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25. Oktober 2024, Pratteln – Z7
By Oliver H. - All Pics by Rönu
Ach, wie waren sie doch toll, die goldenen Zeiten des Stadion-Rocks. Bands wie AC/DC, Bon Jovi, Journey oder Aerosmith liessen tausende von Rock-Fans in die grössten Stadien der Welt strömen, um dort gemeinsam ihre Musik zu zelebrieren. Vierzig Jahre später sind etliche Vertreter dieser glorreichen Ära entweder tot, scheintot oder kurz vor ihrer Pension. Nur wenige tingeln noch durch die Lande, die das Prädikat "wertvoll" verdient haben. Somit ist es eine schmerzvolle Tatsache, dass all die Abgänge der Grossen ein klaffendes Loch in der Live-Landschaft hinterlassen werden. Ein kleiner Hoffnungs-Schimmer bleibt, denn hie und da kommt wieder eine frische Band aufs Parkett die fähig wäre, in solche von Nostalgie geschwängerte Fussstapfen zu treten – Kissin' Dynamite!
Die aus dem Schwabenländle, sprich Burladingen und Münsingen stammende Truppe machte sich ab 2006, damals noch als jüngste Schüler-Band, auf den Weg, um für die legendären Schwergewichte in die Presche zu springen. Nach der offiziellen Band-Gründung 2007 schafften es die Brüder Johannes und Ande Braun, zusammen mit ihren Freunden Jim Müller, Steffen Haile und Drummer Andi Schnitzer, der inzwischen durch Sebastian Berg ersetzt wurde, in den vergangenen, knapp zwei Jahrzehnten sich Schritt für Schritt nach oben zu arbeiten und dabei eine treue Fanbase zu erspielen. Ihr grösster Erfolg stellte sich erst vor Kurzem ein, nämlich die erste Nr. 1 Platzierung in ihrer Heimat für die aktuelle Platte «Back With A Bang». Noch ein Grund mehr, sich diese Gruppe einmal anzuschauen.
Airstrike
Auf der dazugehörigen "Back With A Bang Tour" wurden die Schwaben traditionsgemäss von zwei Support-Bands begleitet. Den Anfang machten KDs Landesvetter Airstrike aus dem schönen Frankenberg, in der Nähe von Kassel. Sie präsentierten vor bereits ziemlich gut gefülltem Haus ihre Eigenkompositionen zwischen Blues, Hard Rock und Rock'n'Roll. Das Publikum lauschte zwar den Klängen des Quartetts, liess sich aber nicht wirklich von den Songs mitreissen. Sänger Julio Noriega, der 2022 bei The Voice Of Germany teilnahm, versuchte die anwesenden Leute abzuholen und für Sing-a-longs zu begeistern, was nur ganz spärlich angenommen wurde. Richtig zu beelenden schien dies die Band jedoch nicht. In der Tat kannte halt fast niemand ihre Songs, und Airstrike waren sich dieser Tatsache wohl bewusst. Also nutzten sie die Gunst der Stunde, ihren frischen Sound, der zeitweise an die Überflieger Greta Van Fleet erinnerte, einem frischen Publikum zu präsentieren, das richtig in Feierlaune und voller Vorfreude war. So verliessen dann die vier Jungs die Bühne des Z7 nicht mit hängenden Köpfen, auch wenn die Begeisterungs-Stürme an diesem Abend für sie ausblieben.
Setliste: «Soul Right» - «Rollin'» - «Beyond The Way» - «Promised Land» - «One In A Million» - «Motor Ride»
Massive Wagons
Mit der zweiten Gruppe des Abends ging es musikalisch erstmal in eine etwas andere Richtung. Die Briten von Massive Wagons legten mit ihrem Radiohit «Missing On TV» einen guten Einstieg hin. Zu Beginn ihrer Karriere hatte man die Truppe eher in die AOR-Ecke gedrängt, davon war aber live nichts mehr zu spüren. Mit einem deutlichen Punk-Einschlag klangen alle Songs wesentlich härter als noch auf dem Album, und «A.S.S.H.O.L.E.» vom aktuellen Werk «Triggered» verleitete Frontmann Barry Mills zu seiner Lieblingsgeste, nämlich den Stinkefinger. Massive Wagons brauchten etwas weniger Anlauf, um das Publikum zu erreichen, denn es fühlte sich bald so an, als wären viele Zuschauer auch wegen ihnen gekommen. Ich persönlich verstehe den Hype um ihre Musik nicht so ganz, da bei mir, ausser der Melodie von «Billy Balloonhead», nichts hängengeblieben ist.
