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08. November 2022, Pratteln – Z7
Text & Pics by Oliver H.
Es ist Dienstagabend in Pratteln, und im Vergleich mit dem Wetter braut sich nicht nur im Himmel eine schwarze Wolkendecke zusammen, denn es kommt etwas Wind auf. Als ich das Z7 erreiche, ist im Innern die Party schon im Gange. Die Holländer Distant haben soeben ihr Set eröffnet, und das klang ganz schön aggressiv. In der Halle waren die Besucher noch eher spärlich vorhanden, sodass genügend Zeit blieb, um sich einzurichten, nach vorne zu "drängeln" oder die Merch-Stände zu durchstöbern.
Distant
Die aus Rotterdam stammenden Distant haben sich zum echten Anheizer der Tour entwickelt. Mit ihrem vernichtenden Downbeat schlägt der Sound kollektiv in unseren Ohren ein. Im Publikum öffnete sich ein grosser Raum und wurde zum Spielplatz für diejenigen, die die Gelegenheit nutzten, sich zur Musik zu bewegen und den Sprung auf andere Mitmenschen zu wagen. Songs wie «Oedipism» und «Exofilth» lieferten den perfekten Soundtrack zum Abmoshen. Ersteres schleppt sich durch einen Zyklus von Riffs und bewegt sich in Richtung eines langsameren Finales, während letzteres sich in einem Sperrfeuer von Staccato-Rhythmen und beeindruckender Gitarrenarbeit zerstreut. Während das Sperrfeuer weiter ging, sahen die Bandmitglieder ziemlich zufrieden aus. Frontmann Alan Grnja brüllte seine Zustimmung ins Mikro, während die Musiker mit ihren Bewegungen und ihrem Enthusiasmus für die Show, ihr Energielevel auf eine neue Spitze trieben. Das Publikum reagierte entsprechend und hämmerte zu Tracks wie «Heirs Of Torment» und dem triumphalen Abschluss der Band, «False Gods, mit. Aus ihrem 2019er Album «Tyrannotophia» wurde es mit der Wildheit einer Band aufgeführt die versteht, wie kraftvoll Metal für einen Raum voller eifriger Metalheads sein kann.
Oceano
Auch Oceano verstehen ihr Handwerk. "Macht Krach, wenn ihr Blastbeats mögt!" war die Begrüssung von Sänger Adam Warren, noch bevor überhaupt ein erster Ton vom Opener «Nephilim» gespielt war. Die Lautstärke der Antwort war dann allerdings eher verhalten, was sich im Laufe des Konzerts aber noch ändern sollte. Der Shouter aus Illinois steht am Rand der Bühne, mit dem Selbstvertrauen eines Mannes, der weiss, was seine Truppe liefern kann. Zusammen mit seinen Bandkollegen hat er einen Sturm angezettelt, indem er mit seinem beeindruckenden Gebrüll das Rasseln von «Dawn Of Descent» zum Klingen gebracht hat. Hinter ihm sitzt Matt Kohanowski an der Küche und liefert eines der brutalsten Drummings ab, das ich je auf der Z7-Bühne gesehen habe. Er schlägt auf seine Snaredrum ein, als würde sie ihn aufs Tiefste beleidigen, und dazu lässt er Doublebass Drum-Salven los, die jeden einzelnen an die Wand schlagen. Als Warren einen neuen Track – «Mass Produced» – vom kommenden Album ankündigt, drischt Kohanowski mit wilder Aggression auf sein Schlagzeug ein und drängt sowohl die Band als auch die Fans dazu, sich von seiner unerbittlichen Angriffslust zu nähren. Das Publikum folgt der Einladung gerne. In Circle Pits wird die angestaute Energie entladen, und ein Zuschauer lässt sogar durch Capoeira-Einlagen die Power entweichen. Oceano vermochte die Besucher vor den Bühne zu fesseln, und diese dankten es der Band für die hervorragende Leistung mit reichlich Applaus.
