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04. – 06. Januar 2024, Wasen im Emmental, Hornbach
By Rockslave (rsl) & Tinu (tin) - All pics by Rockslave
Gibt es für Rock- wie Metal-Fans etwas Besseres, als unmittelbar nach den Weihnachts-Feiertagen im Kreise der eigenen Familien in ebenso familiärem Rahmen unter Freunden wie Gleichgesinnten zusammen zu kommen und gleich zu Beginn des Jahres der gemeinsamen Passion in unvergleichlichem Ambiente zu frönen? Kaum, und schon gar nicht, wenn heuer das 20. Jubiläum des ICE ROCK Festivals anstand. Nachdem Organisator Fridu Gerber letztes Jahr krankheitsbedingt sichtlich angeschlagen war, konnte man schon im Vorfeld der Vorbereitungen zum diesjährigen Event erfreut zur Kenntnis nehmen, dass es wieder in die richtige Richtung geht. Dass dies letztlich damit einher ging, dass Chickenhouse als Hausband wieder im Billing stehen, überraschte dabei nicht und sollte sich schon bald positiv in Szene setzen. Mit den drei Headlinern The 69 Eyes, Geoff Tate (Ex-Queensrÿche) und Voodoo Circle wurde ja schon mal mit der grossen Kelle angerührt, doch es sollte diesbezüglich wie kurzfristig noch eine fette Überraschung und eine weitere, festival-relevante Bekanntgabe absetzen. (rsl)
Donnerstag, 04. Januar 2024, erster Tag
Motel Transilvanya
Vom Opener des diesjährigen ICE ROCK Festivals hatte ich bisher noch nie was gehört, und das sollte diesmal auch nicht die einzige Band sein. Im Gegensatz zu vergangenen Jahren stellt man zunehmend fest, dass früher eher Truppen aus der Heimat wie Skansis (2017), Pertness (2016) oder Fat Dog (2020), respektive durchaus auch ausländische Hochkaräter wie One Desire (2018) gleich für ordentlich gute Stimmung sorgten. Motel Transylvania aus dem italienischen Savona stammend, hatten jedoch synthiebepackten Industrial Metal im Gepäck, der insgesamt "eher zäh" daher kam. Leadsänger Toxi Ghoul erinnerte vom Antlitz und seinem Haarschnitt her etwas an Rammsteins Till Lindemann, war aber mindestens zwei Köpfe kleiner.
Der Rest des Fünfers, inklusive eines echten Tastenmannes, was heute schon fast zur Seltenheit wird, wirkte jedoch eingespielt und zog die Chose voll durch. Das noch nicht so zahlreiche Publikum wirkte am Anfang ziemlich lethargisch, aber es dauerte nicht lange, bis die jüngeren Zuschauer das Zepter übernahmen und zunehmend für immerhin etwas Stimmung sorgten. Dass «Taste Of You» spürbare Vibes von Rammsteins «Ausländer» verströmte, half womöglich dabei. Über die Gesamtdistanz fehlte jedoch einiges an Esprit im Sinne von einprägsamen Songs. Dazu wäre zum Beispiel erhöhte Melodik à la Deathstars von Nöten gewesen. Gegen das Ende hin waren jedoch nicht wenige bereit, die Italos gebührend zu verabschieden. (rsl)
Setliste: «Caligo» - «To Hell» - «Taste Of You» - «Plastic World» - «Behind The Storm» - «In My Mind» - «Generation Lost» - «Another Way To Choose» - «Firmament» - «Interlude» - «Rise And Fall»
Secret Rule
Unsere südlichen Nachbarn aus der Gegend um Rom und Lazio stellten auch die zweite Truppe des heutigen Abends, und wiederum gab es, diesmal zu Secret Rule (obwohl 2014 gegründet und bereits mit acht Longplayern im Palmarès), nur ein weiteres Achselzucken meinerseits. Auf dem Papier angesagt war Melodic Symphonic Metal, was nicht selten, und wie in diesem Fall wenn "female fronted", aufgrund der zahllosen Konkurrenz eine Gratwanderung sein kann. Als sich die Band auf der Bühne einrichtete und dabei auch die ansehnliche Frontlady Angela Di Vincenzo in Erscheinung trat, sah man umgehend, dass hier keine Newcomers, sondern gestandene Profis, die 2018 unter anderem mit Serenity und Visions Of Atlantis auf Tour waren, bald für Furore im Hornbach-Tenn sorgen würden.
