Swiss Hard Rock and Heavy Metal Magazine since 1999
You can reach us via email or phone.
+41 (0) 79 638-1021
27. Juli 2022, Pratteln – Z7
By Rockslave - Pics by Tinu
Seit dem letzten Auftritt hier im Mai vor vier Jahren hat sich das Personal-Karussell bei den toten Gänseblümchen unerwartet heftig gedreht und gleich drei der einst fünf Musiker abgeworfen. Zuerst verabschiedeten sich John Corabi (v) und Marco Mendoza (b) im August 2019 gerade noch vor Corona, während Deen Castronovo 2021 von Tommy Clueftos (Ex-Black Sabbath) abgelöst wurde, der wiederum, sprich heuer im Januar Rückkehrer Brian Tichy weichen musste! Dass die Vakanz beim Leadgesang und Bass letztlich durch eine einzelne Person, sprich keinen Geringeren als Glenn Hughes (Ex-Trapeze, Ex-Deep Purple, Black Country Communion) geschlossen wurde, erzeugte zuerst nicht nur bei mir ein paar Stirnrunzeln. Dies in erster Linie deshalb, weil die Gesangsstimme von Glenn keinerlei Ähnlichkeit mit der von John aufweist und man sich gleichzeitig fragte, wie denn die neuen Songs klingen mögen, wenn sich ein neuer Mann mit so einem Palmares beim Songwriting entscheidend einbringt. Doch bereits «Holy Ground», das erste gemeinsame Album, das letztes Jahr veröffentlicht wurde, zerstreute nicht nur meine Bedenken ziemlich schnell. Überhaupt umgaben den heutigen Abend nur positive Vibes, für die mitunter auch der CH-Support stand.
Backwater
Was vermeintlich nach einem alten und bekannten Gassenhauer von Status Quo klingt, hat nichts mit der britischen Boogie Rock Legende zu tun. Vielmehr steckt hier eine Schweizer Rock'n'Roll Band dahinter, die sich im Wesentlichen aus aktuell drei ehemaligen Musikern von Sideburn zusammen setzt. Gemeint sind damit die Landsleute aus dem gleichen Kanton und nicht etwa die gleichnamige Combo aus Schweden. Konkret sprechen wir somit von Fred Gudit (g/backing vocals), Stéphane Monbaron (g/backing vocals) und Michel Demierre (b/backing vocals). Vervollständigt wird das Line-up durch Dédé Schmid (lead v) und Thierry Wetzel (d/backing vocals). Fred gründete ja bereits 1985, zusammen Roland Pierrehumbert, die Band Genocide, aus der dann 1997, verbunden mit einem Stilwechsel, sprich weg vom Heavy Metal in Richtung Hard Rock, eben Sideburn entstanden.
Backwater exisitieren seit 2012 und verfolgen seither die gleiche Schiene wie zuvor, sprich AC/DC, ZZ Top, Creedence Clearwater Revival and Rose Tattoo gehören zu den Paten. An sich schon lange nichts mehr Weltbewegendes unter der Sonne, aber es kommt halt darauf an, was man damit macht. Angeführt vom quirligen Frontmann Dédé und einer soliden Performance seiner Kollegen wurde der Draht zum Publikum bald geknüpft und liess eine antizipierende Party-Stimmung aufkommen. Die einfach gestrickte Mucke entwickelte einen passablen Druck und wurde von kollektiver Spielfreude getragen, die sich auf das Publikum übertrug. Dass sich dann aber der als letzter Song gespielte AC/DC Klassiker «It's A Long To The Top, If You Wanna Rock'n'Roll» refrainmässig als einziger griffiger Widerhaken entpuppte, zeigte dann halt wieder einmal mehr auf, wo die Grenzen liegen. Nichtsdestotrotz wurden Backwater ihrer Rolle als Anheizer absolut gerecht und sicherten sich so einen feinen wie verdienten Schlussapplaus.
