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11. Oktober 2022, Pratteln – Z7
By Tinu - All Pics by Rockslave
"Setlist.fm" sei Dank. Schon ein paar Tage vor dem Konzert im Z7 wusste der geneigte Fan, was Saxon spielen würden. Es war eine ausgesprochen ausgewogene Setliste mit sechs neuen Tracks des aktuellen, starken Albums «Carpe Diem». Aber auch alte, schon länger nicht mehr gespielte Nummern wie «Metalhead» und das in meinen Augen sensationelle «The Thin Red Line» kamen endlich wieder zu ihrer Liveumsetzung. Die Vorfreude stieg, und da ich Saxon noch nie schlecht auf der Bühne sah, stand einem tollen Konzertabend nichts im Wege.
Diamond Head
Eröffnet wurde der Abend von den britischen Diamond Head, welche ihre Berühmtheit durch das Metallica-Cover des Songs «Am I Evil» erlangten. Das einzige verbliebene Gründungsmitglied, Leadgitarrist Brian Tatler, genoss den Auftritt sichtlich. Es waren die Riffs, welche der Truppe schnell Sympathiepunkte ein- und die Fans zum Jubeln brachten. Mit Sänger Rasmus Andersen hat Brian sicherlich einen geilen Schreihals in den eigenen Reihen. Einer, der mit seinen langanhaltenden Screams für Aufmerksamkeit sorgte. Aber auch einer, der optisch nicht so richtig ins Bandbild passen wollte. Dass die Fans schon bei Diamond Head gut mitgingen, sollte sich bei Saxon aber nochmals stark steigern. Zumindest sicherte sich der Fünfer mit «In The Heat Of The Night», «Lightning To The Nations» und dem schon erwähnten «Am I Evil» einen Teilerfolg. Fragt man sich, wieso diese Truppe heute nicht in einem Atemzug mit Judas Priest, Iron Maiden oder Saxon genannt wird, stellt man schnell fest, dass eine überragende Nummer einfach zu wenig ist, um aus der Menge heraus zu stechen. Auch wenn das viele Traditionalisten anders sehen, aber im Vergleich hätten Saxon locker mehrere Stunden auf der Bühne stehen können. Trotzdem profitieren die Herren von ihrem Namen und konnten Saxon eine gut aufgepeitschte Audience überlassen.
Saxon
Wie hat es Peavy Wagner (Rage) im Interview zusammen mit Andy B. Franck so schön gesagt: Saxon könnten problemlos drei Stunden auf der Bühne stehen und würden Hit nach Hit spielen. Überlegt man sich, welche Songs («Crusader», «Dogs Of War», «Motorcycle Man», «Power And The Glory», «20'000 FT», «Rock The Nations», «We Came Here To Rock», «Rocking Again», «Ride Like The Wind», «Forever Free», «Are We Travellers In Time», «Ministry Of Fools», «Requiem», «The Devil's Footprint», «Terminal Velocity» und «Battering Ram», um nur ein paar zu nennen) auf der Strecke blieben, hätten diese Tracks eine komplette zweite Setlist ergeben. Aber auch so "zerstörte" die englische Legende das Z7. Sänger Biff mit seinen 71 Jahren steht noch immer bravourös auf der Bühne, singt, als ginge es um sein Leben und lässt es sich nicht nehmen, auf der Bühne zu hüpfen und seine langen Haare zu schütteln. Auch wenn sein "auf die Uhr schauen" und das mit der Frage verbundene "Aren't you tired?" bekannte Gimmicks sind, verliert er nie an Cleverness und einer spitzbübischen Frechheit.
Das rhythmische Rückgrat bilden nach wie vor Bassist Nibbs, der mit seiner wilden Bühnenpräsentation ein weiterer Pluspunkt ist. Wie auch Trommler Nigel Glockler, der mit seinen 69 Jahren von Tag zu Tag ein noch besserer Schlagzeuger zu werden scheint. Was der Mann an Power, Energie und Tightness zu bieten hat, sucht seinesgleichen im Metal-Bereich. Was ein gut gehütetes Geheimnis bleibt, ist die Frage, wieso die beiden Gitarristen Paul Quinn und Doug Scarratt nicht schon lange in einem Atemzug mit dem Duo Tipton/Downing (Judas Priest) oder Murray/Smith (Iron Maiden) genannt werden. Was die beiden an diesem Abend wieder an einem musikalischen Feuerwerk ablieferten, war sensationell. Waren es die sich gegenseitig zugespielten Soli oder die unglaublichen Riffs, hier stehen absolute Spitzenkönner auf der Bühne. Solche, die bescheiden genug sind, um der Musik den Vortritt zu lassen. Sprechen alle immer von DEM Gitarrenriff und meinen damit Deep Purples «Smoke On The Water», ist es für mich klar dasjenige von «Princess Of The Night», welches das Rennen eindeutig gewinnt (aua, die Diskussion mit unserem Rockslave wird lange und unerbittlich! "Warte nur Bürschchen!! Rsl"). «Princess Of The Night» an den Schluss des Sets zu stellen war eine Meisterleistung sondergleichen und liess die wirklich enthusiastische Fan-Meute erschöpft in den kühlen Oktoberabend weichen.