Und so kam es denn auch, als Secret Rule mit dem Opener «Digital Revolution» gleich mal heftig loslegten. Der Gitarren-Sound von Mainman Andy "Menario" Menarini kam dabei, unterstützt von einem Backing-Synthie ordentlich hart daher. Angelas Gesang war jedoch kräftig genug, um hier bestehen zu können, sprich um nicht von der opulenten Instrumentierung zermalmt zu werden. Gut die Hälfte des Sets bestand aus neueren Songs, sprich von der aktuellen Scheibe «UNInVERSE» und dem letztjährigen Release «The Resilient». Das Ganze hörte sich insgesamt ordentlich tight an, aber hinten raus und trotz der guten Reaktionen des mittlerweile etwas angewachsenen Zuschaueraufmarsches fehlte es einfach an guten Songs, da es an jeglichen Ausrufezeichen mangelte. (rsl)
Setliste: «Digital Revolution» - «I Am» - «The Song Of The Universe» - «Shards Of Time» - «Time Zero» - «The Showdown» - «Disorder» - «Gravity On Us» - «I Wanna Cry» - «From Null To Life» - «Birth» - «UNInVERSE» - «The Illusion» - «Desperation» -- «One More»
The 69 Eyes
Die finnischen Vampire waren am ersten Abend Headliner, und zwar von der Sorte, der den musikalisch moderneren Tag bestens repräsentierte und mit seinem Gothic Flair und der äusserst coolen, ja schon fast reservierten, um nicht zu sagen arroganten Darbietung genau das bot, was man von den 69 Augen erwarten konnte. Dynamisch, und damit schon fast ein Aussenseiter, verdrosch Schlagzeuger Jussi sein Werkzeug, während die anderen Jungs ein kühles Starsein zur Show beitrugen. Der Tourstart zum neusten Album «Death Of Darkness» wirkte allerdings noch ein bisschen holprig, konnte sich aber bis am Schluss hin als erfolgreiche Nummer ehren lassen. Mit der tiefen Gesangs-Stimme hatte Jyrki seine Fans von der ersten Sekunde an im Griff und dirigierte seine nach Blut keifenden Jünger nach Belieben.
"We play the best of The 69 Eyes" liess uns der mittlerweile 55-jährige Shouter wissen, und in der Tat, eröffnete der Fünfer mit einem der grössten Hits, nämlich «Devils» den Reigen, um für die nächsten neunzig Minuten den Wasen in ein Land voller Vampire und Fledermäuse zu verwandeln. Mit "I hope you like it" und "Danke, grazie mille, merci beaucoup, thank you" bedankte sich der Zeremonien-Meister immer wieder beim Publikum. Durch seine wiederholt angedeuteten Bewegungen eines Doktor Frankensteins und der ab und an leicht krächzenden Stimme verzückte Jyrki sein Publikum, welches bei «Dance D'Amour» zum Tanzen aufgefordert und mit «Lost Boys» in die kalte Januar-Nacht verabschiedet wurde. Hinter den Kulissen wurde es anschliessend unerwartet etwas mühsam, was die allgemein gute Stimmung unnötig trübte. (tin)
Setliste: «Devils» - «Don’t Turn Your Back On Fear» - «Feel Berlin» - «Betty Blue» - «The Chair» – «Death In Darkness» - «Drive» - «Cheyenna» - «Sleeping With Lions» - «Never Say Die» - «Gothic Girl» - «Wasting The Dawn» - «Darkness In You» - «Gotta Rock» - «Brandon Lee» -- «Dance D’Amour» - «Lost Boys»
Chaoseum
Die 2018 in Lausanne gegründete Truppe hatte die Ehre, als letzte Truppe Donnerstagsnachts, beziehungsweise Freitagmorgens auf die Bühne zu steigen. Die Nu-Metalcore Truppe veranstaltete dabei nochmals richtig Dampf, konnte aber die Wenigsten daran hindern, den Event vorzeitig zu verlassen. Gesanglich bot Shouter CK Smile das ganze Spektrum von opernhaftem Schwanengesang über keifende Klänge bis hin zu growlenden Parts. Sein an The Clown angelegtes Make-Up trug dabei das Übrige zum Sound und der Show bei.
