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"...Die Tour mit Rose Tattoo musste in der Hälfte abgebrochen werden, und das war eine Schande. Doch zwei Monate später waren wir schon wieder "back on the road..."
Die Ladys aus Schweden sind unermüdlich. Während andere, männliche Truppen sich dem Virus beugen, spielen Bandleaderin und Gitarristin Filippa Nässil, Sängerin Guernica Mancini, Schlagzeugerin Emlee Jonhansson und Neubassistin Mona "The Demon" Demona zu jedem nur erdenklichen Zeitpunkt. Selbst wenn sie dazu ein umgebautes Feuerwehrauto benötigen. Das letzte Studio-Album «Heat Heat» wurde im Juli 2020 veröffentlicht und im Mai 2021 nochmals als schicke "Deluxe Edition" nachgereicht. Filippa stellte sich den Fragen, denn es gibt einiges zu berichten aus dem Hause der Donnermütter. Unter anderem auch, ob die Rockerinnen nun die Weltherrschaft endlich an sich reissen konnten!? Schliesslich war dies beim letzten Interview ihr erklärtes Ziel.
MF: Filippa, beim letzten Interview hast du mir gesagt, dass euer Ziel die Weltherrschaft sei. Hat es geklappt?
Filippa: Ohh, habe ich das wirklich gesagt (lautes Lachen)? Die Deutschlandherrschaft haben wir übernommen (lautes Lachen), ein kleiner Schritt, die anderen werden noch folgen (lautes Lachen), aber wir arbeiten daran. Wir haben einen Vertrag mit CAA in Amerika unterschrieben. Darum hoffen wir, dass uns nächstes Jahr die Möglichkeit gegeben wird, in den Staaten zu spielen, und somit kommen wir unserem Ziel einen Schritt näher (lacht). Es ist angedacht, dass wir als Support für eine grössere Truppe auftreten sollen. Drück uns die Daumen (grinst)!
MF: Das Virus hat euch demnach kaum ausgebremst?
Filippa: Nicht wirklich (grinst). Wir sind Thundermother "and fight for Rock'n'Roll"! Klar, zuerst wurden auch wir ein bisschen aus der Bahn geworfen. Die Tour mit Rose Tattoo musste in der Hälfte abgebrochen werden, und das war eine Schande. Doch zwei Monate später waren wir schon wieder "back on the road"! Wir spielten unsere eigenen "Corona-Shows" im urtypischen Thundermother Stil. Wir buchten dieses Feuerwehrauto und bauten es zu einer fahrbaren Bühne um, welche auf dem Dach des Fahrzeuges war. So konnten wir immer draussen für unsere Fans spielen. Oft für knapp 50 Leute (da nicht mehr zugelassen waren), dafür zwei Shows pro Tag. Das war eine harte Doppelarbeit. Es fühlte sich jedoch sehr gut an, wieder für mehr Fans spielen zu können. Weisst du, wir vermissen die Energie der Fans. Da wir aber immer aufgetreten sind, spielen wir sehr tight. Wir danken Gott, so sind wir nicht eingerostet (lacht).
MF: War es für euch ein richtiges "now or never" in den letzten nun schon fast zwei Jahren?
Filippa: Da hast du absolut recht, wenn ich an die beiden letzten Jahre zurück denke. Als Corona kam, planten wir Auftritte an den ganz grossen Festivals. Manchmal muss man sich der aktuellen Situation stellen, um seine Leidenschaft mit ausgefallenen Ideen am Leben zu erhalten. Es hatte auch sein Gutes, nur noch vor sehr wenigen Fans spielen zu können. Zudem haben wir «Heat Wave» nochmals releast, auch weil sich viele Bands völlig zurückgezogen hatten und nichts Neues von ihnen veröffentlicht wurde. Aber wir wollten den Leuten auf unserer Tour etwas anbieten, das sie noch nicht von uns kaufen konnten. Zudem wollten wir ihnen eine Zeit voller Spass bieten, denn genau in diesen Zeiten ist es wichtiger denn je. Sehr viele Leute sind sehr dankbar, wenn weiterhin Musik zu hören ist, um diese Corona-Zeit zu bekämpfen (lacht).
MF: Wieso hat ihr «Heat Wave» nochmals veröffentlicht?
Filippa: Weil wir zu diesem Album nicht touren konnten. Wir wollten den Leuten zeigen "das ist ein geiles Album, ihr müsst es euch unbedingt anhören!" (lacht). Wir betraten nochmals das Studio und haben für diese Doppel-CD zehn weitere Lieder aufgenommen. Wir lieben das Material noch immer und sich mächtig stolz darauf. "The girls still kick ass!" (lautes Lachen). Ich denke «Heat Wave» hat sich rein von der Produktion nochmals steigern können. Speziell im Vergleich zu den beiden ersten Scheiben, die ich produzierte (lautes Lachen). Aber ich denke, dass auch diese beiden noch immer gut klingen (grinst). Jetzt haben wir wirklich einen professionellen Produzenten hinzu gezogen (lautes Lachen). Glaub' mir, es wird aber nicht einfacher neues Material zu komponieren. Die Musik ist meine zweite Sprache. Es war vielleicht einfacher, weil wir besser zusammen arbeiten und ich von den anderen viel lernen konnte. Aber der Anspruch steigt, an mich selber und derjenige von den Fans (lacht).
