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27. April 2023, Zürich - Komplex 457
By Rockslave
Wie wenn der ganze Wahnsinn mit Corona in der Zeit nicht schon genug gewesen wäre, platzte im Februar 2021 die Nachricht, dass Mainman Martijn Westerholt (Keyboards) Delain aufgelöst habe, wie eine Bombe in die Musikwelt hinein! Von einem Tag auf den anderen gab es eine meiner female fronted Lieblings-Bands nicht mehr! Wahrlich ein harter Schlag, dass "aufgestaute Missstände" nicht mehr behoben werden konnten. Doch die Erdkugel dreht sich bekanntlich unbeharrlich weiter, und letztes Jahr stand die, bis auf Martijn, runderneuerte Band am "Riverside Festival" in Aarburg erstmals nach dem Split wieder auf der Bühne. Ich war freilich nicht zugegen, vernahm aber, dass der Auftritt, insbesondere die neue Front-Chanteuse Diana Leah, ganz gut aufgenommen wurde. Nichtsdestotrotz sind Delain für mich Geschichte, und die Erinnerungen an die wunderbare Charlotte Wessels wie auch die talentierte Gitarristin Merel Bechtold (stieg 2019 aus) werden für immer bleiben. Mit dem neuen Studio-Album «Dark Waters» wurden die Karten unter dem verbliebenen Bandnamen neu gemischt. So war es an der Zeit, sich mindestens mal einen Eindruck davon abzuholen. Die "Symphonic Metal Night" im letztlich doch noch gut besuchten Komplex wurde zusammen mit Xandria und der Schweizer Band Illumishade abgehalten.
Illumishade
Für die beiden Eluveitie Bandmitglieder Fabienne Erni (Vocals) und Jonas Wolf (Guitar) sind lllumishade ein neues Projekt. Begleitet werden sie von den höchst talentierten Bandmembers Mirjam Skal (Synths, Arrangements), Yannick Urbanzcik (Bass) und Marc Friedrich (Drums). Allerdings fehlte Mirjam beim ersten Konzert in der Heimat-Stadt Zürich, doch dieser Umstand konnte dem inspirierenden Auftritt nichts anhaben. Vor offensichtlich nicht wenigen und augenscheinlich entsprechend gekleideten Fans zelebrierte die Truppe ein Heimspiel, das von Anfang an mit viel Zuspruch vom zu dem Zeitpunkt zahlenmässig noch bescheiden aufmarschiertem Publikum bedacht wurde. Frohnatur Fabienne blühte in dieser Konstellation nichtsdestotrotz auf und bedankte sich mehrfach für die Anteilnahme der Die-hard Fans. Während es bei Eluveitie insgesamt um einiges ruppiger zu und her geht, klingt diese Formation hier, trotz hartem Gitarren-Sound, um einiges lieblicher und melodischer. Der Abend stand ja unter dem Banner "A night with Symphonic Metal" und, wie praktisch immer in diesem Genre, mit dem Zusatz "female fronted". Obwohl mir das Songmaterial des Openers zuvor wenig bis gar nicht bekannt war, wurden die Eckpfeiler dieser Stilecke gekonnt abgedeckt. Dazu gehört stets auch wehendes Haar, das nicht nur Fabienne zu bieten hatte. Die vorgetragenen Songs stammten überwiegend aus dem aktuellen Album «Eclyptic: Wake Of Shadows» (2020), und wer sich die beiden Videos zu «Hymn» und «Elegy» schon zu Gemüte geführt hat, erkennt rasch das professionelle Level von Illuminshade. Leider war die zugestandene halbe Stunde viel zu schnell vorbei, um der überzeugenden Darbietung wirklich gerecht zu werden.
Setliste: «Overture: The Horizon Awaits» - «Hymn» - «Tales Of Time» - «Crystal Silence» - «Rise» - «Elegy» - «World’s End» - «Into The Maelstrom als Outro»
Xandria
Nächstes Jahr werden die deutschen Symphonic Metaller ihr 30-jähriges Jubiläum seit der Gründung feiern können, wobei die effektive Zeitrechnung eigentlich erst 1999 beginnt und das Debüt-Album «Kill The Sun» von 2003 die effektiv aktive Phase der Band einläutete. Mit «The Wonders Still Awaiting» kam im vergangenen Februar das achte Studio-Album heraus und präsentierte ausser dem verbliebenen Ur-Member Marco Heubaum (Guitars, Keyboards, Programming, Vocals) ein seit letztem Jahr komplett neues Line-up. Schaut man sich die ansehnliche Liste der ehemaligen Bandmitglieder an, weist die aktuelle Frontfrau Ambre Vourvahis nicht weniger als fünf Vorgängerinnen auf, die jedoch nicht auf allen Alben zu hören sind. Darunter war auch Dianne van Giersbergen (Ex Libris), die allerdings nicht mit Anneke van Giersbergen (Ex-The Gathering) verbandelt ist. Obwohl die Mucke die gängigen Genre-Muster abdeckt, war die Konkurrenz gerade in den 2000er-Jahren gross, und die überwiegende Aufmerksamkeit wie den kommerziellen Erfolg kriegten im Prinzip nur Nightwish und Within Temptation ab. Etwas, das viele andere und auch gute Combos wie Edenbridge oder eben Delain deutlich zu spüren bekamen. Somit konnten sich mitunter auch Xandria, besonders wegen der unstetigen Besetzung, nicht entscheidend weiter entwickeln und dümpeln seither im völlig überfluteten Mittelfeld umher. Mainman Marco hat aber offenbar noch genug Benzin im Tank und warf den Band-Motor erneut an. Angeführt von der überaus sympathisch wirkenden wie absolut überzeugend performenden Ambre blieb unter dem Strich jedoch nicht viel mehr als tausendfach zelebrierte Genre-Mucke übrig, dessen zeitweilige Dichte an Melodien wohl für ein paar hell leuchtende Momente sorgte, mehr aber nicht. Die Pfade sind mittlerweile derart ausgelatscht, dass die Chose ohne zwingende Earcatcher-Songs, sprich Hits, bis auf den grundsätzlichen Unterhaltungswert des professionellen Spiels aller Akteure, seinen Reiz merklich und rasch zugleich verlor.
