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07. bis 09. November 2024, Sarnen - Aula Cher
By Tinu (tin) & Björn (bjö) - Pics by Rockslave, Björn & Daniela
Das "UrRock Festival" ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Schweizer Rock- und Metal-Szene. Und so feierte man dieses Jahr den fünften Geburtstag, unter anderem mit einem zusätzlichen Festzelt, wo am Samstagnachmittag der Nachwuchs der Musikschule Sarnen sein Können zeigte sowie am Freitag und Samstag jeweils eine Aftershow-Party mit Live-Acts abgehalten wurde. In der Aula Cher hatte man die Trennwand zur Halle neu entfernt, was das Ganze deutlich offener gestaltete. Da dieses Festival nur alle zwei Jahre stattfindet, fand ich es allerdings schade, dass vier Bands von 2022 erneut auf dem Billing standen. Speziell waren dieses Jahr aber sicher die Verpflichtung der kanadischen Metal Queen Lee Aaron, die "UrRock Anniversary Show" und auch das "Lingua Mortis Orchestra" mit Rage, welches man in dieser Form nicht all zu oft auf Schweizer Boden zu Gesicht bekommt. (bjö)
Donnerstag, 07.11.2024 (Erster Tag)
Virtual Symmetry
So startete nun das "UrRock Festival" der Ausgabe 2024. Virtual Symmetry, Klogr sowie Evergrey befanden sich zu der Zeit gerade auf Europa-Tournee, welche an diesem Donnerstagabend Halt in Sarnen machte. Ganz ehrlich, mir war diese Band zuvor völlig unbekannt. Die Truppe aus dem Tessin brachte ihre Performance jedoch ausgezeichnet rüber und bot Progressive Metal im Stil von Dream Theater in feinster Art und Weise an. Nun, Fans dieser Stilrichtung sind sich absolut bewusst, dass man hier nicht einfach so mal mitbangen kann. Deswegen gab sich das Publikum wohl auch relativ verhalten. Dazu war es ja noch ein Donnerstag, und die Halle kaum zur Hälfte gefüllt. Virtual Symmetry haben mich letztlich aber überzeugt und eröffneten ein unvergessliches Festival-Wochenende. (bjö)
Klogr
Die nächste Band, mir ebenfalls völlig unbekannt, "versteckte" sich sehr oft auf der total in Nebel gehüllten Bühne. Zu viel oder gewollt? Der Auftritt und das Licht zwar schon passend zum Sound, heisst eher düster gehalten, aber stimmig. Die italienische Combo um Gabriele "Rusty" Rustichelli wusste mit ihrer Art aus einem Mix aus Alternative und Progressive Metal durchaus zu gefallen. Dass auch sie schon viele Jahre an Erfahrung auf dem Buckel haben, war nicht von der Hand zu weisen. Für all diejenigen Leute, welche diese Truppe bisher ebenso noch nicht kennen..., ich würde es salopp mal so formulieren…, diese Mucke in der Schnittmenge aus Korn und Dream Theater zu verorten..., und live war das Ganze echt eine Wucht. (bjö)
Magma Ocean
Ich bin nach wie vor hin und weg vom Auftritt von Magma Ocean. Leck mich fett, was wurde da für ein Feuerwerk abgebrannt! Der Mix aus New Metal und Thrash ist schlichtweg phenomenal! Cyril Montavon ist nun wahrlich kein unbeschriebenes Blatt mehr in der Schweizer Musik-Szene. Bedient er doch aktuell den Bass bei Shakra und war zuvor bei Maxxwell und Molotov Train an der Gitarre zugange. Die Aula Cher wurde im musikalischen Sinne wahrlich beinahe abgerissen. Frontmann Harry Ballantyne aus England setzte dem Ganzen eine zudem besonders majestätische Krone auf. Das könnte, neben Krokus und Gotthard sowie nicht zu vergessen Celtic Frost oder Eluveitie, mal echt zu einem musikalischen und metallischen Export-Schlager aus der Schweiz werden. Moderner Thrash Metal im Abrissbirne-Modus! (bjö)
Evergrey
Nun waren alle Augen auf den Auftritt von Evergrey gerichtet, und dieser war natürlich perfekt. Hier überlässt man nichts dem Zufall. Aus meiner Sicht, respektive meinem Gehör, zuweilen etwas zu makellos. Man könnte auch annehmen, dass hier sehr viel vom Band kam, was dieser Tage für meinen Geschmack eh etwas zu stark Überhand nimmt. Und ich verabscheue das, weil "that's not Rock'n'Roll"! Aber ich habe solch blitzsaubere Sound-Qualitäten schon anfangs der 90er bei Queensrÿche erlebt, dass man dachte, "das kommt doch jetzt ab CD"? Der eine oder andere verliess den Saal deshalb früher. Es fällt mir schwer, den Auftritt zu bewerten. Einerseits, wie bereits erwähnt, ohne Makel und andererseits einfach zu glatt. Für mich blieb am Schluss ein schaler Beigeschmack übrig..., sprich ich könnte mir Evergrey wohl auch einfach zu Hause auf dem Sofa anhören. (bjö)