Der theatralische Auftritt boxte sich durch Rammstein-artige Sounds und Industrial-Klänge, die durch die tanzenden Einlagen des Sängers aufgelockert wurden. Sich mit jüngeren und modernen Truppen auch bei den Teenies im Publikum einen Namen zu machen, ist zwar löblich und hat in den letzten Jahren beim ICE ROCK bestimmt Früchte getragen. Dies waren allerdings einzelne Combos an einem Tag, aber um gleich einen ganzen Abend mit moderneren Sounds zu besetzen, wird sich im Emmental erst noch etablieren müssen. (tin)
Setliste: «Unreal» - «I, Sexy Zombie» - «Smile Again» - «My Wonderland» - «Dance On My Grave» - «Welcome Home» - «Sanctum Cinerem» - «Until The End» - «First Step To Hell» - «The Third Eye» - «Fly Away» - «What If» - «Stick Under My Skin» - «Into My Split»
Freitag, 05. Januar 2024, zweiter Tag
Chickenhouse
Was alle vier Bands am Donnerstag nicht fertig brachten, gelang Chickenhouse mit einem Riff, sprich einem cool gespielten Rhythmus und kernigem Blues Hard Rock. Dass die Band von Organisator Fridu Gerber nicht fehlen durfte, war klar, dass sein Drumkit in der Mitte der Stage ganz vorne am Bühnenrand aufgebaut wurde, jedoch eher ungewöhnlich. Aber wie liess uns Sänger Andy wissen: "Spezielle Bands erfordern spezielle Massnahmen". Dass damit die Bühne für die Mitmusiker des ICE ROCK Chefs noch kleiner ausfiel, hielt die Jungs freilich nicht davon ab, den Wasen in Grund und Boden zu rocken. "Wenn wir zwei neue Lieder spielen, erkennt ihr dies, wenn ich mir die Brille auf die Nase setze" erklärte der Sänger dem Publikum und ergänzte: "Für Fritz sind alle neu!". Chickenhouse waren purer Spass, und so schlossen sich auch viele der Polonaise an, die sich am Schluss des Gigs durch die dichten Besucherreihen des ICE ROCK ihren Weg suchte und von Andy angeführt wurde. (tin)
Setlist: «For The Love Of Money» - «Ready My Lips» - «Bluesman» - «Three In A Bed» - «Asylum Seeker» - «Let’s Make Love» - «Anyone But You» - «When The Well Returns Dry» - «She’s A Lady» - «Ask No Questions» - «Working Man» -- «Slide It On Home»
Mädhouse
Nach dem grandiosen Auftritt von Chickenhouse hatten Mädhouse aus Österreich keinen leichten Stand. Trotzdem versuchte Sänger Tommy Lovelace mit seinen Axl Rose (Guns n' Roses) Gedenk-Moves das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Mit viel Sleaze Rock und einer Portion Party rockten sich die Jungs, bei denen der zweite Gitarrist krankheitsbedingt fehlte, durch das Set hindurch. Die Truppe, welche das erste Mal in der Schweiz einen Auftritt absolvierte, versuchte dies mit einer agilen Spielfreude zu übertünchen, konnte aber selbst Fans der Band an diesem Abend nicht überzeugen. Seien wir ehrlich, nach dem bodenständigen und sympathischen Auftritt von Chickenhouse hätten es die meisten Bands nicht leicht gehabt. (tin)
Setliste: «Sick Of It All» - «Boom Bomb Shaker» - «Hard Luck» - «First Time Lover» - «Rodeo» - «Atomic Love» - «Push Push Rip & Tear» - «Tourette Brunette» - «Tears Like Rain» - «Passionkiller» - «The Horrorwood» - «Say Nothing At All» - «Money Talks Bullshit Walks» - «Down’n Dirty»
Geoff Tate
Die Vorfreude darauf war schon nur nach der Ankündigung immens, aber Geoff Tate, seines Zeichens ehemaliger Frontmann von Queensrÿche, setzte dem Ganzen echt die Krone auf und brachte den kompletten Metal-Klassiker «Operation Mindcrime», heisst in voller Länge, sprich in der Reihenfolge wie auf dem Album auf die Bühne des ICE ROCK Festivals..., hier bei uns..., im Emmental! Man konnte es kaum glauben, aber als das bekannte Intro entsprechend gestartet wurde, war jedem der Besucher bewusst, dass hier im Rahmen der "35th Anniversary of Operation: Mindcrime European Tour 2023" bald etwas ganz Gewaltiges vom Stapel gelassen wird. Und so kam es denn auch, heisst getragen von einer ganz ordentlichen, aber nicht perfekten Tour-Band, lieferte Mr. Tate aber sowas von ab!
