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Testament - Exodus - Death Angel
24. Februar 2020, Zürich – Volkshaus
Es war ein Killer-Paket, welches unter dem Banner «The Bay Strikes Back» tourte. Eines, das vor etwas mehr als zwei Jahren in der fast gleichen Besetzung die Konzerthallen unsicher machte. Damals gingen Testament zusammen mit Annihilator und Death Angel auf Konzertreise. Dieses Mal wurden die Kanadier durch Exodus ersetzt und drei der wohl bekanntesten, amerikanischen Thrash-Helden beehrten das Zürcher Volkshaus. Aus rein nostalgischen Gründen kann man sagen, dass dies hierfür die richtige Location war. Ich bin mir aber sicher, hätte dieses Paket in Solothurn oder Pratteln gespielt, es hätte mehr Besucher angezogen. An diesem Abend blieb der Balkon in Zürich geschlossen (!), was für viele Besucher überraschend war. Hätte diese Konstellation in den achtziger Jahren den Weg hierher gefunden, wäre dieser Veranstaltungsort garantiert ausverkauft gewesen. Alleine den Umstand, dass das Konzert an einem Montagabend stattfand, lasse ich für den somit längst nicht ausverkauften Konzertsaal nicht gelten.
Death Angel
Die 1982 gegründeten Death Angel legten einen furiosen Start hin. Gewohnt agil war einmal mehr Sänger Mark Osegueda, der mit seinen Sprüngen und seiner Gin-Flasche auf sich aufmerksam machte. Gesanglich bewegte sich Mark zwischen von extrem stark, wie bei den Schlussscreams zu «Thrown The Wolves», bis zu den die Leistungsgrenze überschreitenden Momente bei «Seemingly Endless Time». Alleine aber die Halford würdigen Schreie beim Outro von Judas Priest «Rock Hard Ride Free» zeigten den Ami von seiner besten Seite. Die knapp fünfzig Minuten Spielzeit nutzte der Fünfer am besten. Auch wenn die Platzverhältnisse eher bescheiden waren, bewegten sich die beiden Gitarristen, Rob Cavestany und Ted Aguilar, sehr viel, bangten was die Halswirbel hergaben und legten einen Riffteppich vor, der Seines-gleichen suchte. Ganz abgesehen von den traumhaften solistischen Ausflügen von Rob. Souverän und fast schon lässig stand Bassist Damien Sisson auf der Bühne, streckte die Pommesgabel in die Höhe und grinste mit dem Publikum um die Wette. Dahinter sass Will Carroll am Schlagzeug, trug sein «The Elder» Kiss-Shirt mit Stolz und trommelte wie ein Wilder. Es war eine Thrashwand, die nur durch die Spuckerei von Mark durchtrennt wurde. Die Jungs heizten das Publikum an und einzelne Mosh-Pits bahnten sich den Weg durchs Publikum. Wie es sich gehört, wurde passend zum Motto «The Bay Strikes Back» mit dem Uralthit «Varacious Souls» einer der Meilensteine des Bay Area Thrash gespielt. Die Fans quittierten dies mit grossem Applaus und lauten Death Angel-Rufen. "Thank you for your support. Love you crazy motherfuckers", liess Mark die Anwesenden wissen und seine Leidenschaft für den Metal aufflammen: "Are you fucking ready? Keep the passion alive!" Die Grammy-Anwerter waren der perfekte Opener für diesen Abend. Logisch stellte sich nach diesem Gig die Frage, ob es denn eine Truppe geben würde, die noch besser abliefert? Denn mit dem Abrisskommando «The Dream Calls For Blood», dem Überhit «Seemingly Endless Time» und dem Abschluss-Duo «The Ultra-Violence» und «Thrown To The Wolves», begleitet durch laute "oh-oh-ooh"-Chöre, schien die Stimmung mächtig angeheizt zu sein. Death Angel präsentierten sich wieder mal von ihrer besten Seite, und die Frage nach einer eigenen Headliner-Tour blieb einmal mehr unbeantwortet. Zu gönnen wäre es dem sympathischen Fünfer. Die Musiker nutzten ihre Spielzeit und begeisterten die Anwesenden aufs Beste. Seien wir ehrlich, wer eine solche Vorband hat, muss sich gehörig anstrengen, um nicht abzukacken.