Freitag, 08.11.2024 (Zweiter Tag)
Dave & The Dudes
Fast ein Heimspiel hatten Dave und seine Dudes, die den Reigen am Freitagabend eröffneten. Mit seinem rockigen Sound konnte der Shouter den Raum vor der Bühne nicht füllen, blieb doch ein typisch schweizerischer "Sicherheitsabstand" zwischen den Anwesenden und den Musikern. Mit seinen tänzelnden Einlagen und seinen karateartigen Moves (sowie seinem David Lee Roth Gedächtnis Spagat-Sprung am Ende der Show) war der Namensgeber immer in Bewegung. Als guter Einstieg liess sich der Fünfer nach dem letzten Ton von den Anwesenden anerkennend beklatschen. (tin)
Lansdowne
Mit Sounds, die an Five Finger Death Punch erinnerten, ging es weiter. Die Mischung aus melodischen, verträumten Parts sowie aggressiven wie wütenden Momenten liess die Stimmung in Sarnen schon mehr aufflammen. Zumindest verkleinerte sich der Abstand zwischen Publikum und den Brettern, die die Welt bedeuten, merklich, und dank Sprühfunkenregen, durchflutet von blauem Licht mit Strobo-Effekte, bekam die Musik noch einen zusätzlichen Effekt verliehen. Das jüngere Publikum schien sichtlich Gefallen an den Amis zu finden, und auch der weibliche Anteil der Besucher vor der Bühne wurde deutlich grösser. (tin)
Girish And The Chronicles (GATC)
Nahm man den Auflauf der Besucher als Kennzahl, dann waren die Inder Girish And The Chronicles der Headliner an diesem Abend. Unter anderem wurde das Quartett auch durch die Teilnahme am "UrRock Festival" bekannt, und darum liess es sich Leadsänger Girish nicht nehmen, während dem Gig den Veranstaltern für die stetige Unterstützung zu danken. Das Konzert bot diesmal aber ein leicht chaotisches Bild. Das begann damit, dass die Gitarre von Girish nicht so wie der Meister wollte und endete damit, dass der Sänger eigentlich noch einen Song übrig hatte, um dann jedoch durch die abgelaufene Spielzeit ausgebremst zu werden.
Persönlich war ich sehr gespannt auf diesen Auftritt und musste mir aber eingestehen, dass ich von den Jungs nicht so begeistert war, wie ich mir dies erhoffte. Dass der beste Song ausgerechnet eine Nummer («Killer Of The Night») von The End Machine war (bei denen Girish auch singt) zeigt auch auf, dass die absolut vorhandenen Fähigkeiten der Instrumentalisten (der Basser und der Gitarrist tauschen jeweils ihre Instrumente und spielen souverän weiter) nicht ausreichen um Songs zu schreiben, die sich bei mir festkrallen. Spannend war auch, dass mich die Stimme von Girish immer dann am meisten packte, wenn er nicht in seinen Schreimodus verfiel. Aber das sah sehrwahrscheinlich nur ich so an diesem Abend. (tin)
Lee Aaron
Was anschliessend folgte, war eine nostalgische Reise in die frühen Achtziger mit einer Band die Sarnen, im Vergleich zu den anderen Truppen, mit einer unglaublichen Wärme und Spielfreude rockte. Schade nur, dass der Set gerade mal bloss 55 Minuten dauerte, weil danach die "Annyversary Show" über die Bühne gehen sollte. Zur 40-Jahr Feier vom Album «Metal Queen» spielten Lee und ihre Jungs fünf Lieder, bei denen logischerweise der Titeltrakc und Alltime-Klassiker als Rausschmeisser die grösste Reaktion bei den Fans auslöste. Lee war agil, fit wie ein Turnschuh und stetig in Bewegung, freute sich über jeden Applaus und Reaktion des Publikums und sang, wie es sich für eine Metal-Königin gebührte. Perfekt und ohne Fehl und Tadel. «Barely Holdin' On», die wundervolle Ballade, wurde dabei mit allen sich bietenden Emotionen vorgetragen. Ein immer noch hammermässiger Song ohne Ablaufdatum!
