Swiss Hard Rock and Heavy Metal Magazine since 1999
You can reach us via email or phone.
+41 (0) 79 638-1021
20. Juli 2022, Zürich – Dynamo (Grosser Saal)
By Tinu
Die Hitze hatte die Schweiz in ihren erbarmungslosen Klauen. Was da für Abhilfe sorgt, ist ein sommerlicher Regen, der Roxx und auch mich ereilte, als wir nach Zürich fuhren. "Dann wird es hoffentlich auch nicht mehr so heiss im Dynamo sein", durchfuhren mich erfrischende Gedanken, die sich aber, sobald wir in der Konzert-Location eintrafen, in Luft auflösten. Die Hitze sollte im Verlauf des Abends noch weiter ansteigen, und dass es nicht von der Decke herunter tropfte, schien ein kleines Wunder zu sein. Schon beim letzten Megadeth Konzert im Komplex schienen die Fans völlig aus dem Häuschen zu sein und liessen erahnen, dass die Anhänger wieder heiss auf Live- Gigs sind. Zumindest erinnerte das Geschrei der Fans und der Pit an die seligen Achtzigerjahre. Die Stimmung beim Megadeth Gig kochte förmlich über, und dies sollte sich an diesem Mittwochabend im Dynamo wiederholen. Auch wenn der Circle Pit bei Heathen erst zum Schluss in Aktion trat, befand sich ganz zu Beginn eine Crowdsurferin (wohl eher unfreiwillig) auf dem Weg zur Bühne. Bei Exodus schien dann alles zu explodieren und junge, sowie alte Fans schubsten sich im Pit hin und her. Es war ein geiler Abend, der zu den denkwürdigsten überhaupt gehört, denn selbst die von Zetro gefordert "Wall Of Death" wurde bei «Strike Of The Beast» von den Fans willenlos ausgeführt.
Heathen
Die Amis um Sänger David White gehören für mich zu den besten Thrash Metal Bands aus den Staaten. Nein falsch, auf der ganzen Welt! Dies aus dem einfachen Grund, weil ihr auf Doppel Lead- Gitarren aufgebauter Metal und die harten, aber auch melodischen Momente in dieser Form einzigartig sind. David verkörpert dabei der Dirigent dieser Truppe und verabschiedete sich nach dem Konzert beim Ausgang persönlich von allen Besuchern. Der muskulöse Sänger bewegte sich auf der kleinen Bühne so gut es eben ging und animierte das Publikum von der ersten Sekunde an. Mit seinen Händen gab er zwischen seinen Gesangsparts den Takt vor. Dieser wechselte sich von fast Blastspeed-artigen Momenten bis hin zu sehr feinfühligen Parts ab. Mit grossartigen Doppel-Leads und einer Setliste, die sich gewaschen hatte, heizte das Quintett dem Publikum otpimal ein. Zumindest liessen die Fangesänge bei «Death By Hanging» erahnen, dass die Leute vor der Bühne heiss auf Heathen waren. So muss achtziger Thrash Metal klingen, so muss ein Publikum angeheizt werden, und so wünsche ich mir weitere Konzerte!
Nämlich solche, bei denen der Headliner einen würdigen Support aussucht und sich gleichzeitig selber anstrengen muss, um die Stimmung nochmals toppen zu können. Heathen waren an diesem Abend, trotzt der Hitze im Dynamo, eine schiere Macht! Diese unglaubliche Spielfreude wurde von allen Musikern mit Leidenschaft präsentiert. Speziell Schlagzeuger Jim DeMaria zerdepperte sein Instrument mit einer ungeheuren Power und Energie. Diese Freude übertrug sich aufs Publikum, und dadurch wurden alte Klassiker wie auch neueres Material von den Anwesenden gebührend abgefeiert. Speziell bei den Nummern vom «Breaking The Silence» Album («Goblin's Blade», «Death By Hanging») und der vom «Victims Of Deception» Werk («Hypnotized») rockte der Bär die Hütte, und den Fans standen die ersten Schweissperlen auf der Stirne, beziehungsweise zeichneten sich feuchte Linien auf den Shirts ab und die Lesebrillen hätten einen Scheibenwischer benötigt. Ich liebe Heathen, und genau gleich wie Flotsam And Jetsam oder Death Angel heimste auch diese Truppe nie den Erfolg ein, der ihnen zustand. Exodus hatten deshalb nach Heathen wahrlich keine leichte Aufgabe zu bewältigen…
Setliste: «This Rotting Sphere (Intro)» - «The Blight» - «Arrows Of Agony» - «Goblin's Blade» - «Sun In My Hand» - «Empire Of The Blind» - «Death By Hanging» - «Hypnotized»
Exodus
…aber die Jungs um Gary Holt (Gitarre), namentlich Tom Hunting (Drums), Steve "Zetro" Souza (Gesang), Jack Gibson (Bass) und Lee Altus' Ersatz Brandon Ellis (The Black Dahlia Murder) liessen nichts anbrennen. Von Beginn weg schien das Dynamo von den Fans aus den Angeln gehoben zu werden. Die Pits wurden grösser und Zetro genoss diesen Auftritt sichtlich. Der Schwerpunkt des Sets lag auf dem Debüt-Album «Bonded By Blood» und dem neusten Streich «Persona Non Grata», von dem auch der Opener «The Beating Will Continue (Until Morale Improves)» stammte. Drei weitere Tracks der neusten Scheibe («The Years Of Death And Dying», «Clickbait» und «Prescribing Horror») sollten noch folgen, während aus dem Kult-Debüt von 1985 «A Lesson In Violence», «And Than There Were None», «Bonded By Blood» und «The Strike Of The Beast» zum Besten gegeben wurden. Als völlige Überraschung wurde «Only Death Decides» vom (in meinen Augen völlig unterbewerteten) «Impact Is Imminent» Album (1990) gespielt. Ansonsten liessen «Blood In, Blood Out», «Blacklist», das aus voller Kehle von den Fans mitgeschriene «Deathamphetamine» und das zum Thrash-Tanz auffordernde «The Toxic Waltz» die Hitze im Dynamo nochmals ansteigen. Die Brillen liefen nun an, die grauen Locken waren pitschnass und alte wie auch viele junge Fans teilten sich den Moshpit, standen bangend und teils staunend vor der Bühne. Auch wenn Brandon seine Sache gut erledigte, konnte er Lee nicht ersetzen.
