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27. Mai 2023, Pratteln - Z7
By Tinu
Es war ein warmer Vorsommer-Abend, dieser 27. Mai 2023, und ich bin mir sicher auch einer, den viele Konzert-Besucher so schnell nicht mehr vergessen werden. Vorausgesetzt, sie besuchten das Z7 in Pratteln. Eingeladen hatten The New Roses aus Wiesbaden. Das Menü war eine frische Portion, frecher Rock'n'Roll mit einem Sänger, der aktuell seinesgleichen sucht. Timmy Rough ist für mich die perfekte Stimme, wie man den harten und bluesigen Rock präsentieren kann und mit seinen Jungs eine Macht auf der Bühne ist. Mit dem neuen Album «Sweet Poison» im Gepäck und vielen Klassikern als Garnitur legten die Herren wie die Feuerwehr los. Allerdings wollten sie den Brand nicht löschen, sondern entfachten ein Feuerwerk an Leidenschaft, wie man es heute nur noch selten zu hören und zu sehen bekommt. Als Support war Seraina Telli im Gepäck. Somit durfte sich der Besucher nicht nur auf klassischen US Hard Rock, sondern auch auf eine gehörige Portion frechen Rotz'n'Roll freuen.
Seraina Telli
Die talentierte Sängerin hat sich zwischenzeitlich zu einer fixen Grösse in der helvetischen Musik-Szene gemausert. Ihr rotziger und punkiger Rock-Sound verliert nie seinen Glanz, sondern wird mit jedem Konsumieren noch eine Spur reizvoller. So auch an diesem Samstagabend im Z7. Logisch verteilte ihre Truppe wieder die blauen und grünen Leuchtstäbe (passend zu den Farben in Serainas Haaren), und logisch fehlte auch die emotionale Ansage zu «Take Care» nicht. Ihre freche aber immer nette Art, das Publikum aus der Reserve zu locken, zeigte auch im Z7 Wirkung, und so konnte die Aargauerin erneut einen Sieg auf ihrer Seite verbuchen. Gesanglich war Seraina einmal mehr eine Klasse für sich. Dabei entlockte sie ihrer Stimme emotionale, leicht verletzliche Töne.
Dazu aber auch raue und aggressive Klänge, und das Mitsingspiel mit den Fans, bei dem sie einen unglaublichen Scream heraus haute, bewies, welches Potenzial in ihr steckt. Selbst kleine "Pannen" konterte Seraina mit einem unglaublich kecken Spruch: "Das ist das Problem, wenn man keine Techniker auf Tour hat und alles selber machen muss!" war ihre Antwort auf den Moment, als sie ihre Gitarre wieder einstöpseln wollte und dies einen Moment brauchte. Seraina besitzt die Fähigkeit auf den ganz grossen Bühnen zu rocken, vermag aber auch jeden Club zum Brennen zu bringen. Sind wir also gespannt, wohin ihre Reise noch gehen wird, denn das zweite Album «Addicted To Color» setzt den wichtigen Gradmesser für den weiteren Verlauf ihrer Karriere.
Setliste: «Dreamer» «Remedy» - «I'm Not Sorry» - «Take Care» - «Not One Of Your Kind» - «G.E.B.» - «Soldier Of Fortune» - «Modern Warrior»
The New Roses
Dann stand für mich die Truppe auf der Bühne, welche eines Tages die grossen Rock'n'Roll Bands beerben wird. The New Roses haben alles, was eine sehr erfolgreiche Combo ausmacht. Unglaublich geile Rock-Tracks, die mit viel Blues und ein bisschen Country versehen sind und alles abdecken, was sich zwischen tränenreichen Balladen und arschtretenden Rock-Tracks bewegt. Ein sehr cleverer Schachzug ist der Wiedereinstieg von Norman Bites, der den Jungs mit seiner wilden Bühnenpräsentation, einen unglaublichen Tritt verleiht. Sein Posing sucht seinesgleichen, wie auch sein Gitarrenspiel. Steht er breitbeinig auf der Bühne, zockt seine Solos, wirft seine langen Haare nach hinten und schaut anschliessend grinsend ins Publikum, dann sieht man amerikanisches Flair in Reinkultur. Zusammen mit Bassist Hardy gehen gewisse Posings sogar in ein Accept-artiges Ballett über, was aber als Kompliment zu verstehen ist. Hardy zockt derweilen einen bluterfrischenden Rhythmus-Part, der die rote Flüssigkeit durch die Rockvenen pumpte.