Setliste: «Humanicide», «Varacious Souls», «Claws In So Deep», «The Dream Calls For Blood», «The Moth», «Seemingly Endless Time», «The Ultra-Violence/Thrown The Wolves», «Rock Hard Ride Free (Outro Judas Priest)»
Exodus
Doch es sollte noch besser kommen. Mit dem zurückgekehrten Gary Holt, der während der letzten sechs Jahre bei Slayer spielte, trumpfte die 1981 gegründete Exodus wieder gross auf. Gary bringt wieder dieses aggressive Element zurück, das aber immer mit einer unglaublichen Freundlichkeit vorgetragen wird. Über seine musikalischen Fähigkeiten müssen wir eh keine Worte verlieren. Was er an Riffs aus seinem Instrument raus haut und welche solistischen Ergüsse er zusammen mit Lee Altus abliefert, suchen Ihresgleichen. Die Beiden spielten sich die Riffs zu, liessen sich gegenseitig aber auch genügend Platz und Freiräume bei den Solos. Mit Bassist Jack Gibson stand ein bangendes, blondes Lockenmonster auf der Bühne, das zusammen mit Ur-Trommler und Grimassenkünstler Tom Hunting für einen fetten Rhythmus sorgte. Dazu sorgte der in meinem Augen nach wie vor beste Sänger für Exodus, Steve "Zetro" Souza, der zu Beginn seiner Karriere bei Testament sang (die damals noch Legacy hiessen), für eine un-glaubliche Reaktion im Publikum. Zetro musste nur seinen Zeigfinger drehen und der nächste Mosh-Pit nahm seinen Lauf. Es war auch seine wilde, animalische und beängstigende Mimik, die sich aber immer wieder zu einem zufriedenen und freudigen Grinsen änderte, welches das Publikum anheizte. Mit einem sehr guten Sound und den beiden "neuen" Tracks «Body Harvest» und «Blood In, Blood Out» vom gleichnamigen letzten Studio-album, gings los. Dazwischen wurde der Uralthit «Deliver Us To Evil» eingestreut, der vom Publikum wie der kleine Tropfen Wasser in der ausgetrockneten Wüste aufgesogen wurde. "Zurich make some fucking noise for me!", stachelte Steve die Fans an, um anzumerken: "Monday? It feels like Friday night, do you have fun?" Und wie die Fans diesen hatten. Denselben, der von der Bühne kam und der dank einer sehr "oldschool-lastigen" Setliste keine Wünsche offen liess. Drei Lieder vom Debütalbum «Bonded By Blood» und zwei Hits von «Fabulous Disaster». Was will man mehr? Vielleicht, dass sich Exodus endlich wieder darauf besinnen, dass sie mit dem zweiten Werk «Pleasure Of The Flesh» einen Killer ablieferten, der leider in den letzten Jahren kaum mehr in der Setliste auftauchte. Dies ist aber Jammern auf sehr hohem Level.