Der Erfolg gibt ihnen aber letztlich Recht! Barry raste während des gesamten Gigs wie ein Gehetzter über die Bretter und animierte die Fans zum Mitmachen, was auch ziemlich gut klappte, besonders beim jüngeren Publikum. Mit «The Good Die Young» wurde es erneut radiotauglich, aber ansonsten dominierten die punkig angehauchten Songs die Szenerie. Nach gut vierzig Minuten und lauten «Oh Oh Oh»-Gesängen wurden die Briten mit gebührendem Applaus verabschiedet. Die gute Stimmung zauberte sogar Sänger Mills ein Lächeln ins Gesicht, der mit seinen Massive Wagons insgesamt einen gelungenen Auftritt hingelegt hatte. Die Besucher war nun entsprechend vorgeheizt für den Headliner des Abends.
Setliste: «Missing On TV» - «Sleep Forever» - «Generation Prime» - «Fun While It Lasted» - «Fuck The Haters» - «The Good Die Young» - «Please Stay Calm» - «House Of Noise» - «Bangin In Your Stereo» - «In It Together»
Kissin' Dynamite
Um 21:15 Uhr fiel der Startschuss für Kissin' Dynamite. Die fünf Chart-Stürmer zogen, entgegen dem Ruf der geizigen Schwaben, alle Register und geizten nicht mit Show-Effekten. Das Bühnenbild wurde von mehrstufigen Podesten dominiert, die mit Lichtern und Lampen gespickt waren. Als der Fünfer mit dem Titeltrack «Back With A Bang» vor sein Publikum trat, kochte die Menge sofort über. Sichtlich gut gelaunt und stets mit blond toupierter Mähne, stand Frontmann Hannes Braun schnell im Mittelpunkt, was sicherlich auch seinem Schuss aus der Luftschlangen-Kanone geschuldet war. Seine sympathische Art und die Entertainer-Qualitäten zogen das Publikum bald auf seine Seite, und dabei agierte er auf der Bühne wie ein kleiner Freddie Mercury oder junger Jon Bon Jovi. Das Publikum war voll im KD-Strudel, sodass der Sänger bereits nach dem Opener weder begrüssen noch danke sagen konnte. Altrocker, junge Damen (die "König Hannes" zu Füssen lagen) und verhältnismässig viele Kinder waren da.
Die Songauswahl lag klar auf dem aktuellen Longplayer, wobei auch ältere Hits ihrer Bandgeschichte nicht fehlen durften. Ihre Setliste war beladen mit grandiosen Hymnen. Neben neuem Material wie «My Monster» oder «The Devil Is A Woman» konnten auch die älteren Knaller wie «DNA», «I've Got The Fire» oder «I Will Be King» begeistern und liessen die ausgelassene Meute mitsingen. Bei Letzterem hielt "König Hannes" das Zepter wirklich fest in der Hand, während er auf einem mächtigen Thron Platz nahm. Dann wurde die Geschwindigkeit etwas zurück- und ein Klavier hereingefahren, damit der Sänger die Ballade «Heart Of Stone» präsentieren konnte. Mit «Queen Of The Night» bewies die Truppe, dass ein Klavier nicht bloss zur Schnulzen-Produktion taugt. Die gute Laune zwischen Band und Publikum switchte nur so hin und her, dass auch eine Ladung riesiger, roter Luftballone ihren Zweck erfüllte. Es dauerte ziemlich lange, bis auch der letzte von ihnen zerplatzt war. Ein Highlight für Fans und Band war die Ballade «Six Feet Under», die ursprünglich vom Plattenlabel als Dreck bezeichnet wurde und hätte aussortiert werden sollen. Die Band blieb hart, was sich im Nachgang als richtige Entscheidung erwies. Mich hatte der Song zwar auch nicht gepackt, aber anyway. Dafür der Rest!