Während jüngere Fans im Publikum wohl erst Jahre später realisieren werden, was hier stattgefunden hat, trieb das dem zahlenmässig höheren Anteil der Altfans die Freudentränen in die Augen. Der grundsätzlich gut gelaunte Geoff schien das Ganze ebenso zu geniessen, und als Überraschung kam dann bei «Suite Sister Mary» gar noch seine Tochter Angel auf die Bühne und liess sich neben ihrem berühmten Dad nicht lumpen. Als der erste Part nach gut einer Stunde gefühlt viel zu schnell zu Ende war, kehrte die Band zurück und spielte zunächst drei Perlen vom «Empire» Album, die noch frenetischer abgefeiert wurden. Schliesslich stellte sich die Frage, ob allenfalls noch «Take Hold The Flame» folgte oder eben «Queen Of The Reich»! Ein Blick auf die Setliste genügt, und es war unfassbar geil! (rsl)
Setliste (so zu sagen alles Queensrÿche Cover): «I Remember Now (Intro)» - «Anarchy-X» - «Revolution Calling» - «Operation: Mindcrime» - «Speak» - «Spreading The Disease» - «The Mission» - «Suite Sister Mary» - «The Needle Lies» - «Electric Requiem» - «Breaking The Silence» - «I Don't Believe In Love» - «Waiting For 22» - «My Empty Room» - «Eyes Of A Stranger» -- «Empire» - «Jet City Woman» - «Silent Lucidity» - «Queen Of The Reich»
Rock-Out
Am heutigen Abend wäre nach diesem hochklassigen Headliner zuvor und dann noch mit so einem Set kaum wer noch hier geblieben, um die "Absacker-Band" des zweiten Festival-Abends zu sehen. Doch mit den unbestrittenen Lokal-Matadoren Rock-Out zog man locker einen Royal Flush aus dem Ärmel, was "Flopsi" Badertscher und seinen Jungs zu einem hammermässigen Abschluss gereichte. Wo sich sonst an der Stelle im Programm lichtere Reihen bilden, war die Hütte gefühlt nach wie vor ziemlich voll. Somit liess sich das Emmemtaler Quartett für ihr Heimspiel nicht lumpen und drückte von Anfang an voll aufs Gas. Wer die Jungs schon mal live hat erleben dürfen, wusste um die Qualitäten dieser mittlerweile optimal eingespielten Truppe.