Setliste: «Nephilim» - «Lucid Reality» - «Dawn Of Descent» - «Mass Produced» - «District Of Misery» - «Inhuman Affliction» - «The Taken»
Despised Icon
Die Kanadier aus Montreal haben, genau wie ihre Co-Headliner Decapitated, eine Karriere von mehr als zwei Jahrzehnten auf dem Buckel – wenn auch mit einer vierjährigen Pause dazwischen. Aus sechs ganzen Alben können sie mittlerweile Material beziehen. Die sechsköpfige Band betritt die Bühne und scheint sehr erfreut zu sein, in Pratteln auftreten zu dürfen. Sie führen eine Ästhetik, die sich nicht zwingend dem Deathcore zuordnen lässt. Sie eröffnen ihr Set mit den sägenden Gitarren von «Furtive Monologue» aus dem Jahr 2009. Es ist ein solider Anfang, der das Publikum fesselt, bevor Schlagzeuger Alex Pelletier sein volles Sprengvermögen entfesselt und bildlich gesprochen eine Bombe in der Menge zündet. Von dem Moment an ist der Pit ein faust- und fussschwingendes Durcheinander von Gliedmassen. Die Band fordert den Mob heraus, mit ihr Schritt zu halten, indem sie «A Fractured Hand» einwirft, um das Gewicht der Musik zu erhöhen. Die Doppelsänger Steve Marois und Alex Erian, die von der Bühne aus das Treiben überblicken und mit dem, was sie sehen, zufrieden aussehen, tauschen bösartiges Geschrei aus und bellen ihre Texte über die Musik hinweg. Sie können wirklich das Gift spüren, wenn sie die Worte «Snake In The Grass» während des gleichnamigen Tracks ausspucken. Wie eine frische Batterie liefert Despised Icon störungsfrei den Strom, für ein reibungsloses Set. Sie agieren auf der Bühne zwar starr nach Vorlage, aber wenn die Songs mit so viel Wildheit und Enthusiasmus vorgetragen werden, gibt es keinen Grund sich zu beschweren. Despised Icon beenden ihren Gig mit einem Doppelschlag, bestehend aus «In The Arms Of Perdition» und «Purgatory». Ein offenes Feuer aus Blastbeats, melodischen Soli und heftig schweren Riffs. Erst die angehenden Lichter machten letztlich einigen klar, dass der Auftritt vorbei ist.
Decapitated
Die letzte Band des Abends betritt die Bühne zu einer Kakophonie aus Jubel sowie Gegröle und nahm ihren Platz zum Marschwirbel von «From The Nothing With Love» ein. Das Intro vom aktuellen Album «Cancer Culture» baut sich zu einem vertrauten Crescendo auf und explodiert in den schnellen Blastbeats des Titeltracks, um dann schnell in einen soliden Sprung für die Strophen über zu gehen. Etwas irritiert war zu Beginn nicht nur ich, denn als sich Rasta alias Rafał T. Piotrowski auf der Bühne bereits die Kehle aus dem Hals brüllte, war die Akustik doch stets von instrumentaler Natur. Die Menge fängt sich, so auch der Ton und sie lässt sich vom zermalmenden Riff des Songs inspirieren, während sie mit den Köpfen nickt. Der Sound hat nochmals eine Schippe gutgemacht und Voggs melodische Gitarren-Linien singen auf eine Weise, die Decapitated absolut als verdienten Headliner bestätigten. «Just A Cigarette» und «Earth Scar» treffen den Nerv des Publikums, und es wird zunehmend hektischer im Pit. Die Leute schnappen sich Rastas aufmunterndes Gebrüll und schmettern sich aneinander, wobei sie von anderen Körpern abprallen, die in der Nähe um sich schlagen. Während des eher intellektuellen Tracks «Hours As Battlegrounds» wird ein Moment der Erholung geboten. Obwohl es sich um eine vergleichsweise weniger wilde Komposition handelt, ist es immer noch eine atemberaubende Meisterklasse der Schlagzeugarbeit und weist ein besonders aufsteigendes Gitarren-Solo auf. Es fällt bis dato auf, dass Decapitated den Schwerpunkt des Sets auf ihre spätere Karriere gelegt haben. Als jedoch das Riff zu «Spheres Of Madness» erklingt und die Kraft des frühen Materials freilässt, nimmt die Aktivität im Pit nochmals um eine Stufe zu und beschleunigt sich weiter als Reaktion auf die Brutalität von «Nine Steps», einem Song aus dem Debüt-Album der Band. Diese Juwelen sind eindrucksvolle Erinnerungen an die dauerhafte Qualität der Band und daran, wie gut sie zu Beginn ihrer Karriere bereits geformt waren. Der Vierer steigert noch einmal den Energielevel auf ein ekstatisches Niveau für die Höhepunkte des Sets. Eine rasende Interpretation von «Never» wird ausgepackt, bevor Decapitated sich mit «Iconoclast» von der rasenden Meute im Pit verabschieden – ein weiterer Track von «Cancer Culture», das (in der aufgenommenen Version) zufällig eine Zusammenarbeit mit Voggs anderer Band, Machine Head, ist. Der Abschiedstrack wird mit einem letzten schweisstreibenden Anfall von der Menge aufgenommen und unter frenetischem Jubel begrüsst. Als der Song zu einem abrupten und robusten Ende kommt, sind einige noch gar nicht bereit dazu, das Ende des Konzerts zu akzeptieren. Eisern kleben sie an der Absperrung, auch noch dann, als sich der zweite Headliner des Abends längst verabschiedet hattte und das Saallicht die Spuren dieses grandiosen Audio-Massakers preisgab. Die Leistung des polnischen Quartetts war an diesem Abend nicht zu toppen und hinterliess den Fans eine fantastische Leistung.
Setliste: «Intro» - «Cancer Culture» - «Just A Cigarette» - «Earth Scar» - «No Cure» - «Hours As Battlegrounds» - «Last Supper» - «Silence» - «Spheres Of Madness» - «Nine Steps» - «Never» - «Iconoclast»