Swiss Hard Rock and Heavy Metal Magazine since 1999
You can reach us via email or phone.
+41 (0) 79 638-1021
09. Oktober 2024, Zürich - Komplex 457
By Tinu
Axel Rudi Pell gehören als Kollektiv eigentlich, wie Rage auch, ins Z7. Konnte somit der heutige Gig im Komplex gut über die Bühne gehen? Jawohl, das konnte er, auch wenn bedeutend weniger Leute nach Zürich gepilgert waren, als wenn Axel in Pratteln die Stage betreten hätte. Aber die Fans waren auch hier heiss auf den Gitarristen aus Bochum und lagen ihm, wie auch Sänger Johnny Gioeli, zu Füssen. Die Jungs waren in absoluter Spiellaune, und selbst der handikapierte Derwisch am Mikro liess sich zu einer ungeahnten Bühnenaktion antreiben, und dies trotz vier Spritzen im Rücken!
Fighter V
Mittendrin stand also die motivierte Hergiswiler Truppe als Anheizer auf der Bühne und wusste, dass sie diese einmalige Chance nun nutzen musste. Der Heimvorteil schien aber zunächst nicht so zu ziehen, wie erwartet. Auch wenn das Publikum den fünf Jungs einen warmen Empfang bot, war die Stimmung bei ARP um einiges grösser als bei Fighter V. Aber Sänger Emmo Acar versuchte alles, trieb das Publikum an, nahm seinen solierenden Gitarristen auf die Schultern und stellte seine behaarte Brust zur Show. Die musikalische Mischung aus Bon Jovi und Journey suchte seine Fans, fand immer wieder entsprechenden Applaus und liess zumindest die Stimmung im Komplex nicht abflachen.
Inwieweit die Cover-Version von Whitesnakes «Here I Go Again» eine gute Entscheidung war? Da spalten sich die Meinungen der Musikliebhaber. Dem Publikum schien es offensichtlich zu gefallen, den Refrain mitsingen zu können, während Whitesnake Fans eher den Kopf senkten. Trotzdem, die Haare wehten und rotierten zum Rhythmus, und die eher geringen Platzverhältnisse auf der Bühne (das Drum stand rechts und das Keyboard links) behinderten Emmo kaum in seiner Performance. Zu guter Letzt konnte der Fünfer auf jeden Fall sagen, dass er sich von seiner besten Seite gezeigt hat und sicherlich den einen oder anderen, neuen Fan auf seine Seite ziehen konnte.
Axel Rudi Pell
Selten hatte ich an einem Pell Konzert so viel Platz im Zuschauerraum, aber irgendwie schien an diesem Abend der geneigte Fan lieber zu Hause bleiben zu wollen, als eine wirklich mitreissende Show zu sehen. Bevor das Ganze startete, stand Johnny auf der Bühne und entschuldigte sich beim Publikum, dass er an diesem Abend seine "bad ass motherfucker" Attitüde nicht ausleben könne. Ein paar Tage zuvor musste sich der Ami nämlich vier Spritzen in den Rücken jagen lassen und bekam netterweise vom Arzt ein klares Auftrittsverbot, was der Shouter mit einem ebenso netten "fuck you!" beantwortete. Der Sänger griff sich im Verlauf der Show immer wieder an den Rücken, und man konnte deutlich erkennen, dass er Schmerzen hatte und man litt förmlich mit ihm mit. Trotzdem drehte Mister Gioeli, je länger das Konzert dauerte, mehr auf und enttäuschte keinen der Anwesenden. Auch nicht mit seinem Gesang, der einmal mehr nicht von dieser Welt zu stammen schien. Noch während des Schreibens dieser Zeilen überkommt mich eine fette Gänsehaut wenn ich daran denke, wie unglaublich emotional er «Hallelujah» sang oder mit welcher Sensibilität er «Oceans Of Time» intonierte.
Er ist und bleibt einer der besten Shouter dieses Planeten, der, je älter er wird, noch immer eine Schippe drauflegen kann. Trotz Schmerzen, der Sänger stand nie still, posierte mit Axel, stand zwischen Keyboarder Ferdy und Bassist Volker oder kündigte den zurückgekehrten Trommler Bobby Rondinelli mit den folgenden Worten an: "I missed his humour and sarcasm. He has an incredible body!". Bobby spielte sein Solo zwischenzeitlich ohne Drum-Sticks, sondern nur mit seinen Händen und zog dabei die Fans problemlos auf seine Seite. Das Mitklatschen schien dabei Pflicht-Programm zu sein, wie auch beim Solo von Ferdy und jenem von Axel, der dabei mal locker in den Fotograben und zu den Fans hinunterhüpfte. Die Band konnte an diesem Abend spielen und präsentieren was sie wollte, die Besucher frassen den Jungs aus den Händen. "To make people happy, that's my drug!" bedankte sich Johnny beim Publikum und merkte an: "I am so grateful, I forget never a show, because you give me this life!" Was bei vielen anderen Künstlern bloss ein Lippenbekenntnis ist, kommt vom Ami mit italienischer Abstammung aus tiefstem Herzen. Er flirtete stetig mit den Mädels im Publikum, dass sich die Holzpfeiler bogen und blieb ein Sympathikus, wie es ihn selten einen auf der Bühne gibt.
