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"...das hat sich so ergeben, auch wenn es durch eine traurige Geschichte zustande kam..."
Udo Dirkschneider und seine Truppe sind eine Konstante, auf die man sich verlassen kann. Auch mit dem neuesten Streich «Touchdown» überzeugt der Deutsche auf der ganzen Linie und führt mit «Betrayer» einen schon fast thrash-artigen Track in den eigenen Reihen. Dies ist auch dank seiner Truppe der Fall, die mit seinem Sohn Sven (Drums), Fabian Dammers (Gitarre), Andrey Smirnov (Gitarre) und einem alten Bekannten am Bass, nämlich Peter Baltes, einen ungeheuren Druck erzeugt und den Metal sehr facettenreich aufleben lässt. Dass Peter zu U.D.O. gestossen ist, kommt einer kleinen Sensation gleich. Schliesslich war der Bassist lange Zeit bei Accept tätig (bei denen Udo als Original-Sänger für Aufsehen sorgte), und die beiden Bands waren sich eher spinnefeind als gut gesinnt.
Doch die beiden haben sich seit der letzten Tournee wieder gefunden, als Tilen Hudrap an den vier dicken Saiten durch Peter ersetzt wurde. Hudrap hatte aus "gesundheitlichen Gründen" seinen Dienst bei U.D.O. und Dirkschneider quittieren müssen. Es fügte sich zusammen, was zusammen gehört, und wer sich in letzter Zeit eine Show beider Bands ansah, weiss, wie grinsend die beiden ehemaligen Accept-Recken nebeneinander auf der Bühne standen. Wie es überhaupt dazu kam, respektive sich dies für Udo und Peter anfühlt, gaben die Musiker gleich zu Beginn des Interviews, das ich am "Rock The Lake Festival" in Vallamand (VD) geführt habe, zu Protokoll. Dies mit viel Spass in den Backen…
MF: Wie fühlt es sich für euch an, wieder gemeinsam auf der Bühne zu stehen und ein neues Album zu veröffentlichen?
Udo: Schlimm (lacht)…
Peter: …aber so was von (lacht)!
MF: Aber Hauptsache, die Bezahlung stimmt?
Peter: Ich werde nicht bezahlt, das mache ich alles für lau (lachend).
Udo: Nein, das Ganze macht sehr viel Spass. Es war so nicht geplant und hat sich im Endeffekt ergeben. Für mich passt das alles bestens.
Peter: Das stimmt, es passt wunderbar (grinst). Es ist sehr authentisch, das war ich von meiner vorherigen Zeit bei Accept nicht mehr gewohnt. Wenn ich neben Udo stehe und wir ein Dirkschneider-Set mit Accept-Songs spielen, fühlt sich das wirklich wie früher an. Deine Stimme, alleine mit den U.D.O.-Songs..., die Lieder sind klasse, ich wusste gar nicht, wie viele Alben du schon veröffentlicht hast und wie grossartiges Material dabei ist. Das habe ich mir vorher nie angehört. Ich bin überrascht, wie ausgesprochen gut die Tracks sind, und das muss ich jetzt alles lernen (grinst).
MF: Peter, du hast mir im letzten Interview verraten, dass du dich bei Accept nicht mehr als Mitglied, sondern als angemieteter Musiker gefühlt hast. Wie sieht das jetzt bei U.D.O. aus?
Peter: Das genaue Gegenteil! Bei U.D.O. ist alles sehr respektvoll, das fühlt sich sehr gut an. Ich spiele mit grossartigen Musikern zusammen, die aus verschiedenen Stilen kommen. Wir haben Riesenspass und kommen super miteinander klar. Wir bereisen die Welt, und es ist schön. So muss es sein (grinst zufrieden)...
Udo: ...ich werfe jetzt mal ein, dass es hier kein Ego-Problem gibt (lacht)...
Peter: ...das ist eine wichtige Frage. Ego ist Ego, und man kann solche Menschen nicht ändern. Für mich persönlich war es die richtige Entscheidung, bei Udo einzusteigen.