MF: Magst du es lieber alleine zu schreiben oder zusammen mit deinen anderen Bandmitgliedern?
Filippa: Oh, eine sehr gute Frage…, ich denke…, ich liebe beides. Jeder, der eine gleiche Vision oder Denkensweise hat, kann hilfreich sein. Oftmals sind es die einfachen Dinge, welche einen Song ausmachen. Das kann ein Riff oder ein Refrain sein. Es kann sehr interessant sein zu sehen, wie andere Impulse einen Track positiv verändern können.
MF: Wieso hat Majsan (Lindberg) die Band verlassen?
Filippa: Ich habe mich nicht auf diese Frage vorbereitet (lautes Lachen). Ich habe die Antwort komplett vergessen (lautes Lachen)! Wir sind dermassen glücklich in der neuen Besetzung (grinst zufrieden). Sie wollte studieren, und somit verloren wir sie. Wir brauchen eine jedoch Bassistin, die auf die gleiche Art und Weise verrückt ist wie wir. Wir sind noch immer Freundinnen und wünschen ihr alles Gute für die Zukunft.
MF: Wie seid ihr auf Mona gestossen?
Filippa: Emlee war mit Mona in einer anderen Band. Dort haben sie seit fünfzehn Jahren zusammen gespielt. Mona ist eigentlich eine Gitarristin, kaufte sich jedoch einen Bass und fand sofort Spass an diesem Instrument. "Der ist völlig einfach zu spielen", berichtete sie uns (lachend). Mona spielt sehr tight, und zusammen mit Emlee klingt das verdammt druckvoll. Ich bin mir sicher, das hört man an unseren Shows.
MF: Wie schwer ist es Musikerinnen zu finden, welche die gleiche Leidenschaft und die gleichen Visionen teilen wie du?
Filippa: Sehr schwierig! Darum bin ich so dankbar, dass sich mir damals Emlee angeschlossen hat. Ich war noch nie mit einer anderen Musikerin so lange in einer Band, wie mit ihr. Es ist einfach und leicht die Truppe am Leben zu erhalten, wenn alle in die gleiche Richtung gehen wollen. Ich habe keine Dramas mehr (grinst).
MF: Was hat sich seit dem ersten Line-up der ersten beiden Scheiben verändert, hin zur aktuellen Bandbesetzung?
Filippa: Ein normales Leben (grinst). Es ist viel einfacher, unkomplizierter, und alles hat sich zu einer sehr angenehmen Situation gewandelt. Auf Tour kann ich es mehr geniessen als früher. Auch musikalisch sind wir auf einem anderen Level. Man muss sich voll und ganz der Musik widmen, das ist alles und das Wichtigste. Ich bin sehr glücklich, ein tolles Team um mich herum zu haben. Es fühlt sich wie eine Familie an. Jeder fühlt sich akzeptiert und wahr genommen.
"...Die Gesundheit hat einen anderen Status erhalten und ist wichtiger geworden als Musik zu spielen..."
MF: Wie schwer war die Zeit für dich, als Guernica mit dem Krebs zu kämpfen hatte?
Filippa (sehr nachdenklich): Sie hatte zum zweiten Mal damit zu kämpfen. Unsere Herzen waren logischerweise gebrochen. Das ist eine sehr emotionale Geschichte, wenn du mit jemandem arbeitest, lebst und diesen Menschen liebst. Wir waren schockiert, dass der Krebs nochmals ausbrach. Wichtig ist, dass nun alles ausgestanden ist und es ihr bestens geht. Unsere Freundschaft war sehr wichtig in dieser Zeit. Jeder hat jeden zu 100 % unterstützt. Die Gesundheit hat einen anderen Status erhalten und ist wichtiger geworden als Musik zu spielen. Immer, denn auf der anderen Seite gibt es keine Musik mehr (lacht). Niemand weiss besser, dass die Gesundheit und glücklich sein die wichtigsten Dinge sind. Speziell wenn du mit einer solchen Krankheit konfrontiert wirst, hast du Zeit um nachzudenken und dir über einiges klar zu werden. Guernica wusste, dass sie zum zweiten Mal einen Knoten neben dem Ohr hatte. Wir wussten es, gingen damit aber nicht an die Öffentlichkeit. Es wäre schwer gewesen auf die Bühne zu gehen und vorzugeben, dass alles bestens sein. Darum schoben wir eine kleine Pause ein. Dieser Kampf musste beendet werden. Alles dauerte knapp einen Monat, aber zum Glück ist jetzt alles wieder in bester Ordnung.
MF: Hat dies deine Einstellung zum Leben verändert?
Filippa (überlegt): Oh, eine sehr tiefgründige Frage (lacht). Nicht wirklich, denn ich lebe nach wie vor das Leben, wie ich es will, zusammen mit Thundermother. Die Band ist alles was ich will und auch zukünftig tun will. Aber es hat mich daran erinnert, wie glücklich wir sein können (lacht). Das Schöne ist, dass wir in Guernicas Augen wieder dieses Feuer sehen und wissen, sie ist zurück (grinst zufrieden)!