Selbst Lee animierte die Fans zu weiteren Mosh-Pits, der mit «Deathamphetamine» einen Klassiker beinhaltete, der fast eine Spielzeit von zehn Minuten hatte. Hier killten die schweren, langsamen Parts mehr als die schnellen. Gary bangte sich die Halswirbel steif, stand ab und zu fast bewegungslos am Bühnenrand, um dann wie vom Blitz getroffen seine Nackenmuskulatur erneut mit mecha-nischen, schnellen Bewegungen zu strapazieren. "35 years! Zurich and Exodus are bonded by blood forever! It's time for a dance! Everybody can do the toxic waltz!". Was für eine Nummer, die auch nach 32 Jahren nichts von ihrem Charme verloren hat und dich noch immer, gefährlich wie ein Piranha, in den Arsch beisst. Der Unterschied zwischen einem Kreator-Gig und einem Exodus-Kommando besteht darin, dass Mille den Spass vermissen lässt. Da klingt alles zu gewalttätig, während bei den Amis der "good friendly violent fun" niemals zu kurz kommt. Da werden nicht verbissen Aggressionen hervor gerufen, sondern mit viel Spass in den Backen eine Party gefeiert, die trotz aller Wildheit und Härte sowie immer mit Rücksicht auf den Nebenmann oder die Nebenfrau geschaut wurde. Exodus legten die Latte nochmals ein paar Stufen höher und hinterliessen nach knapp einer Stunde ein völlig ausgepowertes Publikum. Dies auch dank einer "verhaltenen" Nummer wie «Blacklist» und dem alles niedermetzelnden Abschluss in Form von «Strike Of The Beast».
Setliste: «Zehn kleine Jägermeister (Intro Toten Hosen)», «Body Harvest», «Deliver Us To Evil», «Blood In, Blood Out», «Fabulous Disaster», «Deathamphetamine», «Blacklist», «Bonded By Blood», «The Toxic Waltz», «Strike Of The Beast»
Testament
Wie schon zwischen Death Angel und Exodus, wurde die Bühne ab- und wieder aufgebaut für die nachfolgende Truppe. Dem Headliner wurde mehr Platz eingeräumt, und mit einem fast dreidimensionalen Aufbau, dank Sidedrops und laufsteg-artigen Bauten vor dem Drumriser, bot der Headliner eine richtig fette Show. Die 1983 gegründete Truppe weiss mit den Rhythmusmaschinen Steve DiGiorgio (Bass) und Gene Hoglan (Schlagzeug) eine Wunderwaffe in den eigenen Reihen. Dabei reibt man sich immer wieder überrascht die Augen, wenn man weiss, dass Gene oftmals mit einem Gehstock unterwegs ist, hier aber mit seiner Doublebass Drum alles kurz und klein schlägt. Eric Peterson, der Sohn einer Mexikanerin und eines Schweden, war für die fetten Riffs zuständig. Er überliess den Leadgitarristen-Part Alex Skolnick, der nach wie vor zu den besten Saitenzauberern seines Faches zählt. Mit welcher Leichtigkeit er seine von der Klassik beeinflussten Parts in die Menge schleuderte, scheint nach wie vor nicht von dieser Welt zu sein. Es hat auch seinen Grund, wieso die Zeit ohne ihn die sicherlich nicht erfolgreichste von Testament war. Der grosse Zeremonienmeister bleibt aber Chuck Billy (er spuckte noch mehr als Mark). Ein Riese von einem Mann, der mit seiner Statur und seiner Lockenpracht furchteinflössend bleibt. Sein kräftiger Gesang hebt Testament von den anderen Truppen ab. Seine Lockerheit und sein freundliches Auftreten lassen den sympathischen Indianer zusätzliche Bonuspunkte einsammeln. Dabei spielt er immer wieder Luftgitarre mit seinem berühmtberüchtigten, kurzen Mikrofonständer. "The fucking Bay strikes back!". Man merkte ihm und seiner Truppe an, dass sie stolz auf ihre Herkunft sind. Dass sie eine musikalische Welle injizierten und dass sie trotz aller Erfolge, wie auch Exodus und Death Angel, leider nicht zu den «Big 4» des Thrash Metals gehören. – Dieser Thron wird von Metallica, Slayer, Anthrax und Megadeth besetzt. – Trotzdem, ohne Testament hätte sich der Thrash Metal anders entwickelt. Ohne «Over The Wall» (noch immer mit einem schwindelerregenden Solo versehen!), «The Haunting» (beide vom Debütalbum «The Legacy»), «Eerie Inhabitants», «The New Order», «Into The Pit», «Disciples Of The Watch» (alle von «The New Order»), «Greenhouse Effect» und «Practice What You Preach» (beide von «Practice What You Preach»), wäre die Musikwelt eine andere geworden. Diese Songs waren die Umrandung einer Setliste, die sich sehen und vor allem hören lassen konnte. Dazwischen wurde neueres Material wie «The Brotherhood Of The Snake», «The Pale King» (vom letzten Studioalbum «The Brotherhood Of The Snake»), «Darks Roots Of Earth», «Last Stand For Independence», «Throne Of Thorns» (alle von «Dark Roots Of Earth») und «The Persecuted Won't Forget» (von «The Formation Of Damnation») gespielt. Als Schmankerl wurde das von Gene gewünschte, mit einer killenden Doublebass Drum ausgestattete «Fall Of Sipledome» von «The Gathering» gezockt. Alle Tracks wurden mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerkes gespielt.