Hier stand eine Band auf der Bühne die wusste, wie man mit Leidenschaft, Hingabe und Ehrlichkeit den Rock am Leben erhält. Dass dabei ein Schuss Erotik nicht fehlen durfte («Whatcha Do To My Body?»), war so sicher wie das Amen in der Kirche. Die nach wie vor bildhübsche Kanadierin wusste, wie sie mit einem Lächeln alle auf ihre Seite bringen konnte und teilte den Spass, den sie an diesem Abend hatte, mit dem Publikum. "You guys are amazing" bedankte sich Lee, spielte nebenbei Gitarre und wirbelte wie ein Hurrikan über die Bühne. So muss eine Rock-Show sein, und somit stellte Lee Aaron die restlichen Bands mächtig in den Schatten. Wo andere mit aufgesetztem Gehabe oder gelangweilten Gesichts-Ausdrücken versuchen, einen auf cool zu machen, grinste Lee keck ins Publikum und marschierte wie eine Königin über die Bühne. Ganz grosses Kino einer herausragenden Künstlerin, die noch viel zu sagen hat! (tin)
Anniversary Show mit Girish, Lee und Daria
Nachdem die Bühne für den gross angekündigten speziellen Moment hergerichtet wurde, liess es sich das OK nicht nehmen, allen Mitwirkenden und Helfern für die letzten fünf Jahre zu danken. Dazu liessen sie sich von den Anwesenden mit viel Applaus feiern. Dies zu Recht, strahlt das "UrRock Festival" doch einen sehr eigenen, sympathischen und "da-will-ich-wieder-hin Charme aus.
Danach gehörte die Bühne unter anderem Jgor Gianola (CoreLeoni), Alex Motta (CoreLeoni) und den Sängern Girish, Lee und Daria Zaritskaya. Während Girish mit den Klassikern «Runaway» (Bon Jovi), «Paradise City» (Guns n' Roses), «Thunderstruck» und «Highway To Hell» (AC/DC) auf sich aufmerksam machte, liess es sich Daria (von Noapology) nicht nehmen, in einem sehr sexy Outfit mit ihren langen Haaren und noch längeren Beinen den Besuchern den Atem ins Stocken zu bringen. Dies geschah in erster Linie aber mit ihrer Stimme bei «Barracuda» (Heart), «Wild Side» (Mötley Crüe), «Rainbow In The Dark» (Dio) und «I Was Made For Lovin' You» (KISS).