MF: «We Fight For Rock'n'Roll» ist nicht bloss ein Lied von euch, sondern eure Lebenseinstellung?
Filippa: Absolut!!! Wir alle kämpfen für den Rock'n'Roll! Es ist eine harte Reise, diesen Traum am Leben zu erhalten. Die Leute wollen nur diese Scheissmusik im Radio hören (lautes Lachen). Sie wollen keine Gitarren hören, aber diese verdammten Drum-Maschinen, statt ein normales Schlagzeug. Wir kämpfen auch für das Analoge und den reellen coolen Marshall-Sound. Den normalen Gesang, der nicht x-fach reproduziert wurde durch einen Computer (lacht). Wir kämpfen für die traditionelle Art Musik zu machen.
MF: Bist du lieber im Studio oder auf der Bühne…?
Filippa (wie aus der Pistole geschossen): …zu 100 % auf der Bühne (lautes Lachen)! Ich bin froh, wenn die Lieder fertig aufgenommen sind und ich mir anhören kann, was wir Neues kreiert haben. Es ist schwierig ohne Publikum ein Feeling für die Songs zu kriegen. Man nimmt sie immer wieder auf und trägt einen Kopfhörer, ohne jegliche Reaktionen. Ich habe ein Gefühl für eine Track entwickelt, wenn ich dabei schwitzen, ausflippen und schreien kann.
MF: Ich sah euch ein paar Mal, und es kam immer eine ungeheure Energie von der Bühne. Ihr war echt und es war nicht gespielt…
Filippa: …alles muss Energie sein (grinst). Wir tragen noch immer sehr viel Energie in uns, und ich hoffe die Fans spüren dies immer wieder, wenn sie uns sehen. Ich bin verdammt nervös, da ich seit einem Monat nicht mehr aufgetreten bin (lautes Lachen) und es die erste Show ist, seit dem Sieg gegen den Krebs.
MF: Welches war die erfolgreichste Zeit für dich?
Filippa: Als ich meine Job hinschmiss und mich nur noch auf Thundermother konzentrierte. Das war ein Erfolg (lautes Lachen) oder meine Hoffnung. Es war eine sehr harte Entscheidung. Extrem hart und ein Spiel mit dem Feuer, um meine Rechnungen bezahlen zu können. Du musst an die Musik glauben und dir sehr sicher sein, auf was du dich einlassen wirst. Nur dann kannst du dich und dein Leben beschützen. Du musst wissen, dass es bessere und schlechtere Tage geben wird und sich alles plötzlich komplett verändern kann. Du musst dir bewusst sein, was du willst, und dies jeden Tag. Ich habe meine Eltern nie um Unterstützung gebeten, sondern habe mich immer selber unterstützt (grinst). Damals war ich sechzehn Jahre jung (grinst). Sie sind aber sehr stolz auf mich, weil sie sehen, dass ich den "oldschool" Weg gehe, um meine Karriere voran zu treiben. Die Musik nicht nur als Job sehen, sondern als Hingabe daran. Sie haben akzeptiert, dass ich abends um elf Uhr noch am Arbeiten bin, während andere dann schon schlafen (lacht). Sie sind sehr stolz auf mich (grinst zufrieden).
MF: Welches waren die schwersten Zeiten für dich?
Filippa: Das frühere Line-up, sprich wenn gewisse Leute andere nicht zu 100 % unterstützen. Speziell bei den Frauen ist dies sehr wichtig. Ich habe dies nie zuvor in einem anderen Interview gesagt (grinst), da ich hierauf nicht vorbereitet war (lacht). Ich bin nicht perfekt, auch wenn ich älter und weiser werde (grinst). Ich lernte, nicht immer alles alleine zu machen, sondern mich auf andere Leute verlassen zu können. Es war eine tolle Erfahrung.
MF: Was sind deine Ziele für die Zukunft?
Filippa: Wenn du die anderen Mädels fragst, werden sie dir was von der Weltherrschaft erzählen (lautes Lachen). Ich möchte gerne in Amerika touren. Ich liebe jeden Tag und den Moment. Ich bin glücklich und dankbar, dass ich noch immer diese Musik spielen kann. Wir haben in Indien gespielt, aber Japan wäre auch eine schöne Erfahrung. Das wäre auch ein tolles Ziel, im asiatischen Bereich Fuss zu fassen. Wir würden zu allen Orten reisen, um dort auftreten zu können. Es ist doch toll die ganze Welt zu sehen, ohne dafür bezahlen zu müssen (lautes Lachen). Das ist wirklich ein Segen, auch wenn es in einem beschissen Motel-Zimmer in Alabama sein sollte (lacht).
MF: Danke dir für die Zeit, und hoffen wir, dass ihr die Weltherrschaft irgendwann an euch reissen werdet und alles Gute für die Zukunft…
Filippa: …ich danke dir, es hat Spass gemacht.