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Während viele Truppen ihre Konzerte in der Schweiz absagten, da ganz einfach der Vorverkauf auf ein Desaster hindeutete und die jeweiligen Gigs finanziell nicht mehr tragbar gewesen wären, rockten Leo Leoni und seine Jungs an diversen helvetischen Orten die Bude.
Auch wenn der Schweizer Konzertgänger mit seinen Ticketverkäufen im Vorfeld vorsichtiger umgeht und sich erst kurz vor einem Event entscheidet ein Konzert zu besuchen (was vielen Bands aktuell das Genick bricht), profitiert Leo natürlich von der nach wie vor anhaltenden Gotthard Euphorie im Land der Schokolade und Berge. Während Gotthard für Leo aber je länger, je mehr ein lukrativer Job zu sein scheint, blüht der Tessiner bei CoreLeoni förmlich auf. Der Frechdachs kehrt in die Gestik und das Verhalten eines hungrigen Gitarristen zurück und lässt so jeden Abend zu einer ganz grossen Rock- Party werden.
02. Dezember 2022, Aarburg – Musigburg
Seraina Telli
Der Start dieser Triple-Gig-Review beginnt im beschaulichen Aarburg. Einer Kleinstadt, die zum Kanton Aargau gezählt wird und an den Kanton Solothurn angrenzt. Die gemütliche Musigburg war in seiner Vorzeit ein Kino, das danach zu einer kleinen und feinen Konzert-Location umgebaut wurde. Unzählige grandiose Bands wie Queensrÿche, Leather, Girlschool, Bonfire, Death Angel, oder Shakra spielten hier schon. Der Konzertbeginn wurde wegen des Fussball WM-Spiels Serbien gegen die Schweiz auf 20:45 Uhr verlegt, und während sich der geneigte Fussball-Fan damit begnügte, dass sich 22 unqualifizierte Schauspieler darin versuchen, sich auf möglichst theatralische Art und Weise im Rasen zu wälzen, versuchte die ehemalige Burning Witches Sängerin Seraina Telli, zusammen mit ihren beiden Mitmusikern, die wenigen Besucher im Konzertraum zu begeistern. Somit stand links auf der Bühne das Drum, in der Mitte Seraina mit einer Gitarre bewaffnet und rechts die Bassistin. Was die Aargauerin anschliessend bot, war purer, punkiger Rock, der aber auch seine Heimat beim Singer- und Songwriter Material findet.
Arschtretend, aber auch auf eine verletzliche Art, präsentierte sich die farbenfrohe Sängerin und versuchte gegen die fussballerische Übermacht anzukämpfen. Ihre Aussage "elf gegen drei, das ist aber unfair!" brachte einige Lacher auf ihre Seite. Auch als die Shouterin versuchte, das Publikum zum Mitsingen zu animieren, quittierte Seraina den aus dem Foyer der Musigburg aufbrandenden Torjubel mit einem frechen: "…viel Spass bei CoreLeoni oder dem Fussballspiel". Auch wenn die Bühne für das grosse Backdrop eindeutig zu klein war und das Trio sichtlich mit dem Platz zu kämpfen hatte, hinterliess die Truppe einen hervorragenden Eindruck. Dies dank der kecken und frechen Führung von Seraina durch die Show hindurch, die mit feinfühligen Ansagen ergänzt wurden: "…pass auf dich auf…, davon handelt «Take Care». Ein Song, der sich an Freunde und die Selbstverantwortung richtet". Gesanglich gefiel mir die Aargauerin um einiges besser als noch bei Burning Witches. Bei ihrer eigenen Formation kann die Shouterin bedeutend mehr von ihrer grossartigen Stimme zeigen, und dies stand ihr bestens zu Gesicht. Auch wenn sie den Kampf gegen den Fussball-Abend mit nationaler Beteiligung besuchertechnisch verlor, konnte Seraina trotzdem einige Besucher auf ihre Seite ziehen.
