Zum Jahresende häufen sich wieder die grossartigen Momente, bei denen ich mich grundsätzlich sehr glücklich schätze, mir "meine Musik" anhören zu können. Hatten mich Anthrax nur gerade zwei Tage zuvor völlig von den Socken gehauen, und ich wage zu behaupten, dass ich dabei das Konzert des Jahres 2024 sah, so sägten The New Roses heute Abend allerdings ganz gewaltig an diesem Thron! Was die Wiesbadner da im Z7 boten, war nichts anderes als eine Rock-Party der Sonderklasse. Die Spielfreude, die Songs und die Atmosphäre, die von der Bühne ausgingen, glichen der Performance von The Dead Daisies, die erst gerade an gleicher Stätte einen ebenso gewaltigen Auftritt hingelegt hatten.

Black Diamonds
Bevor aber The New Roses die Bühne bestiegen, lag es an den Rheintalern von Black Diamonds, die schon seit zwanzig Jahren im Geschäft sind, dem Publikum für den Headliner gehörig einzuheizen. Die Jungs um den singenden Gitarristen Michi Kehl sprangen für Dave And The Dudes ein und konnten das Publikum mit ihrem Glam-artigen Hard Rock, den Refrains und Chören sowie einer sehr agilen Bühnen-Show bald auf ihre Seite ziehen. Waren es der Leoparden-Mantel von Bassist Andi, der schwarze Alice Cooper Gedenkstrich bei Trommler Manu über dem einen Auge oder die Lederklamotten, die Achtziger standen unverkennbar auf der Bühne und rockten.



Einem eingeschworenen Glam Rock Fan fehlten aber die langen Haare bei den Musikern des schwarzen Diamanten. Dies störte jedoch das altersmässig sehr durchmischte Publikum nicht im Geringsten und die holde Weiblichkeit schon gar nicht. Auch wenn bei Michi gesanglich ab und zu einige holprige Stellen zu vernehmen waren, konnte sich der Vierer mit lautem wie verdientem Applaus vom Publikum verabschieden.

Setliste: «Through Hell And Back» - «Evil Twin» - «Yesterday's News» - «Forever Wild» - «After The Rain» - «I'll Be Ok» - «Rock n'Roll Is My Religion» - «Thrillride» - «Lonesome Road» - «Paradise»

The New Roses
"Pratteln, habt ihr Bock auf Rock'n'Roll?", wollte Sänger Timmy Rough gleich zu Beginn wissen. Und wie sich das Z7 darauf freute! Mit dem Einstieg «Attracted To Danger» wurde gleich mit viel Power, Rock und Leidenschaft in den Set gestartet. Sofort befand sich Lead-Gitarrist Norman auf Betriebs-Temperatur. Der langhaarige Gitarrero bangte von der ersten Sekunde an, stand breitbeinig auf der Bühne und poste ohne Ende. Allein, oder zusammen mit seinen Mitmusikern. Die Power, die von diesem Energie-Bündel ausging, war ansteckend und infizierte die Besucher mit dem Rock'n'Roll Virus. Daneben war es Bassist Hardy, der seinen Geburtstag feierte und von den Besuchern unaufgefordert nach «When You Fall In Love» das erste Ständchen spendiert bekam. Mit seinem pumpenden Spiel drückte er dem Sound seinen prägenden Stempel auf.

Weiter gings mit der schönen Ballade «For A While», welche die emotionale Seite der Hard Rocker offenbarte. Mit viel Tiefgang, Sensibilität und Feingefühl stand dieser Track zwischen Party-Krachern und bluesigen Rock-Nummern. The New Roses sind für mich, und nicht erst seit diesem Abend, die ultimative Truppe, welche Aerosmith, KISS, AC/DC, Molly Hatchet oder Bad Company beerben können, respektive ihrer Musik mit der gleichen Leidenschaft und Hingabe Leben einhauchen, was durch Blut, Schweiss und Tränen gesegnet ist. Neben The Dead Daisies werden The New Roses die Fackel des Hard Rocks ebenso weitertragen und so manches olympisches Rock-Feuer entfachen. Hier wird kein Einheitsbrei geboten, sondern da stehen Musiker auf der Bühne, die ihren Sound lieben, leben und verinnerlicht haben.