Im Vordergrund stand, trotz kollektiv agilem Einsatz, einmal mehr Frontmann Florian, dessen messerscharfer wie kräftiger Gesang seinesgleichen sucht. Etwas Besseres gibt es für solchen Dampframmen Rock schlicht nicht, und dass dies vor heimischer Kulisse einmal mehr abging wie ein Zäpfchen, war kein Wunder. Angetrieben vom enthusiastischen Publikum steuerte der zweite Abend seinem so zu sagen zweiten Höhepunkt zu. Allerdings wäre es langsam an der Zeit, mit geballt neuem Material daher zu kommen, denn ausser «Bloodmengang» und «I Wanna Live» hat der Rest mehr als drei Jahre auf dem Buckel. Der ausgelassenen Stimmung tat dies allerdings keinen Abbruch, und so verabschiedeten sich Rock-Out unter tosendem Applaus von ihren Fans. (rsl)
Setliste: «Hard Rock'n'Roll Tonight» - «Rolling Thunder» - «Bloodmengang» - «Let You Go» - «Drum Solo» - «Stand Together» - «Whiskey Keeps The Doctor Away» - «7 Minutes In Paradise» - «I Wanna Live» -- «Dead Riders» - «Dynamite»
Samstag, 06. Januar 2024, dritter Tag
Voltage Arc
Eine Zeit lang wurden Fighter V als das nächste heisse Ding in der Schweizer Musik-Landschaft angepriesen, doch hiervon ist relativ schnell nichts mehr übrig geblieben. Deshalb braucht es an der Stelle "Frischfleisch", und da kommt man in dem Zusammenhang, sprich aktuell, nicht an Voltage Arc vorbei. Der hochoktanige Enthusiamus, der hier jeweils auf der Bühne gezündet wird, ist einzigartig. Wenn Frontmann Toni Hörner, Gitarrist Merlin Eichenberger, Bassist Julian Stein und Schlagzeuger Timon Forrer natürlich auch am ICE ROCK mit nackten Oberkörpern den Schalter umlegen, bleibt kein Stein mehr auf dem anderen. Dies ist zumindest die positive Bilanz auf Seite der Performance. Was das Songwriting angeht, hat es bei mir bisher einfach noch nicht "klick" gemacht.
Das liegt am teils ziemlich rüden und auf modern getrimmten Sound und dem Fehlen von grundsätzlich ansteckenden Hooks mit ausgefahrenen Widerhaken. Bis zu einem gewissen Grad wird das von der unbändig losgetretenen Energie und dem grundsätzlich sehr sympathischen Auftreten aufgefangen, aber unter dem Strich können selbst heimatlich gefärbte Einlagen wie ein "Handörgeli" bei «Break Free» oder Fahnenschwingen nicht darüber hinweg täuschen, dass das wahre Potenzial dieser agilen Truppe weiterhin im Verborgenen schlummert. Die zumeist jugendlichen Supporter wie auch viele andere Besucher sahen das allerdings ganz anders als meine Wenigkeit und feierten die Jungs nach allen Regeln der Kunst ab. Soweit also alles in Butter? Die Zukunft wird es zeigen! (rsl)
Setliste: «Tonight» - «Rockin' Man» - «Break Free» - «Sin City» - «Upside Down» - «Waiting To Get Wild» - «If You Slow Down» - «Hardrock Hot Spot» - «Apple Dream» - «For Rock And Roll» - «Never Forget To Drink»
Strange Omen
Bereits beim Soundcheck konnte erahnt werden, dass nun traditioneller 80er Heavy Metal mit möglicher Schlagseite hin zu Judas Priest ansteht. Die bald im Einsatz stehenden Gitarren liessen daran zusätzlich keine Zweifel aufkommen, aber wer zum Teufel sind Strange Omen? Das Tirol gilt ja nicht wirklich als Schmelztiegel harter Klänge, aber seit etwa 2019 ist man unterwegs. Dazu kommt, dass die beiden Klampfen durch Vater Klaus und Sohn Christian Margreiter bedient werden, wobei das, wenn nicht im Voraus bekannt, nicht zwingend auffällt. Mit dabei hatte der Fünfer aus Breitenbach am Inn vor allem die Songs vom im Februar '23 veröffentlichten Debüt «Marasma». Und so legten die ersten vier Songs, nota bene in der gleichen Reihenfolge wie auf dem Album, den ersten Steppenbrand.