CoreLeoni
Der Fussball-Match war vorbei, und somit füllte sich der Raum vor der Bühne. Eines gleich vorne weg…, sollten Leo, Sänger Eugent Bushpepa, Gitarrist Jgor Gianola, Bassist Mila Merker und Trommler Alex Motta tatsächlich vom Grippekäfer infiziert worden sein, so liessen sie es sich zumindest nicht anmerken. Mit der Triplette «Sister Moon», «Make My Day» und «Standing In The Light» startete das Quintett furios in den Set. Während Eugent diese Tracks braucht, um seine Leistung abholen zu können, trumpfte die Rhythmusmaschine derweil von Beginn weg gross auf (dies, obschon Alex angeblich mit Fieber hinter seinem Drum sass). Speziell Mila ist an seinem Werkzeug schlicht eine Macht. Einer, der genau weiss, wie man Druck erzeugt und seinen beiden Gitarristen einen unglaublich fetten Teppich vorlegte, auf dem sich Leo und Jgor austoben konnten. Die beiden sind in meinen Augen eh das beste Duo, welches Gotthard jemals auf der Bühne stehen hatten (damals auf der «Dial Hard» Tour). Beide sind Rock'n'Roller durch und durch, lieben es auf der Bühne zu stehen und spielen mit absoluter Hingabe. Dabei duellieren sie sich gerne, wie bei «Standing In The Light» oder überlassen dem anderen jeweils den nötigen Freiraum für dessen solistische Darbietungen.
Während Eugent in Aarburg dank der Fotografen-freien Zone einer Besucherin in die Wange kneifen konnte (Name der Redaktion bekannt, wird aber aus Diskretionsgründen verschwiegen), so war es Leo, der für die Ansagen zuständig war und scherzeshalber bei der Vorstellung der Band sagte: "…and on the Keyboard…, ahh sorry, das ist ja die andere Band" und mit "…ich vergesse das immer wieder…" nachsetzte. Beim unglaublichen «She Goes Down» waren die ersten Fangesänge zu vernehmen, und Aarburg erlebte einen seiner grössten Konzertmomente. Einen bei dem die Screams von Eugent, je länger das Set dauerte, immer grossartiger wurden. Dann einen weiteren, bei dem Jgor und Leo ihre ausgedehnten Gitarren-Solos von «Firedance» inmitten der Fans spielten. Die Handys wurden gezückt, und viele Besucher sahen sich ihren Helden schon lange nicht mehr so nahe. Mit dem in meinem Augen besten Gotthard Song «Ride On» und dem Heissdampf-Knaller «Here Comes The Heat» wurde der offizielle Set beendet. Einer, bei dem logiserweise die Gotthard Tracks überhand nahmen, bei dem aber auch die eigenen Lieder vom letzten Album zu punkten wussten, wie «Let Life Begin Tonight» oder das grandiose «Guilty Under Pressure». Der Zugaben-Block war…, schade, dass die Jungs «Fist In Your Face» verbannten und statt einem «Cheat & Hide» dafür «All We Are» und das rockige «Lay Down The Law» spielten. Den Fans war es jedoch egal, denn die feierten CoreLeoni nach allen Regeln der Kunst ab und hatten nach dem Gig noch die Möglichkeit, sich alles unterschrieben zu lassen und das persönliche Erinnerungsfoto zu ergattern.
03. Dezember 2022, Pratteln – Z7
Seraina Telli
Das Z7 bot Seraina eine deutlich grössere Bühne, bei der die Deko bedeutend besser zur Geltung kam. Nach wie vor stand das Drumkit auf der linken Seite, während die Saiten-Parteien rechts davon standen. Dank des extrem tollen Lichts konnte das Trio noch mehr auftrumpfen als einen Tag zuvor. Die beiden Damen und der Herr rockten amtlich, und speziell Bassistin Carmen konnte sich ein Dauergrinsen nicht verkneifen. Je länger der Gig dauerte, desto mehr konnte Seraina die Besucher auf ihre Seite ziehen und mit dem Verteilen von Leuchtstäben die Bemerkung: "…so einfach ist es ein paar Leute zu beschäftigen…" anbringen und hatte so die Lacher auf ihrer Seite. Als sie dann, nur mit der Akustik-Gitarre "bewaffnet" «Remember You» spielte, wurde es merklich emotional im Z7. Eine Nummer über zerbrochene Freundschaften und dass am Schluss die schönen Erinnerungen bleiben. Seraina wurde beklatscht, und die Sängerin quittierte es mit Küsschen, die sie in den ersten Reihen verteilte. «Fever» wurde sehr sexy und mit dem nötigen Rotz vorgetragen. Dabei stellte Seraina einmal mehr ihr stimmliches Volumen in den Mittelpunkt und präsentierte ihr ganzes Spektrum von hohen Screams bis hin zu kräftigen Stimmparts, aber auch sehnsüchtigen Momenten. Der Gig im Z7 war eine Steigerung zu dem in der Musigburg, und ich wurde dabei einmal mehr von der Qualität der Shouterin überzeugt.
