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10.05.2023, Zürich - Komplex 457
By Rockslave - All Pics by Tinu
Eigentlich hätte das Ganze im Sinne der "40th Anniversary Tour" fast auf den Tag genau ja schon letztes Jahr stattfinden sollen. Das (hoffentlich) letzte Aufbäumen der Pandemie sorgte jedoch dafür, dass die komplette Europa-Tour nochmals um ein Jahr verschoben wurde. Das war natürlich sehr ärgerlich, aber damit war die leise Hoffnung verbunden, dass das Konzert womöglich nicht mehr im soundmässig meist bescheidenen Komplex 457 abgehalten wird. Doch der eindringliche Wunsch in Gottes Ohr wurde offensichtlich nicht erhört. Nichtsdestotrotz freute man sich dennoch auf den Auftritt, zumal diverse im Vorfeld abgehaltene Interviews und "Meet & Greets" einen vergleichsweise "zahmen" und überraschend zuvorkommenden W.A.S.P. Mainman zeigten. Das stimmte einen schon mal froh, obwohl die nächsten dunklen Wolken während der laufenden Tour am Aufziehen waren. Ein sehr schmerzhafter Bandscheibenvorfall zwang Blackie letztlich effektiv in die Knie. Für heute Abend bedeutete das deswegen zwei Songs weniger im Set und für die abschliessenden fünf Konzerte den Kompromiss sitzend zu spielen, obwohl die behandelnden Ärzte umgehend rieten heim zu kehren und gleich mit der Reha zu beginnen.
W.A.S.P.
Wieviel davon unter den Fans im ziemlich gut gefüllten, wenn auch nicht ganz ausverkauften Komplex bekannt war, lässt sich kaum festlegen. Die Vorfreude überwog klar, und gemäss den offiziellen Angaben hätte das Konzert um 20:30 Uhr beginnen sollen. Dies liess darauf schliessen, dass es heute Abend wohl keine Support-Band geben wird, was aufgrund der aufgebauten Bühne augenscheinlich war und sich bald bestätigen sollte. Wobei der Terminus "bald" bedeutete, dass die Geduld der Fans schon arg strapaziert wurde, denn das Intro erklang erst kurz nach 21:00 Uhr! Doch kaum stand die Band auf der Bühne, brach die Hölle los! Das einleitende Medley, bestehend aus einzelnen Parts von «On Your Knees/The Flame/The Torture Never Stops/Inside The Electric Circus» legte den ersten Teppich hin, auf dem dann «L.O.V.E. Machine» und vor allem «Wild Child» den fast nicht mehr nachlassenden Flächenbrand entfachten. Einfach nur grandios kamen anschliessend «The Idol» und «The Great Misconceptions Of Me» daher, und spätestens jetzt musste man zumindest für den heutigen Abend attestieren, dass der Sound für die an der Stelle zahlreich gemachten, schlechten Erfahrungen überdurchschnittlich "gut" klang. Womöglich auch deshalb, weil der hintere Teil offen war.
Heisst bezüglich des Gesangs von Blackie (da kam nix ab Band, nur die benötigten Synthie-Sounds!), der Gitarre von Doug Blair und den Drums von Achilles Priester. Einzig Bassist Mike Duda war kaum bis gar nicht zu vernehmen. Noch schlechter war allerdings das meist diffuse Licht auf der Bühne, sprich mit sehr viel rot und blau, das zusätzlich satt eingenebelt wurde. Eine "wahre Freude" für die Kollegen im Fotograben, doch der ausufernden Stimmung im Publikum tat dies keinerlei Abbruch. Nach diesen beiden wie immer brillanten «Idol»-Tracks ging die Band bereits von der Bühne runter, und während der gefühlten Ewigkeit bis es wieder weiter ging, machte sich die erwähnte Bandscheibe bemerkbar. Kurz nachdem die Motorsäge für «Chainsaw Charlie» über die PA zu rattern begann, wurde sie abrupt abgewürgt und das Konzert anschliessend gleich mit «Animal (Fuck Like A Beast)» fortgesetzt. Ein besorgter Blick auf die ausgedruckte und mitgebrachte Setliste (auf der Tour wurde immer der gleiche Set gespielt) bestätigte dann die Vermutung, dass hier etwas nicht nach Plan lief und leider auch «Wild In Texas» zum Opfer fiel, inklusive dem ansteckenden Mitsing-Part und Mike Dudas Bass-Part als Leit-Instrument. Nachzusehen (auf YouTube, wo sonst?!) beim letzten Gig der Euro-Tour in Sofia vom 18. Mai 2023.
Bevor Blackie und seine Truppe (zu «Animal...») wieder auf der Bühne erschienen, liefen über den Video-Screen noch zusammen geschnippelte Sequenzen zur leidigen oder eher peinlichen Geschichte der PMRC (Parents Music Resource Center), bevor der Saal wieder zum Kochen gebracht wurde. Dies auch, weil «The Real Me» gleich nahtlos angehängt wurde, und danach blieb nur noch «I Wanna Be Somebody» übrig. Kein Wunder also, dass netto gerade mal eine magere Stunde an gespielter Musik zu Buche schlug. Das verlieh dem Ganzen unter dem Strich einen faden Nachgeschmack, aber der überwiegende Teil der Fans schien offenbar sehr dankbar für jede Sekunde zu sein und belagerte zum Schluss den Merchstand. Mein Fazit ging in die gleiche Richtung, obwohl die Volkshaus-Konzerte von 1989 («The Headless Children»), 1992 («The Idol») und selbst 1997 («Kill Fuck Die») unerreicht bleiben. Daneben muss aber auch erwähnt werden, dass natürlich einige Top-Songs, darunter ältere wie neuere Dinger der Währung «The Headless Children», «I Don't Need No Doctor», «Mean Man», «9-5 Nasty», «Helldorado», «Forever Free», «Heaven's Hung In Black» oder «Golgotha» fehlten. Ganz zu schweigen vom vergessenen Master-Piece «Still Not Black Enough» (1995). Nichtsdestotrotz war es so oder so geil, W.A.S.P. live miterlebt haben zu dürfen.
Setliste: «Intro» - «Medley: On Your Knees/The Flame/The Torture Never Stops/Inside The Electric Circus» - «L.O.V.E. Machine» - «Wild Child» - «The Idol» - «The Great Misconceptions Of Me» - «Animal (Fuck Like A Beast)» - «The Real Me (The Who Cover)» -- «I Wanna Be Somebody»