Während der Gitarren-Sound durchaus bei Halford & Co. angesiedelt war, brachten die ungewohnt dreckig und rauen Lead-Vocals von Frontmann Räff eine besondere Note ein. Zu Beginn noch etwas gewöhnungsbedürftig, nistete sich die Mucke immer besser im Gehör ein und mauserte sich über die Distanz bald zum Markenzeichen von Strange Omen. Insgesamt mangelte es jedoch auch hier daran, dass die Performance zwar einerseits nichts an Professionalität vermissen liess, andererseits aber die wirklich grossen Momente leider ausblieben. Trotzdem vermochte die Band als Kollektiv zu überzeugen und holte mich, im Gegensatz zu den Jungspunden vorhin, klar ab. Das ging schliesslich so weit, dass die CD des Erstlings meinen ersten und letztlich einzigen Tonträgerkauf vor Ort markierte. (rsl)
Setliste: «Chrome City» - «Dirty Lungs» - «Marasma» - «Thunder Of The South» - «Nightmare» - «Frozen Diamonds» - «Strange Omen» - «Shadows In The Nighttime» - «IV 131» - «Ice Vortex» - «Shores Of Nebulah»
Judge Minos
Wenn mich jemand vor dem Festival gefragt hätte, welche Bands des diesjährigen Festivals besonders in meiner Gunst stehen, dann wären da, neben den Headlinern, Judge Minos zu hundert Prozent mit dabei gewesen. Mit der rattenscharfen EP «The Keeper Of Imbalance» (2020) wurden massig Vibes der alten Iced Earth zu seligen Matt Barlow Zeiten herauf beschworen. Bevor nun im Herbst das heiss erwartete full-lenght Debüt ums Eck flitzt, sollten zu Beginn des Jahres nochmals livehaftige Klänge das Verlangen danach stärken. Da der etatmässige Gitarrist Don Diego abkömmlich war, konnte man Flitzefinger Valentin Mössinger von Comaniac als Ersatz verpflichten. Dieser nahm die Steilvorlage ohne Mühe an und lieferte mit Ex-Kollege Dominic Blum auf jeden Fall voll ab.
Auch der Rest der Truppe sowie vor allem Shouter Hichem Selmi liessen sich nicht lumpen und legten sich voll ins Zeug. Leider galt das nicht für den Sound im Tenn, denn der kam, zumindest vorne weg, viel zu flach, sprich drucklos daher. Das kaufte den an sich epochalen Songs spürbar den Schneid ab, was an der Stelle natürlich schade war. Judge Minos liessen sich davon aber nicht beirren und präsentierten neben allen sechs Songs der EP bereits auch neues Material, das in ein paar Monaten mitunter den ersten Longplayer zieren wird. Auch bei diesem ansonsten soliden Auftritt verhielt sich das gut antizipierende Publikum versöhnlich und verzieh die Unzulänglichkeit auf Seite der Beschallung. Was in diesem Zusammenhang effektiv möglich wäre, bewies zum Beispiel Gus G. 2019! (rsl)
Setliste: «DTA» - «The Keeper Of Imbalance» - «The Deadman» - «Sinners Hymn» - «Orion» - «Hail And Kill» - «Final Flash» - «Only One» - «Sea Of Lies» - «Ruthless» - «Nuclear Winter» - «Believe Or Die»
Maverick
Auf die Nordiren von Maverick war ich sehr gespannt und hatte grosse Erwartungen, drehen sich ihre CDs doch immer wieder in meinem Player. Allerdings machten ihnen der Sound, respektive technische Probleme einen dicken Strich durch die Rechnung (vielleicht hätte der Soundmann sich besser um den Klang der Band auf der Bühne widmen sollen als um einen Shot...) Dies hielt das Quintett aber nicht davon ab, das Tenn ohne Wenn und Aber zu rocken. Die Truppe präsentierte sich als eingespielte Einheit, welche nicht nur mit den beiden Cover-Versionen von Gotthard «Anytime Anywhere» und dem Steelheart (Steeldragon) Track «We All Die Young» vom Film "Rock Star" punkten konnte. Speziell die sympathischen Ansagen von Dave Balfour liessen die Herzen der Anwesenden erwärmen, und so konnten sich die Jungs nach einem gefühlt zehn Minuten langen Gig feiernd von den Anwesenden verabschieden. (tin)
