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"...Ich denke, es ist gut, dass ich Mutter geworden bin..."
«Dirty & Divine» nennt sich das sechste Studio-Album der schwedischen Donner-Mamas und zeigt auf eindrückliche Weise, dass die Ladies – auch in der neuen Besetzung mit Filippa Nässil (Gitarre), Linnéa Vikström (Gesang), Majsan Lindberg (Bass) und Joan Massing (Drums) – auf dem direkten Weg sind, den arschtretenden Hard Rock mit viel Herzblut am Leben zu erhalten. Dies gelingt ihnen mit viel Spass und ein paar neuen Nuancen, die das Spektrum von Thundermother um packende Momente erweitern.
Nach den Turbulenzen mit der alten Besetzung und den "dirty" Kommentaren in den Sozialen Medien gibt die Gitarristin in Form von «Dirty & Divine» die perfekte Antwort darauf ab. Was am sechsten Album anders ist als früher, wie sich die seit ein paar Monaten als stolze Mama fühlende Gitarristin mit den neuen Bandmitgliedern versteht und warum es kürzlich zu ihrem Solo-Album kam, verrät uns eine bestens gelaunte Filippa im kommenden Interview, nachdem sie gerade einen Marathon davon hinter sich gebracht hat.
MF: Wie geht es dir?
Filippa: Oh, sehr gut, Martin! Ich bin sehr glücklich mit meiner Neugeborenen – sie stellt eine Bereicherung in meinem Leben dar!
MF: Was hat sich für dich durch sie in deinem Leben alles verändert?
Filippa: Aktuell gibt es sehr viel zu tun mit der Band, rund um das neue Album. Interviews, Videos, die gedreht werden müssen, Abklärungen hier und da, heisst da ist keine Ruhe angesagt (lacht). Es wird spannend, wenn ich meine Tochter mit auf Tour nehme. Ich lebe viel intensiver als früher und geniesse jeden Tag aufs Neue (grinst). Mehr als früher, seit ich mein Baby habe. Ich schaue nicht mehr so viel in die Zukunft, sondern geniesse, was im Hier und Jetzt passiert. Ich liebe es, Zeit mit ihr zu verbringen. Hättest du mich früher gefragt, wo ich gerade bin und auftrete, hätte ich keine Ahnung gehabt (lacht). Heute erinnere ich mich an jeden Auftritt und geniesse die Zeit. Ich denke, es ist gut, dass ich Mutter geworden bin (lacht).
MF: Kommen wir zur anderen Mutter, nämlich zu Thundermother. Wie empfindest du das heutige Bandgefühl im Vergleich zu früher?
Filippa: Es gibt keine Konflikte mehr in der Truppe, und das fühlt sich sehr gut an (lacht). Wir sprechen mehr miteinander, und das ist eine weitere positive Sache. Wir können zusammen lachen und Witze machen. Majsan ist zurück, und das ist fantastisch. Ich habe sie sehr vermisst, als sie uns 2021 verlassen hat. Linnéa ist eine Freundin von mir. In der Vergangenheit haben wir schon zusammengearbeitet. Ich komponiere oft für andere Bands, wie Girlschool, und Linnéa war die erste, die in meinem Studio auf meine Demos gesungen hat.
Ich weiss, dass sie eine unglaubliche Stimme hat. Sie kann alles singen, von Tina Turner bis ABBA. Sie bei Thundermother zu haben, fühlt sich grossartig an. Insbesondere, weil sie auch meine Freundin ist, ebenso wie Majsan. Joan ist ein Biest am Schlagzeug, und das ist auch der Grund, warum wir alles live aufgenommen haben. Die Rhythmus-Sektion von Thundermother hat allen mächtig in den Hintern getreten. Bevor wir ins Studio gingen, waren wir lange zusammen auf Tour. Das hat vieles vereinfacht, weil wir uns alle besser kennengelernt haben. So fügte sich eines zum anderen.
MF: Das hört sich nach viel Spass an, oder?
Filippa (lachend): Martin, ja, das ist es wirklich, im Vergleich zu früher.
"...Wir haben komplett anders komponiert, als wir es jemals gemacht haben..."
MF: Wie hat sich das Songwriting mit Linnéa, Majsan und Joan verändert?
Filippa: Wir haben komplett anders komponiert, als wir es jemals zuvor gemacht haben. Wir mussten uns neu aufstellen, da wir früher oft mit externen Songschreibern zusammengearbeitet haben. «Dirty & Divine» war ein bedeutend grösserer Spass-Prozess. Wir setzten die Messlatte sehr hoch, als wir «I Left My License In The Future» sehr früh als Video veröffentlichten. Linnéa schrieb den Song, und ich liebte ihn von der ersten Sekunde an.