CoreLeoni
Endlich hatten die Jungs den Platz auf der Bühne, den sie benötigen, um ihre Version des Rocks zu präsentieren. Die Fans waren von der ersten Sekunde an voll dabei und unterstützten die Band, was sich bei «She Goes Down» erneut als toller Mitsingpart entfachte. Eugent hüpfte zu den Tracks umher und liess seine grossartige Stimme mit tollen Vocals und noch geileren Screams aufblitzen. Das Zusammenspiel der Jungs war ein echter Hingucker. Nicht nur musikalisch, auch optisch. Speziell bei den Solo-Parts wurde dem Solierenden genügend Platz eingeräumt, während die anderen zusammen standen und wie die Götter posten. Dass sie Musiker der alten Schule sind und wissen, wie man die Bühne nutzt, trat im Z7 noch mehr hervor als bei den eher kleineren Bühnenverhältnissen in der Musigburg. Wenn Leo bei «Let It Be» mit seiner doppelhalsigen Gitarre auftrumpft, kommen Erinnerungen hoch. Oder auch bei einem «Downtown» erinnern sich sehr viele daran, was für eine hart rockende Truppe Gotthard einmal waren. Auch wenn diese heute nach wie vor die grösseren Hallen füllen als CoreLeoni, aber der Dreck unter den Fingernägeln und den Staub auf den Cowboystiefeln ist bei Gotthard schon lange einem gemässigteren Auftreten gewichen.
So klingt heute ein «Mountain Mama» von CoreLeoni einfach knackiger, frischer und groovt mehr, als wenn Gotthard die Nummer spielen. Speziell wenn sich Leo und Jgor nach diesem Track zu einer kleinen Jam-Session auf der Bühne zusammen finden und dabei locker «Hey Joe» von Jimi Hendrix oder einen kleinen AC/DC Ausbruch einfliessen lassen. Auch im Z7 mischten sich Jgor und Leo bei «Firedance» unter die Fans und spielten dort ihre ausgedehnten Solo-Einlagen. Dies, nachdem Leo zuerst den Weg ins Publikum suchte und auf dem Rückweg beinahe auf der Männertoilette statt dem Backstage-Eingang landete! Zur Feier des Konzertabends wurde dann noch «Heaven And Hell» von Black Sabbath angespielt. Ja, die Jungs waren in guter Spiellaune und liessen nichts anbrennen, sondern rockten das Z7 ohne Wenn und Aber. Mit «Ride On» und «Here Comes The Heat» wurden die Fans auf die Zugabe hin förmlich aufgeglüht. Grandiose Show einer tight aufspielenden Truppe, die nach dem Konzert ebenso den Kontakt zum Publikum pflegte und lange alles unterschrieb, was ihr unter die Nase gehalten wurde, beziehungsweise in jede Kamera lächelte.
07. Dezember 2022, Solothurn – Kofmehl
Seraina Telli
Wow, ja, was soll ich dazu sagen?! Die ersten beiden Gigs überzeugten mich bereits, aber Solothurn legte nochmals eine Schippe oben drauf. Das lag nicht nur am Trio, das auf der Bühne stand, sondern auch am Publikum. "Ihr seid richtig gut drauf, haben wir denn heute schon Freitag?", wollte die Sängerin von den Fans an diesem Mittwochabend wissen. "Auf Tour vergisst man die Zeit eben ein bisschen", gab Seraina zum Besten. Es waren erneut die rockigen Momente, aber speziell auch die ruhigen Parts, wie bei «Remember You», wo die Sängerin nur mit der akustischen Gitarre auf der Bühne stand, die Besucher förmlich an ihren Lippen hingen und es still wurde im Kofmehl. Ein Gänsehaut-Moment, der seinesgleichen suchte. Die Aargauerin sang aber auch verdammt emotional und liess kurzerhand all ihre farblichen Facetten in der Stimme aufblitzen. Von wütend über laut zu hoffend, leise und zerbrechlich. Wie schon im Z7 wurden unter dem Publikum Leuchtstäbe verteilt, was Carmen fast vergass, die ansonsten erneut eine geile Show bot, dabei ihre Mähne schwang und den Fans unablässig zulächelte. "Es gibt wieder etwas zum Spielen, habt ihr auch so gerne Farben wie ich?", wollte Seraina wissen. Lady Telli und ihr Ensemble hatten alles im Griff, rockten die Bude und liessen viele Besucher nachher Gast am Merchstand sein, an welcher die Sängerin wieder unzählige Selfies mit den Fans schoss und Autogramme verteilte. Dies aber erst, nachdem sie sich von Solothurn mit den folgenden Worten verabschiedete: "Liebe Solothurner, ihr wart ein wunderbares Publikum!"