"Was haben wir heute für einen Tag? Mittwoch? Nein, heute ist Samstag? Muss morgen jemand zur Arbeit gehen. Teilt einfach eurem Chef mit, Axel Rudi Pell hätte gesagt, dies sei nicht nötig" scherzte Johnny mit dem Publikum, um kurz darauf das bekannte Spiel, welche Seite lauter singen würde, zusammen mit Volker und Axel zu starten. "26 years with Axel Rudi Pell, I feel it (Johnny greift sich an den Rücken)", schmunzelte der Shouter und grinste seinen "Chef" an, während dieser seine Riffs und bekannten Solos mit viel Gefühl, aber auch Härte ins Komplex schleuderte. Bei den Band-Evergreens wie «The Masquerade Ball», «Mystica» oder «Carousel» erkannte man den blonden, sehr schlanken Gitarristen umgehend an seinem Ton. Die Setliste beinhaltete viele Tracks, ohne die Axel niemals von der Bühne gehen dürfte. Drei davon wurden vorher bereits erwähnt. Dazu gehörten natürlich auch «Strong As A Rock», «Oceans Of Time» und «Rock The Nation», und mit den neuen Songs vom aktuellen Werk «Risen Symbol» konnten ARP eh nichts falsch machen. So spielte die Truppe «Forever Strong», «Darkest Hour» (eine kommende Live-Hymne!) sowie «Ankhaia», das leider nur in einem Medley, zusammen mit «The Masquerade Ball» und «Casbah», gespielt wurde (und somit nur Teile davon).
Die neuen Lieder reihten sich dabei problemlos bei den Klassikern ein, und selbst «The Line» ( vom «Sign Of The Times» Werk) und «Wildest Dreams» (vom «Knights Call» Album, das wieder zurück im Set war) konnten sich bestens halten. Bei den beiden Cover-Versionen, dem bereits angetönten «Hallelujah» (Leonard Cohen) und «Beautiful Day» (U2) liess es sich das Publikum nicht nehmen, laut mitzusingen. Auch wenn ich mir hier lieber das Led Zeppelin Cover «Immigrant Song» von neuen Werk gewünscht hätte, machte Axel alles richtig, denn die Stimmung brach nie ab und steigerte sich von Song zu Song. Ja, es war ein grandioser Konzert-Abend einer bestens eingespielten Truppe, auch wenn sie zu Beginn sowie während des Konzertes immer wieder mit technischen Problemen zu kämpfen hatte.
Aber davon liess sich der Fünfer nicht aufhalten, und die Anwesenden waren eins mit der Band. "Can you feel it? I love you guys", bedankte sich Johnny bei den Fans. Es war kein klassisch hart erarbeiteter Erfolg, sondern das, was sich über die letzten 35 Jahre hindurch eingestellt hat. Nämlich, dass die Band Abend für Abend mit viel Engagement und Hingabe zur Musik immer wieder neue Fans für sich gewinnen kann. Wie manchen Gänsehaut-Moment konnte ich mit ARP schon erleben, und wie manchen werde ich noch? Es war heute Abend erneut ein mehr als nur ein grossartiges Konzert-Erlebnis, dirigiert mit einem von sichtlichen Rückenschmerzen geplagten Sänger, der jedoch trotzdem agiler und wilder auf der Stage herumwirbelte als so mancher Jungspund.
Setliste: «Forever Strong» - «Wildest Dream» - «Strong As A Rock» - «Voodoo Nights» - «Hallelujah (Leonard Cohen Cover)» - «Oceans Of Time» - «Mystica (inklusive Guitar-Solo Axel Rudi Pell) / Drum-Solo Bobby Rondinelli» - «Darkest Hour» - «Carousel» - «Keyboard Solo Ferdy Doernberg» - «The Line» - «Beautiful Day (U2 Cover)» - «The Masquerade Ball / Casbah / Ankhaia» -- «Fool Fool» - «Rock The Nation»