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13. Februar 2023, Rubigen - Mühle Hunziken
By Rockslave
Bevor sich unser Planet in den Klauen der pandemischen Schockstarre wiederfand, machte in den Staaten drüben eine heisse neue Rockband 2019 mit ihrer ersten EP auf sich aufmerksam: Dirty Honey! Dank YouTube fand dann das erste Video zum Opener «When I'm Gone», der ohne Plattenvertrag zum meistgespielten Lied im amerikanischen Rock-Radio wurde, heisst Platz 1 der Billboard-Mainstream-Rock-Songs-Charts erklomm, auch den digitalen Weg über den Teich und hinterliess ebenso mächtigen Eindruck. Auch wenn Frontmann Marc LaBelle mal mehr oder weniger nach Led Zeppelins Robert Plant klingt, verhindert der eigenständige wie kernig-bluesige Hard Rock die bemühenden Vergleiche, denen einst Kingdom Come oder in der jüngeren Vergangenheit vor allem Greta van Fleet ausgesetzt waren. Deren Sänger Josh Kiszka klingt allerdings sehr ähnlich wie Mr. LaBelle, was noch eine spannende Affiche hergibt. Nachdem ich den allerersten Auftritt in der Schweiz am 18.06.2022 beim "Rock the Ring" (R.I.P.) verpasst hatte, boten sich heuer in Zürich (Dynamo, Saal) und Rubigen gleich zwei Möglichkeiten, diesen Mangel auszugleichen. Dass ich dabei die Mühle wählte, war klar, wenn nicht sonnenklar. Als Support überraschten derweil The Wild Things aus London.
The Wild Things
Wer regelmässig in Rubigen Konzerte und Events besucht, weiss, dass der Montag jeweils eher selten bis kaum belegt ist. Im Fall von Dirty Honey, die auf Anfrage eben verfügbar waren, setzte sich der Veranstalter jedoch wagemutig darüber hinweg und sollte mit seiner Einschätzung des Zuspruchs recht behalten. Davon profitieren konnte die mir zuvor völlig unbekannte Band The Wild Things mit der wunderbaren Frontfrau Sydney Rae White. Nebst der jugendlich frischen wie anziehenden Erscheinung der Leadsängerin überzeugte die ganze Band vom ersten Song an mit unbändiger wie dynamischer Spielfreude. Diese wurde, nebst Sydney, durch Gitarrist Rob Kendrick, Bassist Cameron "Cam" White und Schlagzeuger Pete Wheeler erzeugt. An den Keyboards agierte zudem Josh Roots, der inzwischen ein fester Bestandteil des Line-ups geworden ist. Auf dem Papier wurde der Stil mit Alternative, respektive Indie Rock beschrieben, was sich aber bezüglich (zu) dominierenden, sprich moderneren Vibes zum Glück nicht bestätigte. Vielmehr rockte die Truppe ohne Ende frisch drauf los, flocht während der knappen Dreiviertelstunde auch mal was Funkiges ein und setzte mit balladesken Klängen weitere erfreuliche Akzente.
Im Zentrum stand jedoch unbestritten Miss Rae, die, nebst ihrer hammermässigen Gesangs-Stimme, bei einigen Songs ganz ordentlich Rhythmus-Gitarre spielte, aktiv performte und sich auf der Bühne der Mühle (wer schon nicht?) pudelwohl fühlte. Sie brachte dies mehrfach zum Ausdruck, während sie den Blick ins Publikum über ihr richtete. Mit dabei hatte man zur Hälfte die Songs des full-lenght Debüts «You're Really Something von 2018, ergänzt um neueres Material, das bisher nur in digitaler Form veröffentlicht worden ist. Dazu gehört aktuell auch eine ganz passable Cover-Version des ABBA-Klassikers «Does Your Mother Know», der heute Abend jedoch nicht gespielt wurde. Bei der Recherche zur Band tauchte überdies noch auf, dass der quirlige Blondschopf zusätzliches Talent als Schauspielerin aufweist und unter anderem bei Netflix in der Serie "Uncle" (2014 bis 2017) zu sehen ist. Kaum zu glauben ist dabei, dass 2021 mit «They Talk» ein offenbar ziemlich mässiger Horror-Film dazu gekommen ist. Da ist mir die Musik bedeutend lieber, und hoffentlich dauert es nicht mehr allzu lange, bis The Wild Things mit einem brandneuen Longplayer aufwarten, der die nächsten Konzerte mit sich bringen wird!