The Dead Daisies
Wie bereits im Vorwort angedeutet, beinhaltet das neue Song-Material zwar neue Vibes, aber gerockt wird nach wie vor vom Allerfeinsten! Und genau auf das freute man sich seit der Ankündigung dieses Konzertes ziemlich doll, als kurz davor die zunächst betrübliche Nachricht die Runde machte, dass Glenn sich unmittelbar zuvor mit Corona angesteckt habe und deshalb ausfalle. Da die restlichen Bandmembers aber auf jeden Fall spielten wollten, musste zur Überbrückung eine Lösung gefunden werden, und dies in einem vergleichsweise sehr engen Zeitfenster. Hiess konkret, dass beide Posten vorübergehend fremd zu besetzen waren, und zwar mit Sänger Dino Jelusić (Ex-Animal Drive, Dirty Shirley, Whitesnake) und Yogi Lonich (Ex-Buckcherry und dort als Gitarrist) am Bass. Das bedeutete vor allem für Dino einige Arbeit, sich das TDD-Liveset möglichst schnell drauf zu packen, und da zeigte sich unmissverständlich, was einen Profi ausmacht, selbst wenn einige Blätter mit den Liedtexten auf der Bühne als Unterstützung unvermeidbar waren. Auf jeden Fall war dies heute Abend im Z7 und nachfolgend noch in Karlsruhe (D), Halle (D) und Oberhausen (D) eine einmalige Affiche, die sich so ziemlich sicher nie mehr wiederholen wird! Wirklich zu verlieren gab es eigentlich nichts, aber ein gewisses Risiko kann bei solchen spontanen Hau-Ruck Aktionen nicht vermieden werden. Zudem könnte man das Gefühl kriegen, dass der gute Dino den Spuren von Ronnie Romero als Hansdampf in mittlerweile einigen Gassen folgt, doch noch ist es nicht soweit.
Die rund etwa 400 Fans, die mehrheitlich ziemlich sicher wussten, dass Glenn Hughes nicht mit von der Partie sein wird, kamen danach in den Genuss einer wirklich speziellen Show unter dem offiziellen Banner von The Dead Daisies. Während der Opener «Long Way To Go» vom 2016er Album «Make Some Noise» zur Corabi-Ära gehörte, sprang «Unspoken» danach (ab «Holy Ground», 2021) fast in die Gegenwart. Für Dino machte das natürlich keinen Unterschied, und spätestens ab «Rise Up» (vom Album «Burnt It Down», 2018) lief die Maschine wie geschmiert! Des Weiteren entpuppte sich auch Yogi Lonich in seiner Rolle als absoluter Glücksfall und sein pumpender wie unentwegt bollernder Bass war weit mehr als nur eine Verbeugung vor Master Hughes. Auch «Radiance», der Titeltrack vom brandneuen Album, das noch nicht veröffentlicht ist, geriet ganz gut, und der 30-jährige Frontmann auf Zeit lieferte hierbei voll ab! Der absolute Höhepunkt kam dann, und nicht ganz unerwartet, bei «Mistreated», das keine Wünsche offen liess. Je länger das Konzert andauerte, desto besser harmonierten alle Musiker, und die prächtige Stimmung beim Publikum war der Lohn des Ganzen. Offensichtlich hatte auch der Lichtmischer gute Laune und steuerte fettes Licht bei, was die Chose noch weiter festigte. Nach dem unverwüstlichen «Midnight Moses» (unschlagbar mit Corabi!) als erste Zugabe geriet dafür «Burn» zum Triumphzug und hinterliess nach gut achtzig Minuten Spielzeit nur zufriedene Gesichter! Es war anders geil, da geil anders, und Chapeau Dino wie Yogi!
Setliste: «Long Way To Go» - «Unspoken» - «Rise Up» - «Dead And Gone» - «Radiance» - «Bustle And Flow» - «Fortunate Son (Creedence Clearwater Revival Cover)» - «Drum Solo» - «Mistreated (Deep Purple Cover)» - «We're An American Band (Grand Funk Railroad Cover)» - «Shine On» -- «Midnight Moses (The Sensational Alex Harvey Band Cover)» - «Burn (Deep Purple Cover)»