MF: Hättet ihr euch je träumen lassen, wieder zusammen in einer Band zu spielen? Denn in den letzten Jahren gab es immer wieder Sticheleien zwischen U.D.O. und Accept.
Udo: Wie gesagt, das hat sich so ergeben, auch wenn es durch eine traurige Geschichte zustande kam. Weil sich Tilen gegen die Band entschieden hat, warum auch immer? Das weiss bis heute keiner. Peter wollte nur aushelfen. Dann stellte sich die Frage nach einem neuen Bassisten.
Peter: Dann haben die mir so viel Geld geboten (beide lachen)! Aber alles in Schweizer Franken!
MF: Habt ihr für das neue Album «Touchdown» bereits gemeinsam Songs geschrieben?
Udo: Nein! Peter hat den Bass eingespielt, und dabei liessen wir ihm alle Freiheiten. Er hat einen sehr eigenen Stil, und dieser hat dem neuen Werk einen zusätzlichen Push verliehen. Auf das nächste Werk freuen wir uns alle schon, denn wir sind noch nicht fertig (grinst). Nach der ganzen Zeit mit Corona sowie der Flut, die Haus und Studio weggeschwemmt hat, werden wir endlich wieder zusammen aufnehmen und komponieren können, wie wir es beim letzten Mal zu «Steelfactory» gemacht haben. Zusammen in einem Raum stehen und "face to face" arbeiten und nicht dieses "schick mal einen Link!" (lacht).
Peter: Der Andrey floh aus der Ukraine wegen des Krieges. Svens Haus wurde überflutet, und ich hatte gerade den Hurricane in Amerika überlebt. So viel Desaster kann gar nicht sein, aber im Endeffekt kam doch ein gutes Album heraus! Mein Haus steht, Andrey ist hier, und Svens Haus steht auch wieder.
Udo: Alles ist wieder im normalen Bereich, und jetzt werden wir mit dem neuen Album «Touchdown» touren, und Ende 2024 werden wir zusammen ein neues Werk komponieren. Man kann nicht jedes Jahr ein neues Album veröffentlichen (lacht).
MF: Wobei du im Vergleich zu vielen anderen Bands in den letzten Jahren sehr fleissig warst!
Udo: Das ist richtig, alle zwei Jahre haben wir etwas Neues veröffentlicht. Da waren auch «We Are One» mit der Bundeswehr und "Dirkschneider And The Old Gang" dabei (grinst), und mein Cover-Album erblickte ebenso noch das Licht der Welt (grinst). Ja, sonst wird es mir noch langweilig (lautes Lachen). Das Cover-Werk war coronabedingt, heisst das hat sich deswegen ergeben und war definitiv nicht geplant.
"...Das ist eine andere Art Musik zu schreiben, als sich hinzusetzen und immer zum Computer zu rennen..."
MF: Wenn wir schon bei Solo-Alben sind, wie sieht es mit dem von Peter aus?
Peter (lachend): Ich arbeite daran, und dank Udo liegt es auf Eis (lautes Lachen). Ich komme gerade nicht dazu (lacht). Zuhause muss ich üben und mir die U.D.O. Tracks aneignen, aber irgendwann wird es fertig sein, also noch bevor ich mich von diesem Planeten verabschiede. Doch ich freue mich, dass der ganze Kram mit Corona nun vorbei ist, wir zusammen in einem Raum stehen und an einem neuen Album arbeiten können. Nicht mehr dieses doofe Hin- und Herschicken von Dateien.
Udo: Sagen wir mal so, ich war glücklich, dass diese Möglichkeit bestand.