Setliste: «Loaded Gun» - «Only Attraction» - «Skin & Bones» - «Paradise» - «You're Really Something» - «Devil's Witness» - «Heaven Knows» - «Drunk Again»
Dirty Honey
Es ist unbestritten, dass inzwischen um Dirty Honey ein gewisser Hype entstanden ist, was zwar nicht alle so sehen, gell El Tino?! Für mich stechen die songwriterischen Qualitäten klar hervor, und nebst der überaus knackigen Instrumentierung, die vor allem auch live keine Gefangenen macht, steht mit Mr. LaBelle eben ein waschechter Frontmann auf der Bühne. Das macht dieses Paket eigentlich unschlagbar, auch wenn kurz vor der Europa-Tour Schlagzeuger Corey Coverstone überraschend absprang und durch Jaydon Bean ersetzt werden musste. Zumindest wurde so die Essenz der Band nicht signifikant geschwächt, aber es könnte sein, dass dieser Entscheid für den erstgenannten Herrn noch schmerzhafte Momente herauf beschwören könnte. Am Tag zuvor begeisterte die Truppe im ziemlich gut gefüllten Saal des Dynamo in Zürich, aber ein Auftritt in der Mühle Hunziken in Rubigen ist alleine schon von der Location her eine ganz andere Angelegenheit, sprich Schuhnummer!
Nachdem die erfreulich frisch-fetzige Support-Band The Wild Things aus dem Vereinigten Königreich bereits voll abgeliefert hatte, war es keine Frage, dass die Amis da noch einen drauf setzen werden, was dann auch geschah. Kaum auf der Bühne, legte das agile Quartett den Hebel um und feuerte gleich aus allen Rohren. Der raukernige Gitarren-Sound von John Notto, gepaart mit der fetten Rhythm-Section von Justin Smolian (b) und Neuzugang Jaydon (d) sowie Marcs messerscharfe Vocals sorgten für ein Rock-Brett der Extraklasse. Spätestens beim eher unbekannteren Aerosmith Cover «Last Child» wurde zudem Gewahr, dass zumindest teilweise eine gewisse Ähnlichkeit zu Steven Tyler besteht, ohne aber an dessen Extravaganz heran zu reichen. Das war jedoch auch gar nicht nötig, denn da ist genug eigene Attitüde vorhanden, und so empfahlen sich die Kalifornier eindrucksvoll für hoffentlich weitere wie baldige Grosstaten.
Die Mühle war zudem für einen Montag ziemlich gut besucht, wenn nicht fast ausverkauft! Trotzdem, und das ist halt der permanente Wermutstropfen des (Deutsch-) Schweizer Publikums, geht Ekstase halt schon anders, doch die Stimmung war letzten Endes schon ansprechend, keine Frage. Was allerdings schon eine Weile, und leider muss man sagen, Einzug gehalten hat, ist die Unart, dass Headliner-Gigs zunehmend nur noch 75 Minuten, statt, wie früher, mindestens 90 Minuten dauern. Eine in meinen Augen fragwürdige Tendenz, wenn die Ticketpreise zunehmend höher als die Spielzeit zu liegen kommen. Unter dem Strich konnte das diesem fabelhaften Konzert-Abend freilich rein gar nichts anhaben. Somit freuen wir uns jetzt schon auf das zweite Langeisen der Amis und die nächsten energetischen Auftritte! Aufgrund der Reaktion beider Bands auf ihre Live-Premieren in der Mühle ist dies ganz und gar nicht abwegig, wetten?!
Setliste: «Gypsy» - «Break You» - «Heartbreaker» - «The Wire» - «Scars» - «Tied Up» - «Last Child (Aerosmith Cover)» - «No Warning» - «Down The Road» - «Ride On» - «Let's Go Crazy (Prince Cover)» - «California Dreamin'» - «Another Last Time» - «When I'm Gone» -- «Rolling 7s»