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22. April 2023, Dübendorf – The Hall
Text & Pics by Oliver H.
AUSVERKAUFT! Electric Callboy zählen derzeit zu den heissesten Acts im Musik-Universum und ihre «Tekkno-Tour» war in den meisten Städten Europas sehr schnell ausverkauft. Ihre Musik vereint viele Stilrichtungen – von Metal bis Pop – mit einer grossen Portion Humor, die sich sowohl in Texten als auch in Videos widerspiegelt. Das Publikum war also sehr bunt gemischt – man konnte alles beobachten – von Amon Amarth Hoodies bis hin zu Perücken und Retro-Sportanzügen in den grellsten Farben. Aber trotz unverkennbarer Unterschiede aller, sind sie gekommen, um mit dem «Tekkno-Zug» zu fahren und zu zeigen, dass sie alle dieselbe Band lieben! Auf der aktuellen Tour wurden die Deutschen von Future Palace als Support und Blind Channel als Special Guest begleitet.
Future Palace
Als erste Band des Abends betraten Future Palace die Bühne. Eine deutsche Post Hardcore Band mit starker weiblicher Präsenz. Sie haben 2022 ihr zweites Album «Run» veröffentlicht, auf dem sich inhaltlich alles um den Umgang mit persönlichen Emotionen dreht. Emotionen, die sich in den letzten Jahren bei vielen Künstlern entwickelt haben und nicht zu ignorieren sind. Hierzulande weitestgehend unbekannt, wurden sie doch von den Wartenden in der Halle mit frenetischem Jubel empfangen. Die Stimmung im Publikum war gut und übertrug sich sofort auf die Anheizer. Frontfrau Maria Lessing sprach gerne mit der partyseligen Menge und forderte gegen Schluss sogar Circle-Pits und Wall Of Deaths von ihr ein. Die Leute machten mit, und die Vorfreude auf den Hauptact war schier grenzenlos. Future Palace markierten scheinbar ein grossartiges Warm-up für die beiden Truppen, die an dem Abend noch folgen sollten. Das Publikum war heiss – heiss auf mehr!
Setliste: «Dead Inside» - «Flames» «Ghost Chapter» - «Defeating Gravity» - «Fever» «Locked» - «Heads Up» «Paradise»
Blind Channel
Die Position des "Special-Guests" hielt die finnische Band Blind Channel inne. Sie haben dadurch Bekanntheit erlangt, dass sie 2021 für Finnland am "Eurovision Song Contest" teilgenommen und schliesslich den sechsten Platz belegt haben. Auch sie sind in irgendeiner Form eine Crossover-Truppe, die teilweise wie die Backstreet Boys aussieht, aber manchmal wie Linkin Park klingt! Es gab Power und Melodik, Metal und Pop, beides verpackt in einem hüpfenden Nu Metal Paket. Der Sound war gestochen scharf und die Lichter genau richtig eingesetzt, um die Sänger in Szene zu setzen. Die Moves wirkten zwar choreografiert, doch das Sänger-Duo Joel Hokka und Niko Moilanen machte den grössten Teil ihrer Aktionen aus. Die Musik der Nordlichter erwies sich beim grössten Teil der Meute als ansteckend und frisch. Beide Sänger duellierten sich mit Klargesang und schrien zu gegebenem Zeitpunkt auch ein bisschen.
Ihre Kombination schien einfach wunderbar zu funktionieren. Es wurden eine ganze Menge Backing-Tapes verwendet, statt aber, vom Schlagzeuger bediente Click-Tracks zu nutzen, haben sie ein extra Bandmitglied, das dafür zuständig ist. Neben ihren eigenen Songs, einschliesslich des Eurovision-Rausschmeissers «Dark Side», spielten sie auch eine aufgemotzte Cover-Version von Anastacias Hit «Left Outside Alone». Eine Gänsehaut-Ballade hatte auch den Weg ins Set gefunden, aber hauptsächlich wurde auf Bewegung und Energie gesetzt. Der Plan der Finnen schien aufzugehen, denn schon wie zuvor bei Future Palace drehte das Publikum völlig am Rad und machte jeden "Scheiss" mit, der verbal von seitens Bühne auf sie traf. In der Halle wurde es allmählich stickig wie feucht, und ich durfte mir gar nicht erst ausmalen, wie es sich beim Headliner Electric Callboy verhalten würde. Schwitzende Körper sangen und riefen lautstark ihre Idole herbei.