Zusammen mit Urban war er auch für die Backing-Vocals zuständig, wie auch Dizzy. Urban braucht kein übergrosses Schlagzeug, besitzt dafür einen unglaublichen Groove, der über seine Arme und Beine durch sein Arbeitswerkzeug erzeugt wird. Auf diesem musikalischen Teppich können sich die anderen nach Lust und Laune austoben. So auch Dizzy, der seit der Rückkehr von Norman wenige Lead-Parts übernahm, aber einen grundsoliden, rockigen Rhythmus spielte. Zwei Gitarren? Genau, so ist Timmy Rough, die Rockstimme der Rockstimmen, nur noch am Mikrofon zu sehen. Für mich eine ungewöhnliche Angelegenheit, die der Shouter aber mit tanzenden Einlagen und einem noch direkteren Kontakt zu den Fans locker wettmacht. So nahe, dass er bei «Warpaint» von der Bühne in den Fotograben hüpfte und so noch näher bei den Fans war. Die Jungs sind authentisch, da wird nichts vorgespielt, sondern die Liebe zum Rock'n'Roll ausgelebt und mit den Fans zu einer glorreichen Party umgewandelt. Der eh schon sommerliche Samstag-Abend verbreitete durch den energetischen Auftritt noch mehr Hitze, die sich schnell im Z7 verbreitete.
Als Timmy mit den Fans am Schluss von «Old Time Rock'n'Roll» das Dezibel-Messgerät mit deren Gesängen locker über 110 dB trieb, "brannte" das Z7. Bevor es aber so weit war, stimmten die Jungs den Abend mit dem Party-Rocker «The Usual Suspects» ein. Von Beginn weg war die Stimmung äusserst gut im Z7, was nicht nur die Band erfreute. "Es geht das Gerücht um, dass Rock Balladen tot sind?", liess Timmy die Anwesenden wissen, um in das wundervolle «All I Ever Needed» einzusteigen. Bei dieser Nummer sass Mister Rough an der Akustik-Gitarre, wie auch wenig später bei der ersten Zugabe «Meet Me half Way». Hört man sich diese Songs an, wird gewahr, dass The New Roses auf dem höchsten Level musizieren und man sich fragt, wieso die Radio-Stationen nicht schon lange auf den "New Roses Train" aufgesprungen sind? Bei «Rockin' In The Free World», der ersten Cover-Version an diesem Abend, sprang Seraina noch mit auf die Bühne und sang den Neil Young Klassiker im Duett mit Timmy. "Das machte echt Bock auf mehr!
It's time for «Gimme Your Love» (mit kleiner Strip-Einlage von Timmy, sprich er zog sein Hemd aus, behielt aber sein Shirt an – sorry Mädels!)" oder "Ist jemand da, der die New Roses zum ersten Mal sieht? Wow, welcome to the party" waren Ansagen, welche das Publikum noch weiter antrieben und ich mir sicher bin, dass die Deutschen an diesem Abend beste Werbung in eigener Sache machten. Hört man sich an, mit welcher mitreissenden Rockröhre und echten Gefühlen Timmy auf der Bühne steht und wie viel Gas die Jungs gaben, wird es beim kommenden Gig im Z7 wahrscheinlich mit einer vierstelligen Besucherzahl enden. An diesem Abend hatte aber die Oma, welchen den ganzen Gig über tanzend sich in seligen Led Zeppelin Nebelschwaden zu den Klängen von The New Roses hingab, noch genügend Platz. Mit «Glory Road» kamen indianische Klänge zum Tragen wie auch die Gang-Shouts bei «Forever Never Comes» nicht fehlen durften. Es war nicht nur «Every Wildheart», das über Hitpotenzial verfügte, sondern auch die letzte Nummer.
Bei «Down By The River» sagte Timmy einleitend: "Als ich vor der Show am Fluss war, wusste ich, dass wir alle verbunden sind, und als wir bei uns zu Hause reingepieselt haben, ihr auch was davon hattet. Darum packt euer Sixpack und den Radio ein!" Als sich die Band von der Bühne verabschiedete, sangen die Fans noch lange: «…just a sixpack and a radio, down by the river». Die Party war in vollem Gang, und die Stimmung kannte kein Halten mehr. Zum Schluss wurde noch zum gemütlichen Hüpfen eingeladen («Thirst»), nachdem, wie schon erwähnt, Timmy alleine mit seiner Gitarre «Meet Me Half Way» zum Besten gab. Nach dem furiosen «Old Time Rock'n'Roll» verabschiedete sich The New Roses von ihren Fans mit der Feststellung von Timmy: "Pratteln, das hat Spass gemacht, und es war eine perfekte Saturday night party". Das war es in der Tat, und wer nicht dabei war, hat definitiv etwas verpasst. An diesem Abend wurde eine Rock'n'Roll Show geboten, die zum Besten gehört, was man sich aktuell gönnen kann. Darum seid das nächste Mal besser dabei, sonst entgeht Euch zum zweiten Mal ein gewaltiges wie arschtretendes, aber auch emotional tiefgehendes Konzert.
Setliste: «The Usual Suspects» - «The Lion In You» - «Long Way» - «Every Wildheart» - «1st Time For Everything» - «All I Ever Needed» - «Nothing But Wild» - «Rockin' In The Free World (Cover Neil Young)» - «Gimme Your Love» - «Whiskey Nightmare» - «Warpaint» - «Glory Road» - «Without A Trace» - «Forever Never Comes» - «Down By The River» -- «Meet Me Half Way (Timmy Acoustic)» - «Thirsty» - «Old Time Rock'n'Roll (Cover George Jackson)»