Als kurzzeitig ein Morsezeichen-artiges Geräusch von der Bühne zu hören war und sich Gitarrist Dizzy um seine Gitarre kümmern musste, nutzte Norman die Unterbrechung für ein kurzes Solo, was Timmy mit einem Lachen zu folgender Aussage bewegte: "Darauf hast du gewartet, du hast doch vorhin über das Kabel gepisst", um dann mit den folgenden Worten den nächsten Track anzusagen: "Deshalb kommt ihr hierher, weil ihr zu Hause die nicht vorhandene DVD nicht sehen könnt", grinste Timmy ins Publikum, um mit «The Lion In You» einen Hit des Vorgänger-Albums «Sweet Poison» vorzustellen. Aus dem neuen Werk «Attracted To Danger» wurden sieben Tracks gespielt, was belegt, welche Klasse die neuen Songs aufweisen. Im Umkehrschluss wichen andere Klassiker («The Veins Of This Town») und mussten den neuen Knallern Platz machen. Die Backing-Vocals kamen von Hardy, Dizzy und Urban, der mit seinem mächtigen Schlagzeug-Spiel den arschtretenden Takt vorgab. Die Mischung aus erdigen Sounds, Melodien und packenden Parts, auf die die Fans gewartet hatten, wurden von einem eingespielten, spielfreudigen und angriffslustigen Kollektiv dargeboten.

"Wenn ihr sehen könntet, was wir sehen, nämlich eure strahlenden Gesichter, dann sind unsere Akkus sofort wieder voll!", bedankte sich Timmy beim begeisterten Publikum. Mister Rough, der früher auch die Gitarre bediente, musste bis zu «Natural Bond Vagabonds» warten, bis er sich die Akustische umschnallen konnte. Ein weiterer Gänsehaut-Moment war «Hold Me Up», welches den Sänger allein auf der Bühne präsentierte. Was er dabei gesanglich von Stapel liess, sucht in der heutigen Zeit seinesgleichen. Sänger dieses Formats sterben je länger je mehr aus. Timmy konnte das Publikum locker animieren, um die Dezibel Anzeige im Z7 über 100 db zu jagen. Dies geschah bei «It's A Long Way», als die Besucher alleine sangen. Die Ansage dazu hatte es auch in sich. "Damals im Proberaum hatte ich gehofft, dass wir diese Nummer irgendwann auf die Bühne des Z7 spielen werden". Timmy suchte den direkten Kontakt zu den Fans. Dazu sprang er in den Fotograben, als die Band «Glory Road» spielte und die Besucher den Sänger, so nah wie er war, spontan herzten.

"Was würdet ihr sagen, wenn ihr nochmals Gas geben würdet und damit Geschichte schreibt? Damit ich bei den kommenden Interviews zum nächsten Album auf die Frage "welches war der legendärste Auftritt? immer sagen muss: ganz klar Pratteln!" Timmy wusste genau, wie er die Schweizer aus der Reserve locken konnte und vergass auch nicht, woher er und seine Jungs kommen. Dies verdankte er dem (mittlerweile verblichenen) "Hall Of Fame" (in Wetzikon), als The New Roses dort eines der ersten Konzerte in der Schweiz überhaupt spielten, und die Auftritte danach mal grösser, kleiner und wieder grösser wurden. Mit «Glory Road», «Every Wild Heart» und «Thirsty» ("Pratteln, ich will Euch hüpfen sehen!") wurde der offizielle Teil der Show beendet. Ein Ereignis, das sich umgehend in den Köpfen der Besucher einnistete und keinen einzigen, enttäuschten Besucher zurückliess.

Mit dem bereits erwähnten «Hold Me Up» wurde der Zugabeteil eröffnet, um dann in das grandiose Finale überzugehen. Mit «The Usual Suspects» und dem aus allen Kehlen mitgeschrienen «Down By The River» ("Just a six-pack and a radio, down by the river") wurde ein Konzert-Abend der Extraklasse beendet, der zu den bewegendsten in diesem Jahr gehört. The New Roses scheinen mit jedem Gig nochmals ein paar Briketts nachlegen zu können. Die ansteckende Spielfreude, der unglaublich eigenständige und hammergeile Gesang sowie das internationale Flair, welches die Jungs sich erarbeitet haben, wird irgendwann Stadien füllen. Neben den The Dead Daisies haben The New Roses nicht nur die passenden Songs, sondern auch die Attitüde besser, grösser und noch mächtiger zu werden. Dieser Abend war ein Ereignis, dem sich niemand entziehen konnte. Schade für all diejenigen Leute, die nicht mit dabei waren!

Setliste: «Attracted To Danger» - «Bring The Thunder» - «When You Fall In Love» - «For A While» - «Dancin' On A Razor Blade» - «The Lion In You» - «Forever Never Comes» - «Four Wheels» - «Natural Born Vagabonds» - «1st Time For Everything» - «Nothing But Wild» - «It's A Long Way» - «This Heart (inklusive kurzes Guitar-Solo von Norman Bites)» - «Glory Road» - «Every Wild Heart» - «Thirsty» -- «Hold Me Up (Acoustic)» - «The Usual Suspects» - «Down By The River»