In einer Ansage erklärte der Frontmann, dass es sich lohne, auch in schweren Zeiten Durchhalte-Vermögen zu zeigen, denn auch Kissin Dynamite standen in der Corona-Pandemie angeblich kurz vor dem Aus. Sie entschieden sich glücklicherweise weiter zu rocken, denn dies war «Not The End Of The Road» für Kissin' Dynamite. Glücklicherweise erfragte die Band via Social Media, welche Songs auf Tour gespielt werden sollen, und tatsächlich schaffte es ein Track in die Setliste, den die Band nicht eingeplant hatte: den Kracher und meinen persönlichen Favoriten «The Best Is Yet To Come»! Mit diesen beiden Songs machen die Schwaben Hoffnung für die Zukunft. Unter tosendem Applaus verliessen die Musiker die Bühne, um kurz darauf, flankiert von Security-Leuten, sich ihren Weg durch die Menge zum Mischpult zu bahnen. Der Platz war knapp, sodass Schlagzeuger Sebastian seine Küche gegen ein Cajon tauschen konnte. Gedrängt standen die Musiker Auge in Auge mit den Fans, und mit «Not A Wise Man» folgte eine richtige Gänsehaut-Ballade in akustischer Ausführung.
Im Anschluss ging es durch die Menge zurück auf die Bühne, um mit «You're Not Alone» nochmals alle Register einer pompösen Rock-Show zu ziehen. Die Hymne ist ein Livekracher mit jeder Menge Goodtime-Feeling, und Hannes nutzte die Gelegenheit, um eine kleine Fahrt im Schlauchboot zu unternehmen. Über den Köpfen seiner Fans wurde der Songinhalt bildlich ins Z7 übertragen - nur gemeinsam, Band und Fans, schafft man es, das gesteckte Ziel zu erreichen. Nach etlichen Danksagungen und einer sichtlich gerührten Band war nach 95 Minuten und «Raise Your Glass» das fulminante Ende eines grandiosen Konzertes leider erreicht. Zuschauer und Band waren begeistert und hätten vermutlich noch lange weitermachen können. Mit Fan-Selfie, Drumstick- und Plektrum-Werfen verabschiedeten sich Kissin' Dynamite mit strahlenden Gesichtern von ihren Anhängern, die sie gebührend abfeierten!
Setliste: «Intro» - «Back With A Bang» - «DNA» - «Virgin» - «I've Got The Fire» - «My Monster» - «I Will Be King» - «Heart Of Stone» - «Queen Of The Night» - «The Devil Is A Woman» - «Only The Dead» - «Six Feet Under» - «The Best Is Yet To Come» - «Not The End Of The Road» - «Not A Wise Man» - «You're Not Alone» - «Raise Your Glass»
Das Z7 durfte wieder einmal eine gelungene Bühnen-Show mit gutem Sound und hervorragender Ausleuchtung, einem grandiosen Frontmann mit einer starken Ausstrahlung und einer tollen Stimme erleben. Diese Aspekte und eine Band mit wahnsinniger Spielfreude ergaben eine grandiose Headliner-Show, die über neunzig Minuten begeisterte. 1'500 Fans erlebten an diesem Abend Hard Rock vom Feinsten, in bester Stadion-Rock-Manier. Eine abwechslungsreiche Show und fünf Musiker in Bestform, die allesamt ohne "Hey Motherfuckers!" auskamen, dazu eine Vielzahl von Hymnen und eine Hitdichte, die sich gewaschen hatte. Ich verneige mich als Fan vor Kissin' Dynamite und hoffe, dass sie ihren eingeschlagenen Weg, musikalisch wie persönlich, noch lange beibehalten. Ganz grosses Kino!