Setliste: «Intro» - «You Will Never Be Our God» - «Reborn» - «Ghosts» - «Nightfall» - «Two Worlds» - «The Wonders Still Awaiting» - «My Curse Is My Redemption» - «Outro»
Delain
Sollte ich mir das nun mit dem Headliner wirklich antun? Natürlich gibt es in der Musikgeschichte zahlreiche Beispiele, wie vermeintlich unersetzbare Musiker den Erfolg einer Band nicht bremsen oder gar verhindern konnten. Und doch finden sich manchmal Situationen, stets einhergehend mit persönlichen Präferenzen, die alles unwiederbringlich auf den Kopf stellen. So erging es nicht nur mir als grossem Fan der Niederländer, die ich im etwa gleichen Zeitraum wie Charlotte Wessels sechzehnjährige Karriere bei und mit Delain begleitete. Nachdem Edenbridge, die noch davor einen ernst zu nehmenden Gegenpart zu den übermächtigen Finnen bildeten, fiel mir zuerst das brillante zweite Album «April Rain» (2009) auf, und bald darauf besass ich auch das ebenso töfte Debüt «Lucidity» (2006), wo Delain per se zwar nur aus Martijn und Charlotte bestanden. Bass spielte dabei kein Geringerer als Marco Hietala (Ex-Nightwish), der zudem nicht weniger als fünf Tracks mit seiner prägnanten Gesangsstimme veredelte und fortan eine tragende Rolle als geschätzter Gastmusiker inne hatte. Mir ging diese Kombination auf jeden Fall runter wie Öl, was auch am sehr ansprechenden Songwriting von Mr. Westerholt lag. Dieser hatte die kompositorischen Zügel fest im Griff, und darum, zusammen mit der perfekten Sängerin, konnten ebenso diverse Musikerwechsel dieser Truppe nichts anhaben. Die beste Phase war dann sicherlich die Zeit, vor allem live, zwischen 2015 und 2019, als noch die talentierte wie sympathische Merel Bechtold (Dear Mother, Ex-Mayan) die zweite Gitarre spielte. Ihr freiwilliges Ausscheiden initiierte letztlich die Wende, die dann vor zwei Jahren zur schmerzhaften Gewissheit wurde. Kurz darauf verkündete Martijn, dass es unter dem Banner von Delain weitergehen werde, und natürlich mit einer neuen Lady am Mikro. Das Rätselraten begann, und alle lagen falsch.
Die Wahl fiel schliesslich auf die in Rumänien geborene und später in Italien wohnhafte Diana Orga (aktuell mit dem Nachnamen Leah). Der Schatten der Vergangenheit, mit der sie ja absolut nichts zu tun hatte, wurde spätestens mit dem ersten Live-Auftritt, nota bene in der Schweiz (siehe in der Einleitung) weggewischt. Die Resonanz beim Publikum war, noch bevor das neue Album verfügbar war, sehr gut, zumal Diana einen sehr ähnlichen Timbre wie Charlotte besitzt. Und genau dieser Umstand machte es mir als langjährigem Fan der Band nicht einfach, mir die zahlreichen älteren Songs im neuen Gewand anzuhören. Gleiches konstatierte zu Beginn auch Charlotte, die in Interviews anmerkte, dass es für sie in der Vorstellung seltsam sei, "ihre Songs" fortan von jemand anders interpretiert zu hören. Aktuell ist dies jedoch bereits Geschichte und die ehemalige Sängerin längst auf Solo-Pfaden unterwegs. Somit muss jetzt nur noch meine Wenigkeit damit klarkommen, und das heutige Konzert trug einiges dazu bei, auch wenn die guten Erinnerungen, zusammen mit einigen tollen Alben, unauslöschlich sind. Dazu gehört auch Marco Hietala, dessen eigene Geschichte, sprich das Loslösen von Nightwish, für das nächste Erdbeben sorgte. An dessen Stelle trat oder tritt womöglich auch künftig Paolo Ribaldini (Skiltron), der die einstigen Parts von Marco übernommen hat. Fakt ist auch, dass die neuen Songs von «Dark Waters» insgesamt melodischer als noch auf dem Vorgänger «Apocalypse & Chill» (2020) wirken, wo vor allem die Eingangs-Riffs deutlich härter klingen. So lässt sich die Zukunft angehen, und die inzwischen gut bevölkerte Location feierte den Auftritt der "neuen Delain" lautstark ab, und mal sehen, was noch kommen wird, da Nightwish der Platz an der Sonne zunehmend streitig gemacht wird und Within Temptation seit 2019, abgesehen von ein paar EPs, kein neues Album mehr am Start haben.
Setliste: «The Cold» - «Suckerpunch» - «Burning Bridges» - «Invidia» - «The Quest And The Curse» - «April Rain» - «Underland» - «The Hurricane» - «Beneath (mit Paolo Ribaldini)» - «Queen Of Shadow» - «Your Body Is A Battleground (mit Paolo Ribaldini)» - «The Gathering (mit Paolo Ribaldini)» - «Don't Let Go» - «Moth To A Flame» - «Not Enough» - «Mother Machine» - «Control The Storm (mit Paolo Ribaldini)» - «We Are the Others»