Setliste: «Cold Star Dancer» - «The One» - «Electric» - «The Last One» - «Anytime Anywhere (Gotthard Cover)» - «Kiss Of Fire» - «Angels 6» - «Never» - «Got It Bad» - «Side By Side» - «We All Die Young (Steelheart Cover)» - «In Our Blood»
Alex Beyrodt Band
Was machen, wenn der Sänger zwei Tage vor dem Auftritt mit dem weissen Taschentuch winkt und Corona-bedingt eine Absage machen muss? Den Kopf in den Sand stecken und jammern? Garantiert nicht Gitarrist Alex Beyrodt, der kurzerhand ein paar Kumpels zusammen rief und Ronnie Romeo (Zitat: "…ich war gerade in Dublin und hatte Spass…") aus seiner laufenden Tour riss und dank eines Day-Offs mit ihm am ICE ROCK aufspielen konnte. Die Band traf sich in dieser Konstellation zum ersten Mal am Auftrittstag morgens um 8 Uhr am Basler Bahnhof! Proben? Fehlanzeige, aber die Truppe um Alex, Ronnie, Markus Kullmann (Drums), Rudi Spiller (Bass) und Hannes Luy (Keyboard) sind Profis genug, um sich einer solchen Herausforderung zu stellen.
So standen erstmal fünf einzelne Musiker auf der Bühne in Wasen, wo sich Alex zunächst dafür entschuldigte, dass nicht Voodoo Circle zugegen waren, aber aus den gegebenen Umständen es nicht anders möglich war, als mit dieser zusammengewürfelten Truppe Klassiker von Deep Purple und Rainbow zu spielen (was unserem Rockslave in der ersten Reihe einen steifen Nacken wie einen multiplen Ohrgasmus bescherte! "Oh yesss - rsl"). Ein herausforderndes Unterfangen, welches die Truppe aber locker aus dem Handgelenk heraus spielte. Herausragend einmal mehr Ronnie, der schon bei Rainbow die letzten Konzerte zu einem Highlight werden liess und sich dabei nicht scheute, ins Publikum herunter zu steigen und den Anwesenden das Mikrofon bei «Long Live Rock’n Roll» vor die Nase zu halten. Seine Rückkehr auf die Bühne hatte er letztlich einer beherzt reagierenden Dame (Name der Redaktion bekannt!) zu verdanken, die mit ihren helfenden Händen seinen Knackarsch stützte, da der Shouter nicht mehr ohne Hilfe wieder auf die Stage zurück steigen konnte.
Alex und seine Jungs hatten sichtlich Spass, waren aber auch kritisch genug, dass sie sich ihrer Spielfehler bewusst waren. "Findet jemand einen Fehler, darf er ihn gerne für sich behalten", liess Mister Beyrodt die Fans mit einem breiten Grinsen im Gesicht wissen und um zu erwähnen, dass er Hannes schon seit vierzig Jahren kenne. "Wir haben alles geteilt, auch die Frauen, das weisst du bloss nicht!", gab der Gitarrist mit einem breiten Lachen zu Protokoll. "Ich rede mich hier wieder um Kopf und Kragen" argumentierte der Saiten-Derwisch, der einmal mehr unter Beweis stellte, dass er einer der Besten seines Faches ist und so ganz nebenbei sein Instrument wie ein Keyboard auf eine der Monitor-Boxen ablegte und darauf ein Gänsehaut erzeugendes Solo spielte.