Auch Jack schien an diesem Abend etwas neben der "Spur" zu sein. Mit seinem "fixierten" Blick stand er für einmal eher "ruhig" auf der Bühne. Abgesehen davon, dass er bei «Blacklist" den rechten Fuss auf der Bühne und den linken auf der Absperrung hatte, welche den Fotograben von den Fans trennte. Sein pumpendes Spiel bleibt aber sehr wichtig für Exodus, und so konnte er nicht nur mit seinem transparenten Bass Akzente setzen. Nach seiner überstandenen Krebserkrankung sah Tom bedeutend magerer aus. Dies hielt ihn aber nicht davon ab, mit voller Inbrunst auf sein Schlagzeug einzuhämmern und somit den grundsoliden Groove und das Tempo vorzugeben. Gary derweilen ist eben Gary, der mit seinen bösen Blicken das Publikum fixiert und wie aus dem Nichts plötzlich wild zu bangen beginnt. Mit den harten Riffs setzte er gitarrentechnisch vieles in den Schatten, was es im Metal zu hören gibt. "This is what a thrash concert should be, Switzerland", bedankte sich der wie immer wild auf der Bühne agierende Zetro. Bei den Solos überliess er den Gitarristen den Platz vorne an der Bühne, um sich seinen Grimassen zu widmen und wild zu bangen. "Have you fun today? Make some fucking noise your Exodus fuckers!" Der Sänger liess mit seiner bekannten, netten und fordernden Art keine Sekunde aus, um das Publikum anzustacheln. Der Shouter schrie sich durch die Songs hindurch, griff sich immer wieder wie ein Wahnsinniger in die Haare und tropfte mit seinem Schweiss die Stage voll. "It feels so good to be back and see all the Swiss faces" lobte Steve die Fans und konnte die sensationelle Stimmung kaum glauben.
Tom verglich diese mit derjenigen, als sie zum ersten Mal, zusammen mit Destruction, in der Schweiz spielten. Ja, es war eine ausgelassene "good friendly violent fun party", welche im Dynamo im Gange war. Der Schlagzeuger bedankte sich auch beim Publikum für die Unterstützung während der letzten beiden Jahre, als er seinem Kampf gegen den Krebs austrug: "All you fuckers helped me in my journey over the last two years". "Very energetic and loud", lobte Steve ein weiteres Mal die Besucher. Ja, die Jungs kamen, sahen und übertrafen sogar noch den Auftritt von Heathen, der schon eine Offenbarung war. Die Intensität war unglaublich, auch wenn der Sound nicht immer perfekt in Szene gesetzt wurde. Doch dies machten die Jungs mit einer wilden Bühnenshow wett. Klar, Gary rennt nicht mehr wie zu "Bonded By Blood" Zeiten gehetzt über die Bühne, trotzdem aber wechselte er immer wieder die Bühnenseite mit Brandon ab und musste dabei aufpassen, dass er nicht die Laufwege von Zetro kreuzte, der stetig in Bewegung war. Mit "We have absolutly an amazing time!" und dem AC/DC Cover «Beating Around The Bush» verabschiedete sich Mister Souza vom Publikum. Mit einem ungläubigen Kopfschütteln (man sah es ihm an, dass er diese Reaktion der Fans nicht erwartete), zeigte er sich, völlig verschwitzt, sehr, sehr dankbar. Auch wenn Exodus "nur" achtzig Minuten auf der Bühne standen, so war jede Sekunde davon wie pures Gold wert. Solche Gigs mit einem derart enthusiastischen Publikum vergisst man so schnell nicht mehr, danke Exodus! Als Roxx und ich das Dynamo verliessen, regnete es draussen erneut und bot so die höchst willkommene Abkühlung nach einem unfassbar geilen Konzert, welches die Decke wirklich beinahe zum Tropfen brachte.
Setliste: «The Beatings Will Continue (Until Morale Improves)» - «A Lesson In Violence» - «Blood In, Blood Out» - «The Years Of Death And Dying» - «And Then There Were None» - «Clickbait» - «Deathamphetamine» - «Blacklist» - «Only Death Decides» -- «Prescribing Horror» - «Bonded By Blood» - «The Toxic Waltz» - «Strike Of The Beast» --- «Beating Around The Bush (AC/DC Cover)»