Ich wollte den Track als erste Single veröffentlichen, damit wir mehr Zeit hatten, das Album in unserem eigenen Tempo zu komponieren. Ich bat unser Label AFM, uns keine Deadline zu setzen. Sie sind eine grossartige Plattenfirma und meinten: "Klar, macht es, wie ihr euch inspirieren könnt." So konnten wir schreiben, wann uns die Inspiration küsste (grinst). Das war eine grosse Veränderung für uns. Das hat sich ausgezahlt, denn wir veröffentlichen nun wirklich zehn Killer-Tracks..., oder Hits (lacht).
MF: Definitiv! Mit jedem Album habt ihr den nächsten Schritt nach oben gemacht…
Filippa: …Martin, herzlichen Dank (grinst zufrieden)…
MF: …und der neueste Streich ist in meinen Augen das beste Album, das ihr jemals veröffentlicht habt.
Filippa: Ohhh! Das macht mich sehr glücklich, wenn ich das höre. Du kennst mich wie die Band und weisst, dass es ein paar harte Jahre gab, in denen vieles übers Internet ausgetragen wurde (lacht). Wenn ich dieses Kompliment höre, bestärkt mich das darin, den richtigen Weg gegangen zu sein. Wir haben wirklich hart an «Dirty & Divine» gearbeitet, und trotzdem hat sich alles sehr leicht angefühlt. Es war keine Arbeit, sondern purer Spass.
MF: Ihr habt ein traditionelles Thundermother-Album veröffentlicht, und trotzdem gibt es neue Nuancen mit «Feeling Alright» oder dem Chorus in «Speaking Of The Devil».
"In meinem Kopf waren diese dunklen Vibes, und daraus wurde ein völliger positiver Song"
Filippa: Da stimme ich dir völlig zu! Ich schrieb diese Tracks zusammen mit Linnéa, und sie hat dieses Achtziger-Gespür in die Lieder eingebracht (lachend). Weisst du, dieses Melodische, das Besondere an ihrem Songwriting und ihre Persönlichkeit. Man hört aus den Songs heraus, was sie mag und wie sie diese Zeit verkörpert. Wie bei «Speaking Of The Devil»: Diese Elemente kombiniert mit meiner Art, wie ich die Tracks für Thundermother schreibe und den Oldschool-Riffs.
Ich mag diesen Song sehr, auch wenn er sich von den anderen abhebt und sehr unterschiedlich klingt. Bei «Feeling Alright» war es dasselbe. Ich schickte Linnéa das Riff zu, und für sie klang das nach einem Hit-Riff (lacht). Sie spazierte mit ihrem Hund und dachte sich diesen positiven Text aus. "Scheisse meine Liebe, du hast den ganzen Vibe des Songs verändert", dachte ich mir (lachend). Darauf war ich nicht vorbereitet und hatte etwas völlig anderes erwartet (lacht). In meinem Kopf waren diese dunklen Vibes, und daraus wurde ein total positiver Song. Wir haben vieles aufgefrischt (lacht).
MF: Gibt es trotzdem ein Lied, das dir mehr am Herzen liegt als die anderen?
Filippa: Gut…, ich mag sie alle sehr, aber bei «Dead Or Alive» gibt es etwas, das mich besonders anspricht. Das Video und der Track sind D.A.D. pur (lacht). Ich liebe die Band, und sie haben immer diesen speziellen Humor, den ich so sehr mag. Jesper Binzer (Sänger und Gitarrist bei D.A.D) ist ein jahrelanger Freund, aber mein absoluter Lieblings-Song ist «I Left My License In The Future». Linnéa hat da einen grossartigen Track komponiert.
MF: Ich erinnere mich noch, wie ich euch zum ersten Mal auf der Bühne gesehen habe, und damals wart ihr der Support-Act von D.A.D.
Filippa: Oh mein Gott, das ist lange her (lacht). Weisst du, jede Show der Jungs ist grossartig. Es ist die beste Band, die ich jemals auf einer Bühne gesehen habe. Auf der Tour habe ich mir jede Show von ihnen angeschaut. Ich denke, dass sie die beste Liveband der Welt sind…
MF: …logischerweise…, neben Thundermother…
Filippa: …oh (grinst), okay, wir sind auf dem zweiten Platz (lautes Lachen). Aber ernsthaft, Laust ist ein richtiger Spinner an den Drums, Stig noch verrückter am Bass, und die beiden Binzer-Brüder…, es sind einfach grossartige Jungs!
