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25. Oktober 2022, Dübendorf - The Hall
Text & Pics by Oliver H. - Pics Carcass by Peti Zumkeller
Wenn man «The European Siege 2022» als eine metallische Pauschalreise betrachten würde, wäre es eine der besten, die je zusammen gestellt wurde. Arch Enemy und Behemoth haben kürzlich neue Alben von beeindruckender Natur veröffentlicht und sind zwei der heissesten Metal-Acts überhaupt. Dabei werden sie von den legendären Engländern Carcass und Unto Others unterstützt, die ihren Gothic-Aufstieg fortsetzen. Es ist kühl aber noch sonnig, als "The Hall" in Dübendorf seine Türen öffnet. Eigentlich zu früh für einen Konzertabend, aber viele Bands brauchen nun mal eine anständige Spielzeit. Empfangen wurden die Fans von zwei riesigen Merch-Ständen, die das neueste Material der abendlichen Krachmacher verhökerten. Stoff von Unto Others war ebenfalls dabei, jedoch habe ich diese Truppe aufgrund einer ständigen Blechlawine, im Umkreis der Location, verpasst.
Carcass
Wie Bill Steer angeblich 2021 in einem Interview zur bevorstehenden Tour sagte, hege er eine gewisse Skepsis darüber, ob das Line-up so auch funktionieren würde. Er zweifelt ernsthaft daran, dass die Leute Carcass kennen, geschweige denn interessant finden. Nach der Tour mit Amon Amarth brauchte sich Steer darüber keine Gedanken mehr zu machen und dies zu recht. Das Quartett hatte schon eine beachtliche Menge Fans vor der Bühne, als die Truppe kurz vor sieben loslegte. Ihr Set durchleuchtete einen Grossteil ihrer Karriere. Die Band eröffnete mit «Buried Dreams» von ihrem legendären «Heartwork»-Album und bot einen schnörkellosen Ansatz, während kleine Bildschirme, auf denen verschiedene chirurgische Instrumente und Clips vom Schneidetisch zu sehen waren, die Szenerie unterstützten. «Kelly’s Meat Emporium» aus dem aktuellen Album «Torn Arteries» folgte darauf. Jeff Walker zeigte sich stimmlich in Topform und es ist eine Freude, Bill Steer beim Gitarrenspiel zuzusehen. «Under The Scalpel Blade», «This Mortal Coil», «Dance Of Ixtab» und «Incarnated Solvent Abuse» folgten alle in Medley-Manier und liessen den Zuschauern keine Zeit zum Verschnaufen. Zu diesem Zeitpunkt brachen kleinere Moshpits aus dem Boden der Halle aus. Walker bemerkte die Begeisterung und wollte keine Zeit verlieren. Fünfundvierzig Minuten unerbittlicher und knüppelnder Melodic Death Metal, präsentiert von den Innovatoren und Meistern ihres Fachs. Jeff Walker beendete schliesslich das Set, Plektren spickend und mit einem Grinsen im Gesicht das sagte: "Danke, und beehrt uns gerne wieder!". Carcass ist ein nationales Gut und eine wirklich grossartige Death Metal Band.
Setliste: «Intro» - «Buried Dreams» - «Kelly's Meat Emporium» - «Incarnated Solvent Abuse» - «Under The Scalpel Blade» - «This Mortal Coil» - «Dance Of Ixtab (Psychopomp & Circumstance March No. 1 In B» - «The Scythe’s Remorseless Swing» - «Corporal Jigsore Quandary» - «Heartwork» - «Carneous Cacoffiny»
Behemoth
Dann wurde erst einmal ein riesiges Tuch von der Decke gelassen, das das rege Treiben auf der Bühne verdeckte. Weiss, mit dem projizierten Emblem von Behemoth darauf. Mit einem allmächtigen Gebrüll gingen die Hauptlichter aus und Nahaufnahmen von Adam «Nergal» Darskis Gesicht schafften eine klaustrophobische Atmosphäre. Die Kunst der Show ist etwas, in dem sich Behemoth unglaublich gut auskennen. Nergal bewegte sich wie ein Geist hinter dem Vorhang, wobei gleissendes weisses Licht riesige Schatten erzeugte. Es wurde noch keine einzige Note gesungen und die Menge geriet schon aus dem Häuschen. «Ora Pro Nobis Lucifer» eröffnete die Show nach dem Intro «Post God Nirvana». Das Stück gilt als einer der vielen Höhepunkte auf dem wohl besten Werk von Behemoth - «The Satanist». Feuer spuckte über die Bühne, während einige Fans angefangen hatten, über die Menschenmenge zu surfen. Nergal kreischte derweil in die Menge hinter seinem wild verzierten Mikrofonständer. Um ihr neues Album «Opvs Contra Natvram» zu promoten, besteht ein guter Teil ihres Sets aus neuen Nummern. Allerdings war es «Thy Becoming Eternal», das die Luft in der Halle zerriss. Nergal spendete auf der Bühne seinen teuflischen Segen, während seine Kollegen sich im Hintergrund hielten. Ästhetisch gesehen gab es auch an diesem Abend keine Überraschung, denn Behemoth bleiben ihrem schwarz-weiss-Charakter treu, der teils furchteinflössend und andererseits auch etwas lächerlich wirkt. Das Publikum war aber von Nergal & Co. wirklich angetan, was sicherlich auch an den vielen Showeffekten der Polen liegt. Viel, wirklich viel Feuer, ein Schlagzeugpodest, das Rauch ausstösst, die Papstkrone des Sängers und die geschickt eingesetzte Projektion von einem beleuchteten Behemoth-Emblem. Ein Kommentar zu Krieg und Frieden liess sich Nergal vor «No Sympathy For Fools» nicht nehmen, und statt der ständigen Pommesgabel, lässt er die Crowd den Mittelfinger heben. Irgendwie war dann auch die Luft raus, zumindest für meinen Geschmack. Die Songs im letzten Drittel waren schleppend und sorgten für nicht mehr viel Abwechslung. «Chant For Eschaton 2000» beendete schliesslich das 70-minütige Set. Wenn Armageddon kommen sollte und die Menschen nach ihren irdischen Taten beurteilt würden, wie es der Song andeutet, wäre jede Band auf diesem Billing sicherlich für höhere Positionen bestimmt.
