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18. November 2023, Pratteln – Z7
Text & Pics by Oliver H.
Was könnte man sich an einem kalten, dunklen und nassen Abend mitten im November mehr wünschen, abgesehen von Chips und Film auf der heimischen Couch, als eine gesunde Portion Brasil Deathened Thrash von den legendären Cavalera-Brüdern? Eigentlich nicht viel, und ausserdem hatten sie Incite mitgebracht, um noch mehr Power und Aggression dem Abend hinzuzufügen. Beim Betreten des Z7 waren schon reichlich Leute da, auffallend viele ältere, die sich ihre Helden der Jugend wohl nicht entgehen lassen wollten. Um 20:15 Uhr fiel der imaginäre Vorhang und Richie Cavalera, der Stiefsohn von Max, durchdrang mit seiner Truppe die Stille im Basler Kultlokal.
Incite
Als Incite die Bühne eroberten, stand die versammelte Gemeinde bald unter ihrem Bann. Sie zeigten der Truppe aus Phoenix, Arizona ihre echte Wertschätzung für den thrashigen Groove Metal, der ihnen vor die Kauleiste geballert wurde. Richie Cavalera spuckte den Gesang mit Hingabe und Leidenschaft aus (er spuckte auch in den Fotograben). Jedes Wort schien seinen Mund mit Stolz und Autorität zu verlassen, und er wirbelte ununterbrochen wie ein Springbock auf Steroide auf der Bühne umher. Das trug alles zu dem Spektakel bei, das man einfach nicht verpassen sollte. Von oben, durch ein kleines Fenster, beobachtete Onkel Iggor den Auftakt seines Neffen. Der Sechssaiter wurde von Dis mit Kraft und Leidenschaft bearbeitet, die Sounds technisch und kompliziert, passten tadellos zum fetten Viersaiter von Luis Marrufo, der seine Axt mit Muskelkraft und der Statur eines Bullen zähmte.
Schlagzeuger Zak legte den rhythmischen Teppich drunter, auf dem die groovigen Songs aufgebaut sind. «Mental Destruction» und «Built To Destroy» waren an diesem Abend im Z7 definitiv Programm. Schon nach kurzer Zeit enterte Cavalera Jr. die Lautsprechertürme, die dabei gefährlich wackelten, sodass ein Security sie stützen musste. Diese Nummer folgte noch einige Male an diesem Abend. Incite zeigten sich als geschlossene Truppe, die eine tolle Stimmung und einen natürlichen Strudel feinster Brutalität erzeugten. Doch auch als gekonnter Anheizer kommt die Stunde des Abschieds, und man kriegte beinahe das Gefühl, dass die Band angesichts der grossen Resonanz, die sie heute Abend in Pratteln erhielt, sich darob ein bisschen wehmütig zeigte. Richie und Dis waren sich nach dem Gig jedenfalls nicht zu schade, am Merchstand noch etwas zu quatschen, zu posieren und Gratulationen persönlich entgegen zu nehmen. Ich bin mir sicher, dass Incite in nicht allzu ferner Zukunft wieder in unserem Ländle Halt machen werden.
Setliste: «Intro» - «Up In Hell» - «Fuck With Me» - «War Soup» - «Dead Beat» - «Lost Reality» - «Mental Destruction» - «Built To Destroy» - «WTF» - «Smell The Odor»
Cavalera
Was das Hauptereignis des Abends angeht, muss ich wohl nicht viele einführende Worte verlieren. Die originalen Sepultura, einfach unter dem Deckmantel Cavalera, waren hier, um Unausgesprochenes klar zu stellen. Den meisten im Publikum war aber schon lange aufgegangen, dass mit Max und Iggor die Speerspitze der einstigen und wahren Sepultura auf der Bühne stehen wird. So konnte es also losgehen. Als die Lichter gedimmt wurden, drang eindringliches Grollen aus den Lautsprechern, bevor man vom unheimlichen und gruseligen «Bestial Devastation» eingehüllt wurde. Mit Wildheit und Aggression folgte «Antichrist», was die perfekte Plattform bot, um in den Rest des Albums zu starten. Das Publikum freute sich über die einmalige Gelegenheit, «Bestial Devastation» sowie «Morbid Visions» an einem Abend und sich in jeweils voller Länge anhören zu können.
Max' Gesang war auf den Punkt, voller Aggression und Bosheit, so als wolle er sein inneres Selbst, aus jener Zeit noch einmal zum Vorschein hervor holen, als diese Werke geboren wurden. Auch Iggor war wie eine wahnsinnige Maschine an seinem Instrument und er schien von Max' zeitweiligen Forderungen angespornt zu werden. Was den Brüdern in den letzten Jahren abhanden kam, nämlich die körperliche Form, ersetzten Max' Sohn Igor Amadeus Cavalera (Healing Magic, Go Ahead And Die) am Bass und Travis Stone (Pig Destroyer, Desolus) an der Lead-Gitarre bravourös. Bei mir wurden da schon Erinnerungen an die "Chaos A.D. Tour" von 1993 wach! Der weitere Verlauf des Sets war nichts als ein Güterzug emotionaler Auseinandersetzungen. «Funeral Rites» war absolut hypnotisierend, und dann wurde die Menge mit klassischen Sepultura-Klängen nach der «Morbid Visions» Ära verwöhnt. «Escape To The Void» war kolossal und auch «Refuse / Resist» gebärdete sich gewohnt hymnisch und grossartig. Nach einem verbalen Abstecher zum Israel / Palästina Konflikt wurde ebenfalls das Intro zu «Territory» angespielt.
Um den Abend schliesslich zu beenden und die Menge mit den nötigen Glückshormonen in den verregneten Nachthimmel zu schicken, war die absolut gigantische Version von «Troops Of Doom» genau das Richtige. Zudem stülpte sich Max ein Celtic Frost T-Shirt über und bedankte sich bei Tom Warrior für dessen Arbeit in der Metal-Vergangenheit. Alle Anwesenden bewegten ihre Köpfe und Körper nochmals in der einen oder anderen Form, bis auch der letzte Klang auf der Bühne verstarb. Dieser Abend war ein Erfolg epischen Ausmasses und ein Anlass, der vermutlich allen, von den 40ern an aufwärts, nochmals neunzig Minuten Jugendlichkeit schenkte. Alte Favoriten, Klassiker und einige der besten Metal-Hymnen, kombiniert mit der Wildheit und Intensität von heute sowie der Tatsache, dass wir uns in Gesellschaft absoluter Giganten befanden. Legenden der Metalgeschichte, die uns in jungen Jahren etwas geschenkt haben, für das wir ewig dankbar sein werden.
Setliste: «Bestial Devastation» - «Antichrist» - «Necromancer» - «Warriors Of Death» - «Sexta Feira 13» - «Morbid Visions» - «Mayhem» - «Crucifixion» - «Show Me The Wrath» - «Funeral Rites» - «Empire Of The Damned» - «Escape To The Void» - «Refuse / Resist» - «Troops Of Doom»