Was dabei allerdings die alles andere als synchron auftanzenden "Euro-Dancers" auf der Bühne zu suchen hatten, entzieht sich meiner Kenntnis. Was bei Daria vielleicht ein bisschen zu aufgesetzt wirkte (so muss sich Frau auf einer Bühne als Rock-Prinzessin präsentieren), war bei Lee eine Herzens-Angelegenheit, die sie mit Blut, Schweiss und Tränen, respektive mit ihrer äusserst authentischen und ehrlichen Art zum Besten gab. Passion und Respekt vor den Songs «Smoke On The Water» (Deep Purple), «The Final Countdown» (Europe), «Black Dog» (Led Zeppelin) und «We Will Rock You» (Queen) waren die Begleiter, als sie erneut auf der Bühne stand. Danach war Schluss am zweiten Tag, der mit musikalischer Vielfalt mehr Fans als am Vortag anlockte und mit Lee Aaron den grossartigen Höhepunkt bestritt. (tin)
Samstag, 09.11.2024 (Dritter Tag)
Doctor Victor
Was für ein geiles Trio aus Prag. Der Mix aus 70s-Rock, etwas AC/DC, Led Zeppelin und The Who hatte an diesem Samstagnachmittag einfach jeden abgeholt, der da war. Ihre Songs wurden mit einer Energie vorgetragen, dass es eine wahre Freude war, der agilen Band zuzusehen. Spätestens mit der grandiosen Cover-Version von «Purple Rain» (Prince) müsste sich dann beim Gitarren-Solo von Victor bei jedem Zuhörer eine Gänsehaut am Oberkörper breit gemacht haben. (bjö)
The Cruel Intentions
Die sympathischen Norweger gaben sich auch dieses Jahr wieder die Ehre, am UrRock Festival zu spielen. Sleaze Rock vom Feinsten wurde geboten, und dabei gefielen sie mir dieses Jahr noch besser. Obwohl sie kein neues Album im Gepäck hatten, spielten sich die Vier souverän durch ihren Set hindurch. Vor allem Lizzy DeVine (Vocals/Rhythm Guitar) kam mir persönlich agiler und aufgeschlossener rüber. Kristian Nygaard spielte sich derweil in höhere Sphären hinein. So wollen wir Rock'n'Roll zelebriert kriegen, heisst das sind vier Jungs mit Gitarren, Bass und Drums..., plus ein paar Verstärker..., so soll das sein! (bjö)
Noapology
Nun kam wohl die Band, welche mir persönlich am wenigsten zugesagt hatte. Einfach nur ein hübsches Mädel zur Frontfrau machen, reicht für mich einfach nicht! Und ich vergebe hierbei weder Plus- noch Minus-Punkte, vonwegen dass sie aus der Ukraine stammen..., so etwas liegt mir fern. Es geht um die Musik! Aber die war aus meiner Sicht leider zu flach, zu eintönig..., und es gab kaum Momente, welche mein Innen-Ohr zum Mitsingen gebracht hätten. Insgesamt nicht schlecht..., aber das Ganze hat mich schlichtweg nicht abgeholt, auch wenn dem einen oder anderen männlichen Besucher scheinbar der Sabber aus dem Bart lief. (bjö)
Fury
Spass in den Backen..., oh ja…, das hatten Fury definitiv! Auch wenn sich der Konzert-Start durch technische Probleme etwas verzögerte. Was war da los? Low Battery? Egal..., da waren nun eben Fury, die "Hausband" von Sarnen und im Gegensatz vor zwei Jahren mit Becky Baldwin (Mercyful Fate) am Bass. Kann das soviel ausmachen? Am Festival zuvor war schon ein grandioser Auftritt gelungen, aber dieses Jahr wurde dieser bei weitem übertroffen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil es das erste Mal mit Orchester war. Und so wurden die letzten drei Songs vom "Klassik Nueva Orchestra" unter Leitung von Sladjan Vukasinovic gespielt. Allein der erste Teil war so zu sagen furious! Der Teil mit dem Orchester hätte allerdings besser abgemischt sein können.., aber hey, wer bin ich denn, um dieses Urteil fällen zu dürfen?! (bjö)
Lingua Mortis Orchestra, feat. Rage
Nun wurde aus dem "Klassik Nuevo Orchestra" für heute Abend das "Lingua Mortis Orchestra" unter der Leitung von Pepe Herrero! Und da muss ich diesem Orchester aus dem Aargau wirklich auch meine Bewunderung ausdrücken. Man spielt nicht einfach so mal ein Heavy Metal Stück auf Geige oder Cello! Nun, für mich als ehemaligem Musik-Student war das einfach nur grossartig. Rage sind für mich schon seit Anbeginn ein Garant für erstklassigen Heavy Metal, und was da auf die Bühne gezaubert wurde, war einfach sagenhaft. Dieser Mix aus Symphony und Metal..., eine Symbiose, welche so viele Bands nachher einfach nur kopiert. Das Lingua Mortis / Rage Package wird definitiv nicht all zu oft on Tour sein und war alleine schon deswegen mein absolutes Highlight beim diesjährigen "UrRock Festival". Die Setliste, ein Mix aus den Lingua Mortis Alben und natürlich auch ein paar Songs von Rage, welche sich dafür hervorragend eignen, um sie zusammen mit einem Orchester zu spielen. Absolut genial! (bjö)