Die Jungs überzogen ihren Set locker um eine Dreiviertel-Stunde, konnten aber mit «Child In Time» noch ein Statement setzen, welches nicht nur Ronnie unsterblich machte. Einige Journalisten waren der Meinung, dass Geoff Tate am Abend zuvor das Konzert des Jahres spielte. Ich halte dagegen und behaupte, dass man die dargebotene Leistung von Alex und seinen Freunden so schnell nicht mehr toppen kann. Es war ein sensationeller Auftritt einer spontan entstandenen Besetzung, die den Hard Rock wie Heavy Metal zelebrierte und aufzeigte, dass sie wahre Musiker sind, die ihre Musik mit "blood, sweat and tears" sowie viel Hingabe und Seele zu spielen vermögen. Es war eine reine Herzens-Angelegenheit und passte so perfekt zum heutigen Abend! (tin)
Setliste: «Highway Star (Cover Deep Purple)» - «Black Night» (Cover Deep Purple) - «Stormbringer» (Cover Deep Purple) - «Hush» (Cover Joe South) - «When A Blind Man Cries (Cover Deep Purple)» - «Stargazer (Cover Rainbow)» - «Burn (Cover Deep Purple)» - «Catch The Rainbow (Cover Rainbow)» - «Long Live Rock'n Roll (Cover Rainbow)» -- «Mistreated (Cover Deep Purple)» - «Child In Time (Cover Deep Purple)»
VA Rocks
Die Ladys von VA Rocks mussten ihren verspäteten Auftritt mit einer Flasche Jack Daniels überbrücken, speziell Gitarristin Cim Dahlle schien der Ice Tea farbige Saft gut gemundet zu haben, hatte sie doch ein ziemliches "Hoch" auf der Bühne. Immerhin standen Alex Beyrodt und seine Jungs noch immer auf der Bühne, als die Schwedinnen gemäss Zeitplan schon längsten auf dieser hätten rocken sollen. Die Damen, welche ich noch als Trio in Erinnerung hatte, haben sich inzwischen mit einem Trommler (Oliver Farkas) verstärkt, rockten aber genau gleich wie noch als Trio am Sweden Rock Festival, als gäbe es kein Morgen und konnten tatsächlich noch viele Besucher davon abhalten, vorzeitig die Heimreise anzutreten. Mit ihrem arschtretenden Sound (Marke AC/DC trifft auf The Ramones) und einer wilden Bühnen-Performance liess die letzte Band des diesjährigen Festivals nichts anbrennen und fackelte die Stage regelrecht ab. So geriet dies dennoch zu einem würdigen Abschluss des 20. ICE ROCK Festivals und bewies eindrücklich, dass Frauen-Bands unweigerlich auf dem Vormarsch sind und sich die Herrschaften künftig warm anziehen müssen. (tin)
Setliste: «The Code Of The Road» - «Play It Like An Animal» - «Here Comes Trouble» - «Woman» - «No More Fucks To Give» - «Rebel Blood» - «Romeo & Juliet» - «Hit The Road» - «Rockbitch» - «Bluesman» - «I Wanna Be Your Captain» - «Gonna Get You» - «Rattlesnake» - «Rock’n Roll Radio»
Fazit zum ICE ROCK Festival 2024: Es wurde würdig angerichtet zum 20-jährigen Jubiläum, heisst alleine schon die angekündigten Headliner versprachen einiges. Dass letztlich mit Voodoo Circle einer davon leider nicht wie geplant auftreten konnte (Sänger David Readman fing sich kurz davor Corona ein!), hielt Mastermind Alex Beyrodt freilich nicht davon ab, für einen der bewegendsten Momente der ganzen Festival-Geschichte zu sorgen. Hauptsächlich zum Gelingen solcher und weiterer Highlights hatte über all die Jahre OK-Buddy und Booker Marco Forster beigetragen. Nach diesem Festival ist nun leider (definitiv?) Schluss damit, und dass ICE ROCK Chef Fridu Gerber bei der Ehrung seines langjährigen Kompagnons die Stimme versagte, zeigte auf, dass das ICE ROCK Festival eben eine Herzens-Angelegenheit ist und seinen familiär geprägten Charme vor allem seinen Protagonisten und dem treuen Stamm-Publikum verdankt. Fakt ist zudem, dass es 2025 weiter gehen und sich Marco nun für aber mindestens ein ganzes Jahr aus dem Veranstaltungs-Gremium verabschieden wird. Wer an seiner Stelle konkret die Fäden für die Zukunft zieht, ist noch nicht ganz klar, aber Tochter Lea Gerber wird ihren Vater dabei tatkräftig unterstützen. "Long live Rock'n'Roll, long live ICE ROCK! (rsl)