Setliste: «Alive Or Only Burning» - «We Are No Saints» - «Died Enough For You» - «Over My Dead Body» - «Bad Idea» - «Flatline» - «Left Outside Alone (Anastacia Cover)» - «Balboa» - «Dark Side»
Electric Callboy
Manchmal scheinen die Songs, die vor Beginn eines Gigs gespielt werden, die Stimmung des Abends widerzuspiegeln. So zementierte Queens «Don't Stop Me Now» das Anliegen der Fans und des Haupt-Acts, die allesamt bereit und eine tolle gemeinsame Zeit haben wollten. Über eine riesige Leinwand wurde, den gesprochenen Sicherheitsvorkehrungen im Flugzeug nicht unähnlich, das Konzert angesagt und eröffnet. «Tekkno Train» machte dabei den Anfang. Die Menge tobte, und bereits beim Opener wurden ein Rolli-Fahrer und ein PET-Container über die Crowd in den Fotograben gehievt. Man spürte, wie der Boden vibrierte, weil das Publikum im Kollektiv auf und ab hüpfte. Riesige Plasmabildschirme, stroboskopische Laserstrahlen, Pyrotechnik der Extraklasse und mehrere Konfetti-Regen trugen dazu bei, die Atmosphäre einer verrückten Party auf ein neues Niveau zu heben. Aufgrund eines familiären Ereignisses war ein Bandmitglied nicht mit von der Partie, was der Stimmung jedoch keinen Abbruch tat.
Die beiden Sänger Kevin Ratajczak und Nico Sallach hatten die Menge von Anfang an fest im Griff, das Publikum dafür die Texte der Band. Bei jedem Track sang es mit, einschliesslich der Cover-Versionen des Backstreet Boys Tracks «I Want It That Way», dem Ronan Keating Heuler «When You Say Nothing At All» oder dem Frozen Filmtitel «Let It Go». Ich stelle immer wieder überrascht fest, wie sattelfest die Metalfans im Mitsingen von Mainstream Radio-Songs doch sind. Anyway! Weder die Band noch das Publikum zeigte während der ersten 85 Minuten Ermüdungserscheinungen, sodass das Fallen des «Thank You» Vorhangs nach der regulären Spielzeit für Unmut im Publikum sorgte. Dieses schrie die Band nochmals zurück auf die Dübendorfer Bühne. Die elektrisierenden Escort-Jungs haben aus Fansicht viele grossartige Titel im Gepäck, aber die Songs, auf die wohl alle am meisten gewartet haben, waren «Hypa Hypa» von der «MMXX»-EP, sowie «Pump It» und «We Got The Moves» aus dem 2022er Album «Tekkno».
Letzterer war dann auch gleich das Schlussfeuerwerk, die Band nochmals in Schale, sprich in schlechte Perücken und hässliche Traineranzüge geworfen, um erneut alles zu geben. Der Saal bebte und tropfte vor gefühlter Nässe, die Fans jedoch, hätten vermutlich noch Stunden weitermachen können. Allerdings gab es im Eingangsbereich das eine oder andere "Erschöpfungsopfer", das medizinisch betreut werden musste. Somit schien der perfekte Zeitpunkt gegeben, die Show zu beenden und die Fans frische Luft schnappen zu lassen. Obwohl mir persönlich, die Musik zu Techno-lastig war, muss ich doch neidlos anerkennen, dass man so eine Party nicht bei jedem Konzert vorfindet – auch nicht bei ausverkauftem Haus. Vor der Tatsache, mit seiner Musik Menschen unterschiedlichster Musikgeschmäcker bei einer Monster-Party vereinen zu können, ziehe ich wirklich meinen Hut!
Setliste: «Tekkno Train» - «MC Thunder II (Dancing Like A Ninja)» - «Hate/Love» - «The Scene» - «Castrop X Spandau» - «Supernova» - «Arrow Of Love» - «Mindreader» - «Best Day» - «Bir» «Drum Solo» - «Hypa Hypa» - «Crystals» - «Fuckboi» - «Hurrikan» - «Careless Whisper/Let It Go/When You Say Nothing At All/I Want It That Way (Acoustic)» - «Parasite» - «MC Thunder» - Zugaben: «Pump It» - «Spaceman» - «We Got The Moves»