MF: Kommen wir zu «Dirty & Divine» zurück. Waren diese Songs nur in dieser Besetzung möglich? Das Album besteht aus purer Energie, viel Spass und Glückseligkeit.
Filippa: Ja, das war nur in diesem Line-up möglich. Ich würde Thundermother nicht in Millionen Jahren verlassen. Ich bin Thundermother seit dem Start. Diese Mädels haben die Band auf das nächste Level angehoben. Sie üben viel mehr, wir kennen uns viel besser, auch musikalisch, und können dadurch viel spontaner zusammenarbeiten und spielen. So muss nichts mehr erzwungen werden. Am Ende fühle ich mich viel glücklicher in meinem Leben, auch mit der Musik. Alles ist jetzt viel mehr von diesen Spassfaktor umgeben. Versteh mich nicht falsch, ohne die vorherigen Line-ups wäre ich niemand gewesen, und darum besten Dank für alles, was sie getan haben. Wirklich, ohne sie wäre ich mit der Band und der Musik nirgendwo. Ich bin dankbar für alles.
"...Ich brauche den Rock'n'Roll in meinem Leben..."
MF: In einem der ersten Interviews, das wir zusammen geführt hatten, haben deine damaligen Band-Mates gesagt, dass sie die Weltherrschaft anstreben. Das war und wird nie dein Ziel sein?
Filippa (lachend): Das war nie meine Sichtweise, und ich bin an solchen Gedanken und Zielen nicht interessiert. Die beste Band und die schönste Person zu sein – das sind nicht meine Ziele. Spass und ein erfülltes Leben zu haben, sind mir bedeutend wichtiger. Mein Ziel ist es, den Rock'n'Roll Lifestyle auf der Bühne den Leuten vor der Bühne zu geben, solange ich es kann. Aber auch eine fürsorgliche Mutter zu sein. Für mich wurde ein Traum wahr, und ich bin glücklich, dass ich einen sehr grossen Support um mich herum habe. Das neue Ziel ist es, diese beiden Welten zu verbinden: die Familie und dieses Rock'n'Roll Leben. Ich kann nicht ohne beides sein. Ich brauche den Rock'n'Roll in meinem Leben. Ich könnte ohne ihn nicht leben, denn ich fühle mich auf der Bühne sehr glücklich. Ich brauche es, diese Person zu sein (grinst), denn ich könnte nicht die ganze Zeit nur zu Hause sitzen (lacht).
MF: Wurden deine Ziele nicht immer von deinen Bandmitgliedern verstanden und unterstützt?
Filipp: Nicht wirklich verstanden, da hast du recht, Martin. Sie waren immer in diesem "grösser, breiter, höher, fetter und besser" Modus. Damit war ich nicht einverstanden, und es war oft einfacher, einfach "Ja" zu sagen (grinst), um die Bandchemie zu verbessern. Egal, was ich tat, es half nichts. Ich habe immer versucht mein Bestes zu geben, um alles zusammenzuhalten und freundlich zu bleiben. Aber es spielte keine Rolle, was schliesslich dazu führte, dass ich tat, was ich tun musste. Es war notwendig, weil wir zusammen keine Musik mehr schreiben konnten.
MF: Wie schwer war es, mit den Egos der anderen und dem eigenen umzugehen?
Filippa: Ich habe versucht, eine Balance mit meinem Ego zu finden, versucht, auf andere zu hören und sie zu respektieren. Aber immer, wenn ich das tat, endete es im Chaos, weil ich bemerkte, dass ich nicht meinem eigenen Weg folgte (grinst). Es war nicht mein Fehler, die anderen zu respektieren und ihnen zuzuhören, aber nicht gehört zu werden und keinen Respekt zurück zu bekommen. Ich bemerkte auch, dass andere Leute mit den Egos der anderen Musikerinnen Probleme hatten (lacht). Mehr muss ich dazu nicht sagen (lachend).
"...Wieso sollten sich Thundermother mit meiner Solo-Musik konkurrenzieren?..."
MF: Wie wichtig war dein Solo-Album für dich?