Setliste: «Ora Pro Nobis Lucifer» - «The Deathless Sun» - «Ov Fire And The Void» - «Thy Becoming Eternal» - «Conquer All» - «Daimonos» - «Bartzabel» - «Off To War!» - «No Sympathy For Fools» - «Blow Your Trumpets Gabriel» - «Versvs Christvs» - «Chant For Eschaton 2000»
Arch Enemy
Wie bereits bei Behemoth, gab es auch einen riesigen Turnaround auf der Bühne. Vor der Ankunft von Arch Enemy wurde ein Vorhang über die Stage gezogen, der mit den Worten "Pure Fucking Metal" geschmückt war. An der Menge der Leute, die sich vor die Bühne drängte, konnte man erkennen, dass die Erwartungen stiegen und noch eine Schippe Entertainment draufgesetzt werden musste. Das Intro ertönte, und die Band schmetterte bereits die ersten Akkorde zu «Deceiver, Deceiver», doch die Musiker sind fürs Publikum noch immer als Schattengestalten sichtbar. Dann fiel endlich der Vorhang und der schwedische Fünfer wurde enthüllt. Schon beim ersten Refrain war die Menge voll da und sang lauthals mit.
"Zürich! We are Arch Enemy and this is fucking war!" schrie Alissa White-Gluz ins Mikro, um den nächsten Klassiker «War Eternal» anzukündigen. Auch bei dieser Show schossen Feuerfontänen in die Höhe. Nicht gerade wie bei Behemoth, aber brennen tat es alleweil. Während Daniel Erlandsson auf sein riesiges Schlagzeug eindrosch, bewies White-Gluz als Meisterin der Bühnenpräsenz, was sie zu bieten hat. Sie stolzierte während «Ravenous» über die Bühne und ermutigte das Publikum, mit zu klatschen. Das musikalische Gewand war berauschend und die Menge hatte sich zu Circle Pits und Crowdsurfern entwickelt. Zur Unterstützung ihres Albums «Deceivers» schmetterten Arch Enemy auch viel Material von älteren Veröffentlichungen in die Halle hinein. Trotzdem waren es an diesem Abend die neuen Tracks, die zu begeistern vermochten. «In The Eye Of The Storm» ist ein Lied, das für die Bühne gemacht ist. Die epische Eröffnung, tuckernde Gitarren von Jeff Loomis und Michael Amott neben rollenden Drums, weichen einem allmächtigen Sperrfeuer von Power Chords. Ein weiterer neuer Live-Hit ist «House Of Mirrors», der pure Gänsehaut verursachte. "Make some noise for the other bands!", forderte die Sängerin das Publikum schliesslich auf, bevor sie ihre Freude zum Ausdruck brachte, wieder in Zürich zu sein. «My Apocalypse» setzte den zärtlichen Moment des Abends, und die Mobiltelefone stiegen zum darin enthaltenen Gitarrensolo in die Höhe. «The Watcher» gebärdete sich dann wieder als rasendes Death Metal Biest, das Alissa in wilder Form zeigte. Der Refrain und die Gitarrenmelodie erhoben sich, wobei Jeff Loomis mitten im Song ein furioses Solo hinlegte. Arch Enemy waren definitiv heiss gelaufen, und die Menge in Zürich freute sich über jede Aufforderung, in irgendeiner Form mitzumachen. «Handshake With Hell» zeigte erneut eindrücklich auf, in welch guter Verfassung White-Gluz' Stimme ist. Sie bewegte sich nahtlos zwischen tödlichen Growls und bewegenden, symphonischen, klaren Vocals. Sie scheint momentan eine der Besten auf diesem Gebiet zu sein. «As The Pages Burn» erhöhte das Tempo noch einmal, bevor das klagende «Snow Bound» und eine wirklich gewaltige Interpretation von «Nemesis» folgten. Dann war der irre Reigen leider bereits vorbei, und das Publikum hörte nicht auf zu klatschen, bevor das Saallicht der Halle wieder anging. Wie eingangs bereits erwähnt, war diese Pauschalreise eine der tollsten, die bis dato zusammen gestellt wurde. Das Preis-Leistungs Verhältnis ist hervorragend und die Qualität der Musik hat auch gestimmt. Es war wieder einmal eine Nacht, an die man sich erinnern sollte, denn es wurde nur Gutes vollbracht..., und nur Nergal würde mir vielleicht widersprechen.
Setliste: «Deceiver, Deceiver» - «War Eternal» - «Ravenous» - «In The Eye Of The Storm» - «House Of Mirrors» - «My Apocalypse» - «The Watcher» - «The Eagle Flies Alone» - «Handshake With Hell» - «Sunset Over The Empire» - «As The Pages Burn» - «Snow Bound» - «Nemesis» - «Fields Of Desolation (Outro)»