Auf der Bühne war der gleich grosse Spass wie im Publikum auszumachen, das sich sogar zu einer Wall Of Death formierte. Während Exodus der wilde ungezügelte Bolzen war, standen Testament für filigrane Technik mit einer unglaublichen Wucht. "Hell yeah! Thank you to support thrash bands! This is a tour with brothers. It's like a brotherhood", liess uns Chuck wissen und ganz ehrlich, so fühlte sich diese Konzertreise auch an. Als Dank an die Fans für all die Jahre spielten Testament einen Song des kommenden Werkes «Titans Of Creation». «Night Of The Witch» beinhaltet alles, was man sich von einem Track des Fünfers erhofft und wünscht. Tolle Riffs, brachiale Power, Tempowechsel und Breaks. Dieser Track machte schon jetzt Laune auf das kommende Album. Eines, das sich garantiert als weiterer Klassiker in die Historie der Bay Area Helden einreihen wird. Diese Tour bewirkte bei den Besuchern das Bewusstsein, dass der traditionelle Thrash Metal lebendiger denn je ist. Dies dank drei Truppen, die sich in den letzten, fast vierzig Jahren durch alle Stürme hindurch kämpften. Dabei dem Grunge für einen kurzen Moment kleinbei geben mussten, aber nach einer kurzen Durststrecke wie der Phoenix aus der Asche auferstanden sind. Death Angel wie auch Exodus und Testament strichen bekanntlich für kurze Zeit die Segel, und alle drei Bands verdanken es eigentlich der Krebs-erkrankung von Chuck und dem dazugehörenden Benefiz-Konzert «Thrash Of The Titans», dass sie sich wieder zusammenrauften und bereit waren für Neues. Es war ein erstaunlicher Abend, dieser 24. Februar 2020, bei dem man nach jeder Truppe dachte, besser kanns eigentlich nicht mehr werden. Aber diese Rechnung hatte man nicht mit den nachfolgenden Combos gemacht. Es war ein Thrashgewitter, das in der Form nicht zu toppen ist. Alleine die fünf Killer-Kommandos als Zugabe von Testament zeigten ein-drucksvoll, mit welchem musikalischen Geschick, feinen Melodien und einer brachialen Härte musiziert werden kann. Danke für diese Show, und wenn sich das nächste Mal noch Overkill, Megadeth und Evil Dead dazu gesellen, dann spricht man nicht mehr von "The Bay Strikes Back", sondern garantiert von "The Thrash Strikes Back"!
Setliste: «Eerie Inhabitants», «The New Order», «The Persecuted Won't Forget», «The Haunting», «Greenhouse Effect», «Dark Roots Of Earth», «Last Stand For Independence», «Throne Of Thorns», «Brotherhood Of Snake», «The Pale King», «Fall Of Sipledome» - «Night Of The Witch», «Into The Pit», «Practice What You Preach», «Over The Wall», «Disciples Of The Watch»
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