher wichtig für euch, und was ist es heute? Klar, die Musik…
Filippa (lachend): ...ja, es ist die Musik. Heute kann ich von der Musik leben, und das war immer mein Ziel. Ich brauche aber nicht weltberühmt zu sein. Das wollte ich vielleicht noch, als ich jünger war (lacht), aber das interessiert mich nicht mehr (lacht mit einem zwinkernden Auge). Ich will rocken und Spass haben auf Tour, zusammen mit meinen Mädels.
Majsan: Sich frei zu fühlen und sich zu trauen, die nächsten Schritte zu gehen. Frei sein zu können und mit meinem eigenen Unternehmen zu starten. Viele Dinge in der Musik zu tun, auch wenn ich keine Ahnung habe, wo es enden wird. Einfach alles auszuprobieren und sich dabei frei zu fühlen, das ist heute für mich sehr wichtig. Was war es früher..., das muss etwas anderes gewesen sein (lautes Lachen).
MF: Konntet ihr alle eure Wünsche, Ziele und Erwartungen mit der Musik erfüllen?
Filippa: Ehm... Ja, konnte ich (grinst zufrieden) oder meinst du, ob ich das Gefühl habe (lacht). Ja sicher, aber ich habe immer noch Träume, zum Beispiel dass ich mein eigenes Studio besitze. Ich möchte jüngeren Bands bei den ersten Schritten helfen und sie produzieren.
MF: Somit planst du schon den nächsten Schritt nach Thundermother?
Filippa: Nein, das möchte ich zur gleichen Zeit machen und das Studio im Keller eines Hauses einrichten. Dort, wo ich auch Gäste einladen kann. Stell dir vor, wie geil das wird, mit dieser Band zu grillen. Sie haben ihre eigenen Räume zum Schlafen und die eigenen Toiletten.
Majsan: Ich denke, es braucht auch Träume, um nach vorne zu schauen. Ich fühle mich sicher erfüllt. Der Teil, den ich am meisten liebe, ist der auf der Bühne. Darum kann ich sagen, ja, ich fühle mich erfüllt.
MF: Filippa, stellt sich dann die Frage, seid ihr mehr eine Studio- oder eine Live-Band?
Filippa: Das ist gemein, Martin (lacht). Wir müssen ins Studio, aber wir lieben es, auf der Bühne Arsch zu treten. Wenn wir ins Studio gehen, sehen wir uns an und sagen: "Nein, nicht schon wieder ins Studio gehen!" (beide lachen). Wir wollen da gar nicht rein, und zudem ist es so verdammt teuer (lacht). Du hast diesen Druck, damit möglichst schnell fertig sein zu wollen.
Majsan: Ja, es ist ein anderer Druck, dem man ausgesetzt ist.
Filippa: Zudem weisst du, dass das, was du da ablieferst, für immer sein wird und du es nicht mehr ändern kannst.
MF: Ich habe euch zu danken für das wie immer interessante und lustige Interview...
Filippa: ...wir danken dir, Martin, es war eine gute Mischung aus Musik und Persönlichem.
Majsan: Ja, danke, das war richtig gut, pass auf dich auf und bis bald.
Filippa: Ja, wo auch immer, und wenn es am Flughafen von Kopenhagen ist (lautes Lachen).