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27. Oktober 2021, Pratteln – Z7
By Tinu
Was habe ich mich auf die Schwedinnen gefreut, denn die Ladys sind auf der Bühne schlicht eine Macht und verbreiten massig Power, wie man heutzutage nur noch selten zu Gehör bekommt. Bandleaderin Filippa Nässil war vor dem Gig allerdings sehr aufgeregt. Wieso? Das wissen nur die Götter, denn dazu gab es überhaupt keinen Grund.
Bevor die Schwedinnen aber die Bühne im Z7 dem Erdboden gleich machten, stand mit den Jungs von King Zebra eine Schweizer Truppe auf der Stage die versuchte, die Leute auf das was noch kommen sollte, entsprechend vorzuwärmen. Dies gelang den Jungs um Sänger Eric St. Michaels (ehemals China) recht gut. Mit einem riesengrossen Backdrop trumpften die Herren schon gross auf. Kerniger Hard Rock mit viel Melodien und noch mehr Chören, das ist das unverkennbare Markenzeichen der Zürcher. «Thank you meine Damen und Herren», liess Eric verlauten, wenn die Anwesenden begeistert klatschten oder weiter hinten am Tanzen waren. Mit zunehmender Spieldauer schienen die Jungs auch ihre Nervosität abzulegen. Ausser Bassist Manu, der mit seinen Posen ein faszinierendes Stage-Acting präsentierte und in den achtziger Jahren in jeder L.A.-Truppe ein hart umkämpftes Bandmitglied gewesen wäre. King Zebra verbreiteten den guten alten Hard Rock, bei dem auch kurze Doppel-Leads aufhorchen liessen und die Truppe von fantastischem Bühnenlicht profitieren konnte. Auch wenn Eric nicht mehr an seine alten gesanglichen Glanzzeiten anknüpfen kann, so erwies er sich als sehr sympathischer Frontmann, welcher durch die Show führte und dabei ein Duett mit der Thundermother-Sängerin Guernica Mancini zum Besten gab. Bei diesem Unterfangen wurde der gebürtige New Jersey Junge von der Bühne "gekickt". Stimmlich wurde Eric hier schnell und deutlich Grenzen aufgezeigt, als Guernica kurz mal ein paar Strophen ins Z7 schrie. Ja, die Lady besitzt eine unglaubliche Power in den Stimmbändern, die man heute nur noch selten zu hören bekommt. Da hätten viele andere bekanntere Schreihälse auch den Kürzeren gezogen. Trotzdem waren King Zebra ein würdiger Opener. Einer, der mit tollen und in die Beine gehenden Rock-Songs sowie einer mitreissenden Performance Lust auf mehr machte.
Was danach folgte, war eine Lehrstunde in Sachen authentischer Darbietung des Rock'n'Rolls. Meine lieben Daheimgebliebenen. Ihr stürmt die Konzertsäle bei AC/DC und Konsorten, lasst Euch aber eine Show von Thundermother entgehen? Unverständlich! Kommen wir zu den Fakten. Als das wäre Guernica, die mit ihrer Power-Röhre aus Scheisse Platin machen würde. Sympathisch, dankbar und mit viel Energie im Hinterteil nimmt die Frontfrau von der ersten Sekunde die Fans mit auf eine Rock’n Roll Achterbahnfahrt, die sich gewaschen hat. Geschickt lenkt sie das Geschehen zwischen knallharten Momenten, purem Rock, tollen Melodien und den Besucher an der Gurgel packenden Refrains. Mit einem Lächeln in den Augen und einer coolen Bühnenpräsentation kämpft sie um jeden Besucher. Hinter ihr sitzt mit einem noch viel breiteren Grinsen auf den Lippen Emlee Johansson, die einen urwüchsigen Drum-Beat vorgibt. Sie braucht kein grosses Schlagzeug, um damit zu prahlen, denn sie lässt mit Taten und Schlägen auf die Snare alle Kritiker verstummen. Jeder Schlag auf ihr Arbeitsinstrument ist ein warmer und wohliger Schlag ins Gesicht. Neu am Bass steht Mona "The Demon" Demona. Ein schwarzhaariges, wild über die Bühne fegendes Energiebündel, das sich bestens in die Band integriert hat, so als hätte sie nie bei einer anderen Truppe gespielt. Oft lässt die Bassistin ihre Haare kreisen und im Rhythmus fliegen, stellt ihren Fuss auf die Monitorbox und wechselt die Bühnenseite mit Filippa. Die Gitarristin zieht die Fäden auf der Bühne. Ihre Grimassen, die herausgestreckte Zunge, die wilde und aggressive Körpersprache und das Gitarrenspiel sprechen eine eindeutige Sprache. Alle vier Damen zelebrieren, leben, trinken, essen und huldigen dem Rock. Wenn Thundermother am Ende des Konzertes ihren Hit «We Fight For Rock'n Roll» spielen, dann ist dies nicht irgendein Text und die passende Musik dazu, sondern ihre Lebenseinstellung, die nicht einstudiert, sondern extrem authentisch wirkt.