Davor spielten sich die Herren in einen wahren Rausch. Es gibt diese Konzerte, bei denen man vom ersten Ton an weiss, dieser Abend wird legendär. Solche hatten Saxon schon viele, aber der hier Beschriebene zeigte allen Jungspunden, wie man Metal spielt, wie man Hits wiedergibt und wie man sich würdevoll nach 105 Minuten vom Publikum verabschieden kann. Die Truppe wurde schon vor dem ersten Ton mit lauten "Saxon"-Rufen empfangen, und als «Carpe Diem» gespielt wurde, gab es im Z7 kein Halten mehr. Geschickt wechselten die Briten den ersten Teil des Sets mit einem neuen Song und einem Klassiker ab. Das Riffgewitter und das donnernde Schlagzeug bestachen von der ersten Sekunde an, und Biff dirigierte das Publikum, eingekleidet in einen langen Mantel, den er, während der kompletten Show, nicht ablegte. Er war der blonde Löwe und der Zeremonienmeister, der aber seiner Saitenfraktion immer genügend Platz auf der Bühne liess. Schon nach dem ersten Lied schien die Luft im Z7 zu brennen und die lauten Reaktionen erklangen bis aus dem hintersten Ecken der Konzertfabrik. Unterstützt von einem mörderischen Sound und gigantischem Licht erklangen die Riffs noch erhabener. Speziell, wenn man Tracks wie «I've Got To Rock (To Stay Alive)» oder «Solid Ball Of Rock» in den eigenen Reihen hat. Dann zerschneiden die Riffs jedes Edelmetall und jeden Granitblock. "This is a fucking great audience tonight, perfect for an anniversary show!", verkündete der Shouter. Immerhin feierten die Jungs ihr 40-jähriges Band-Jubiläum, das aber auch schon wieder, Corona sei Dank, ein paar Jahre her ist.
Für mich war, wie schon oben erwähnt, «The Thin Red Line» der ultimative Höhepunkt einer an vielen Höhepunkten reichen Setliste. Was in diesem Track von den Gitarristen geboten wird, mit welcher sensiblen und verletzlichen Art das Solo gespielt wird, das hört man kaum mehr in der heutigen Welt. Nach «Wheels Of Steel» war der offizielle Teil beendet. Dass die Herren an das neue Album glauben, belegt, dass mit «The Pilgrimage» die erste Zugabe gespielt wurde. Besser konnten Saxon diesen Part nicht einläuten. Ich könnte hier noch seitenlang meine Lobeshymnen niederschreiben, denn dieser Gig war einzigartig auf seine Art und lässt uns alle hoffen, dass die Truppe wir noch lange auf den Bühnen begrüssen dürfen. Nach dem letzten Ton verneigten sich Biff, Paul, Doug, Nibbs und Nigel völlig verschwitzt von ihrem Publikum. Erzähle ich von diesem Konzerten meinen Enkeln? Nein, denn dazu wären die Ausführungen zu lange und würden Bücher füllen. Solange Saxon Lieder wie «Three Sheets To The Wind» (vom «Battering Ram»-Album) komponieren und diese Energie und Wucht auf die Bühne übertragen können, dann hat die Metal-Welt eine Chance, zu überleben. Danke für einen unglaublichen Abend, der mir beim Schreiben noch immer ein fettes Grinsen auf die Lippen zaubert und der dafür verantwortlich ist, dass sich in den kommenden Tagen nur eine Band in meinem CD-Player drehen wird. SAXON!
Setliste: «Carpe Diem (Seize The Day)» - «Sacrifice» - «Age Of Steam» - «I've Got To Rock (To Stay Alive)» - «Dambusters» - «The Thin Red Line» - «Living On The Limit» - «Dallas 1PM» - «Heavy Metal Thunder» - «Broken Heroes» - «Black Is The Night» - «Metalhead» - «And The Bands Played On» - «Wheels Of Steel» -- «The Pilgrimage» - «747 (Strangers In The Night)» - «Strong Arm Of The Law/Solid Ball Of Rock» -- «Denim And Leather» - «Princess Of The Night»