Filippa: Das war sehr wichtig für mich. Als ich im Tourbus in Nordamerika sass, musste ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Es gab viele Tage, an denen ich zum Warten verurteilt war, bis die nächste Show anstand. Die Scorpions spielten nur jeden vierten Tag, daher fühlte es sich ein bisschen einsam an. Trotzdem war es eine sehr interessante Zeit für mich, weil ich die amerikanische Kultur und das Essen liebe. Ich tat das Beste, was ich tun konnte, ging in die Städte und lernte viele Leute kennen. Oft war ich mit Mikkey Dee (dem Schlagzeuger der Scorpions) unterwegs. Wir besuchten Karaoke-Bars, hingen zusammen ab und wurden Freunde. Ich schrieb Songs, weil ich über drei Monate von zu Hause weg war, und entschied, ein Solo-Album zu veröffentlichen. Die Lieder unterscheiden sich aber komplett von dem, was ich sonst mit Thundermother mache. Sie besitzen mehr diesen amerikanischen Folk-Sound. Würde ich einen Rock-Song komponieren, käme ein Thundermother Track dabei heraus (grinst).
MF: Das Album war eine grosse Überraschung für mich. Du hast in meinen Augen immer diesen Kick-Ass-Sound verkörpert. Als ich mir «American Diaries» anhörte, dachte ich: "Oh mein Gott, das klingt verdammt gut, ist aber komplett etwas anderes geworden!". Was man aber eigentlich auch von einem Solo-Album erwarten sollte. Ich hatte auch das Gefühl, dass die Lieder tief aus dem Herzen kamen.
Filippa: Martin, das taten sie auch. Darum habe ich die Lieder in englischer und schwedischer Sprache aufgenommen, weil Schwedisch meinem Herzen noch näher liegt. Aber es macht mich sehr glücklich, dass dir das Album gefällt, Martin. Das bedeutet mir sehr viel! Ich habe hart an den Songs gearbeitet, während ich auf Tour war. Ich sagte, dass ich eine Kick-Ass-Rockerin bin, aber ich habe nicht versucht, diese Art der Rockmusik in den Thundermother Stil umzuwandeln. Warum sollten sich Thundermother mit meiner Solo-Musik konkurrenzieren? Das würde keinen Sinn machen, und diesen unnötigen Konflikt wollte ich vermeiden. Darum war es mir wichtig, etwas komplett anderes zu veröffentlichen.
MF: Wie schwer war es für dich, in diesen beiden Welten zu leben? Abends auf der Bühne mit Thundermother zu stehen und tagsüber an deinen Solo-Songs zu arbeiten?
Filippa: Das war relativ einfach, weil wir als Vorband der Scorpions gerade mal eine halbe Stunde auf der Bühne standen. Das ging ziemlich zackig – und schon war es jeweils wieder vorbei (lacht). Danach begann das Warten. In diesen dreissig Minuten war ich stets wie eine verdammte Maschine (lacht). Da diese Solo-Nummern tief aus meinem Herzen kamen, musste ich nicht lange über sie nachdenken.
MF: In den Achtzigern war es immer das grosse Ziel für Bands, in den Staaten aufzutreten. Ist das heute immer noch so?
Filippa: Absolut! Es war auch für mich immer ein Traum, in den USA aufzutreten. Aktuell existiert Hard Rock in den Staaten aber kaum noch. Ich habe mit vielen Magazinen gesprochen, die aus den USA kommen. Sie sehen das genauso wie ich. Dort gibt es nur Popmusik ohne Gitarren-Soli (lacht). Das ist der Grund, warum alle Bands in Europa spielen. Deutschland ist immer noch ein gutes Pflaster für Rock-Musik, genauso wie die Schweiz. Ohne solche Länder hätte ich nicht die Möglichkeit, mit Thundermother zu tun, was ich tue. Hier ist es einfach viel besser (lacht).
MF: Wenn du auf die letzten fünfzehn Jahre zurückblickst, was war für dich die grösste Erfahrung, die du mit Thundermother je gemacht hast?
Filippa: Da bin ich zu sehr in der Band drin, um das beantworten zu können (lacht). Es war ein fantastischer Ritt, aber auch ein sehr harter, bei dem es immer wieder auf und ab ging. Mit all den Line-up Wechseln und dem Versuch, sowohl die Leaderin als auch die Freundin zu sein, war es nicht einfach. Ich habe viel gelernt und bin nun mit der aktuellen Besetzung sehr glücklich, weil ich mit Freundinnen zusammen musizieren kann. So hätte es eigentlich von Anfang an sein sollen, denn Freundinnen in der Band zu haben, macht vieles viel einfacher.
MF: Herzlichen Dank für das wie immer sehr ehrliche Interview. Ich freue mich dich auf Tour zu sehen und wünsche dir alles Gute mit deiner Familie und der Band.
Filippa: Ich danke dir und freue mich, dich wieder im Z7 zu sehen.
MF: Dann geniess jetzt deine Tochter...
Filippa: ...das werde ich tun, Martin, sofort (lacht). Danke für alles und bis bald (lachend).