Nicht nur das Licht schien grell, auch die Band und die Tracks taten dies. Die Mädels sind eine Einheit auf der Stage, die ihre Songs druckvoll ins Z7 hämmerten. Es gibt heute kaum mehr eine Truppe, der man dermassen abnimmt, dass das was auf der Bühne passiert, auch ihre Lebenseinstellung und Philosophie ist. "Thank you! Dankeschön! Mercie! Do you have a good time Switzerland?" Ja, die Schweiz verbrachte für einen Moment eine verdammt geile Zeit. Alleine der Opener «Whatever» liess keine Zweifel darüber aufkommen, dass an diesem Abend jemand enttäuscht nach Hause gehen würde. Es war klar, dass die "Donnermamis" das Hauptaugenmerk der Setliste auf das letzte Studioalbum «Heat Wave» legen würden. Alleine sieben Tracks wurden an diesem Abend daraus gespielt. Dazu gesellten sich drei weitere Songs der Deluxe-Edition mit dazu. Danebenwaren es drei Lieder von «Thundermother», weitere drei Tracks von «Road Fever» und zwei von «Rock'n Roll Disaster». Thundermother sind wie ein Orkan, der ohne Ansage über dich hinweg fegt, dich dazwischen mit der Tatze der Wildkatze aufschlitzt, Filippa kurzzeitig Gitarre spielend in den Fanreihen steht und der Gig wie im Flug vorbei geht. Kann man ein solches Konzert in Worte fassen? Ich habe es versucht, aber muss man es selber er- und überlebt haben.
Man darf durchaus dafür dankbar sein, eine solche Truppe noch erleben zu dürfen, in welcher auch mal kleine Spielfehler zum guten Ton gehören, nicht alles von A bis Z durchsynchronisiert ist und authentisch nicht nur ein mit Schreibfehlern missverstandenes Wort ist. Wenn Filippa, Demona und Guernica zusammen bei «Thunderous» bangend das Riff "begleiten", dann bleibt kein Fuss still, kein Auge trocken und die Schweissdrüsen produzieren das Nass auf Hochbetrieb. Dieser Dienstagabend war einer der eindrücklichsten in meiner "Karriere" als Musik-Fan und Konzertgänger. Muss man hierzu den Satz zitieren, dass man seinen Enkeln noch davon erzählen wird? Nein, denn das passiert so oder so! Danke für diesen musikalischen Arschtritt, danke für eine Sternstunde puren Rock’n'Rolls und hoffentlich auf bald wieder!
Setliste: «Whatever» - «Dog From Hell» - «Into The Mud» - «It's Just A Tease» - «Back In '76» - «Hellevator» - «The Road Is Ours» - «Loud And Alive» - «Mexico» - «Heat Wave» - «Deal With The Devil» - «Rock'n Roll Heaven» - «Shoot To Kill» - «Revival» - «Driving In Style» - «Give Me Some Lights» - «Thunderous» - «We Fight For Rock'n Roll»