Peter: Ja, klar! Aber ich freue mich darauf, wieder ein Album wie früher entstehen zu lassen. Wie damals bei «Balls To The Wall» oder «Fast As A Shark». Du spielst, einer macht einen Fehler…, wir hatten einen kleinen Kassetten-Rekorder, der alles aufgenommen hat. So sind die Songs entstanden, aus dem Spielen heraus. Das ist eine andere Art Musik zu schreiben, als sich hinzusetzen und immer zum Computer zu rennen, denn das ist alles scheisse. Einfach zu hören, wie sich das Schlagzeug anhört, darauf freue ich mich persönlich am meisten.
MF: Was hat sich für euch im Vergleich zum Vorgänger-Album verändert?
Udo: Der Unterschied ist..., es spiegeln sich viele Dinge wider wie Corona, die Flut, die Geschichte mit Andrey..., man war in einem..., aggressiv würde ich nicht sagen, sondern im "jetzt erst recht" Modus. Das Klassische von U.D.O. ist vorhanden. Einige Dinge sind jedoch für unsere Verhältnisse sehr modern ausgefallen. Das ist eine gute Mischung, die anscheinend funktioniert. Bisher waren viele Leute positiv überrascht. Das zeigt, dass wir keine Angst haben müssen. Ich möchte nicht behaupten, dass wir jetzt eine Reggae-Nummer machen, aber das könnte vielleicht auch funktionieren (lächelt)..., es war einfach ein "Tun", und wir haben uns nicht gefragt, ob wir das überhaupt dürfen. Nimm zum Beispiel «Betrayer». Die Idee kam von Andrey.
Anschliessend haben Sven und ich den Text und die Gesänge geschrieben. Er sagte nur: "Papa, probier mal!", und es hat funktioniert. Es ist wichtig, immer offen zu sein. Die U.D.O. Alben klingen alle unterschiedlich, und das ist ein wichtiger Punkt, damit wir nicht immer denselben Kram spielen. Ich muss kein zweites Album wie «Holy» schreiben, denn das gibt es bereits. Diese stilistische Vielfalt ist sehr wichtig. Bei «Touchdown» kamen noch zwei Elemente hinzu, die dem Ganzen nochmals..., ja, ich kann das Rad nicht neu erfinden..., aber für U.D.O. klingt es zumindest teilweise sehr ungewöhnlich. Mal sehen, was beim nächsten Werk passiert, das wissen nur die Götter (lacht).
"...Weil ich mich an Dinge gewagt habe, bei denen ich nicht sicher war, dass ich sie hinkriege, aber es funktionierte..."
MF: Wenn ich mir die U.D.O. Alben anhöre, habt ihr euch immer eine Nische für "Experimente" offen gelassen, wie damals mit «Cut Me Out» oder «Trainride In Russia»...
Udo: ...nimm «Trainride In Russia», das in Russland ein Volkslied ist. «Cut Me Out» war schon fast eine Jazz-Nummer (lacht). Damals wie heute lautet das Motto: "Lass es uns tun!" Es ist immer gut, wenn man für alles offen ist. Vieles entwickelt sich während der Arbeit an einem Album, sprich die Ideen und wie sie zusammen passen. Selbst wenn Dinge nicht funktionieren, weil ein Album stimmig sein sollte. Das ist vergleichbar mit dem Zusammenstellen einer Setliste. "Warum findet sich auf dem Album keine Ballade?" Ach du liebe Güte, dann haben wir diesmal eben keine! Beim nächsten Mal wird dann dafür sicher wieder eine dabei sein. Vielleicht singt Peter die dann?
Peter: Ja, warum nicht? Der kann das…, ja (lacht).
Udo: Persönlich habe ich kein Problem damit, wenn Peter eine Ballade auf dem Album singt.
Peter: Was mir bei euren neuen Liedern aufgefallen ist..., das Schöne ist, dass Udo immer konstant ist. Deine Stimme ist da und klingt stets gleich...
Udo: ...die kann ich nicht ändern!
Peter: In der Musik kannst du dich entfalten und etwas wagen. Die Stimme bleibt sich gleich, die kann nicht ganz anders klingen. Das ist der einzige Punkt, der immer unverändert ist. «Touchdown» ist ein sehr modernes Werk geworden, das ich so nicht erwartet habe.