CoreLeoni
Nach dem Gig in der Musigburg, der sehr intensiv war und demjenigen im Z7, der ein wenig Flair einer Stadion Rock Show verströmte, wurde dem Ganzen in der Heimatstadt von Krokus doch tatsächlich nochmals die Krone aufgesetzt. Das Eröffnungs-Dreigestirn mit «Sister Moon», «Make My Day» (grossartig!!!) und «Standing In The Light» liessen die Temperatur im Kofmehl merklich ansteigen. Auch wenn die Galerie geschlossen war, zündete das Quintett um Bandleader Leo Leoni ein Feuerwerk, das sich gewaschen hatte. Eugent sang von der ersten Sekunde an wie ein kleiner Gott und liess mich zum ersten Mal seinen Vorgänger (Ronnie Romero) vergessen. Mit welchen Screams er an diesem Abend Solothurn erschütterte, suchte seinesgleichen. Auch wenn die Ansagen nach wie vor von Leo kamen, stand der immer grinsende Sänger mit einer tollen Ausstrahlung auf der Stage. «She Goes Down», das neue «Guilty Under Pressure» und «Mountain Mama» liessen die Stimmung überkochen. Während bei anderen Gigs eine Jam-Session zwischen den Gitarristen als eher langweilig betrachtet werden kann, duellierten sich Leo und Jgor mit einer Spielfreude, die man heutzutage immer seltener vorfindet. Dass Leo dabei «Long Stick Goes Boom» und «Screaming In The Night» von Krokus anspielte, stachelte das Publikum nur noch mehr an. Dafür kann man sicherlich über das Drum-Solo von Alex Motta diskutieren. Regelmässige Konzertgänger sahen der Darbietung eher "gelangweilt" entgegen, während der Rest sich an der Darbietung erfreute und dem Trommler viel Applaus spendete. «Firedance» wurde wieder als Song für die Fans dargeboten. Dies, weil Jgor und Leo erneut im Publikum ihre ausgedehnten Soloparts zockten und dabei Mister Gianola spielend (die Doppeldeutigkeit ist hier absolut bewusst gewählt) für Selfies mit den Fans zu begeistern war. Während die Jungs den Weg zurück auf die Bühne suchten, wurde «Heaven And Hell» von Black Sabbath gespielt.
Bei der Bandvorstellung schnappte sich Jgor, wie schon bei den anderen Gigs, das Mikrofon und meinte: "It's my time", worauf Leo erwiderte: "Bitte nicht singen!" Jgors Dank an Leo, die sich seit Schultagen kennen, dass er mit ihm zusammen auf der Bühne stehen kann und ihm viel zu verdanken habe, wurde nur durch Leos Bemerkung, "...er hat mir meine Playboy-Sammlung geklaut…" unterbrochen. Mit dem unsterblichen «Ride On» und dem Speed-Kracher «Here Comes The Heat», bei welchem Leo und Jgor die Gitarren tauschten, wurde der offizielle Set beendet. Einer, bei dem Mila erneut einen unglaublichen Bass-Teppich vorlegte und eine richtig coole Rampensau abgab. Nach andauerndem Applaus und den lauten Rufen des Publikums folgten die zu erwartenden Zugaben und dies aber nicht, bevor Leo den Bierbecher eines Fans aus seiner Flasche auffüllte. Es ist dieses "wir sind eine Band von euch". Eine, die den Rock wirklich noch fühlt und mit all seinen Klischees auf ihre positive Art auslebt. Eine Combo, bei der Leo wieder zum kleinen Jungen wird und sich nach all seinen Wünschen und Vorstellungen austoben kann. Eine Truppe, die authentisch für den Rock lebt und auch in Zukunft noch einiges zu sagen haben wird. Ich konnte bei drei Gigs dabei sein und verbrachte eine wundervolle, hart rockende Zeit. War alles perfekt? Nein, zum Glück nicht, denn dann wäre es inszeniert gewesen, und das kennen wir schon von einer anderen, sehr bekannten Band aus der Schweiz, die nicht aus Solothurn stammt… - Danke CoreLeoni, danke Seraina Telli, ich werde euch sehr gerne wieder besuchen!
Setliste CoreLeoni: «Sister Moon» - «Make My Day» - «Standing In The Light» - «Downtown» - «Moving' On» - «She Goes Down» - «Purple Dynamite» - «Guilty Under Pressure» - «Let It Be» - «Let Life Begin Tonight» - «Mountain Mama» - «Guitar Battle Leo & Jgor» - «Like It Or Not» - «Drum Solo Alex Motta» - «Firedance» - «Ride On» - «Here Comes The Heat» -- «All We Are» - «Lay Down The Law»