Udo: Das Verrückte an meiner Stimme ist, und ich zitiere an dieser Stelle Stefan Kaufmann, der bei den Aufnahmen zu mir sagte: "Deine Stimme ist ein Wunder, und das kann in deinem Alter eigentlich gar nicht sein. Du singst teilweise höher als damals auf dem «Breaker» Werk!" Mittlerweile kann ich auch tiefer singen, das hat sich entwickelt. Weil ich mich an Dinge gewagt habe, bei denen ich nicht sicher war, dass ich sie hinkriege, aber es funktionierte. Rein von den Möglichkeiten her besteht in dieser Band noch Potenzial, mit Sicherheit (lachend). Das geht aktuell gerade erst richtig los. Nach all dem Scheiss, den wir hinter uns gelassen haben, gings ab (lacht). Alle sind glücklich und froh, und jetzt gehts auf Tour!
MF: Beide haben eine gute Verbindung zu Russland und der Ukraine. Ihr habt dort immer wieder mit euren Bands gespielt. Was hinterlässt der Krieg für Gefühle…
Udo: …das sieht ganz übel aus! Dort können wir nicht mehr spielen. Ein wichtiger Markt für uns ist weggebrochen, ein grosser Markt sogar! Lassen wir die ganze Politik beiseite, mir tun die Leute leid. Die wollen, aber dürfen nichts sagen. Ich habe ziemlich gute Verbindungen nach Russland (lacht). Ich kann sie nur im Urlaub sehen, diese Verbindungen (grinst). Was ich mitkriege…, verzweifelt würde ich nicht sagen…, eher versuchen sie, das Beste aus der Situation zu machen, auch wenn es immer schlimmer wird, leider! Das bedeutet für uns, dass wir uns stärker auf den nord- und südamerikanischen Markt konzentrieren müssen. In Australien haben wir gespielt, und diese Tür sollte grundsätzlich offen sein für U.D.O. und Dirkschneider, so wie in Japan. Da waren wir lange nicht mehr und haben erst kürzlich dort gespielt. Wir wollen und müssen intensiver mit anderen Ländern arbeiten. Ob ich es noch erlebe, dass wir wieder in Russland und der Ukraine spielen werden? Ich glaube aktuell nicht daran!
Peter: Was traurig und schockierend anmutet, ist, dass dieser ganze Mist schon über ein Jahr andauert. Zu Beginn hast du im TV nur Nachrichten über diesen Krieg gelesen. Die Zeitungen und der Liveticker waren voll davon. Noch immer sterben jeden Tag Leute. Jetzt ist das "normal" geworden, und da kann keiner etwas dafür. Das ist leider so, weil alle abgestumpft sind, auch wenn Mitleid da ist und man es nicht verstehen kann. Es sind die Politiker und die Drahtzieher dahinter. Kein Mensch will diesen Krieg. Die wollen vielmehr Familie, Job, Garten, Auto und ein tolles Leben. Auch mal in den Urlaub fahren, mehr will keiner.
Udo: Russland war einst offen und sehr westlich. Jetzt bricht alles zusammen.
Peter: Das ganze Volk wird für die kommenden zwanzig Jahre leiden müssen. Selbst wenn der Krieg vorbei ist, wird das Leiden bleiben und die Wirtschaft sich zuerst erholen müssen.
Udo: Wir wollen aber nicht zu politisch werden, und es ist nicht toll, was da gerade abgeht. Mit Andrey wurden wir intensiv mit Nachrichten gefüttert. Als ich Fotos gesehen habe…, das war schon harter Tobak!
MF: Meine Herren, besten Dank für das angeregte Gespräch, das mir, wie immer mit euch, eine Freude war…
Udo: …wir danken dir. Meine Güte Martin, wie lange kennen wir uns schon?
Peter: Ja, auf ein anderes Mal, pass auf dich auf!