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21. Juni 2022, Dübendorf – The Hall
By Rockslave - All Pics by Tinu
Wenn mich meine alternden Hirnzellen nicht im Stich lassen, dann müsste ich die weisse Schlange das letzte Mal im Jahre 2016 live gesehen haben, und das war im Z7 in Pratteln. Die Erinnerungen daran sind per se nicht mal so schlecht, was die Review von damals, unter Berücksichtigung des vieldiskutierten Themas der noch oder nicht mehr vorhandenen Gesangeskünste des Herrn Coverdale, bestätigt. Im letzten September wurde David bekanntlich siebzig Jahre alt und kündigte an, dass er zumindest tourmässig kürzer treten, sprich aufhören will. Wäre die Pandemie nicht gewesen, hätte dies wohl bereits im letzten Jahr stattgefunden. Deshalb musste das Ganze entsprechend verschoben werden und läuft aktuell unter dem Banner "The Farewell Tour MMXXII". Somit schloss sich der Kreis für mich mit wehmütiger Stimmung, heisst nach fast vier Dekaden, seit ich die britischen Hard Rock Icons zum ersten Mal live sah, sprich am 31.08.1983 in der St. Jakob Halle in Basel. Als "Very Special Guest" sind Europe auf dieser Tour mit dabei, die den Abschied des Headliners ungemein aufwerteten.
Europe
Eigentlich kann und darf man die schwedischen Kult-Rocker nicht als Support sehen, denn dafür sind sie zu eindeutig gross oder zumindest schlicht zu gut. Auch wenn das letzte Studio-Album «Walk The Earth» schon bald fünf Jahre auf dem Buckel hat, könnten Joey Tempest und seine Jungs locker einen dreistündigen Set spielen, der nur so vor Hits und coolen Songs triefen würde! Die einzige Frage war also die, welche Songs heute Abend gespielt werden und welche nicht. Dass bei einem verkürzten Anheizer-Gig eher auf Nummer sicher gesetzt wird, war jedoch abzusehen. Trotzdem besteht die Kunst hierbei, die Chose stets glaubwürdig rüber zu bringen, und darin sind die Schweden ohne Konkurrenz. Gleiches gilt für das Songwriting, und da gibt es bekanntlich weit mehr als nur «The Final Countdown». Davon konnte man sich auch heute Abend in Dübendorf überzeugen, wobei das vor allem zu Beginn überwiegend lethargisch reagierende Publikum ein echter Ablöscher war. Europe nahmen dies jedoch gelassen hin und performten ohne Hänger. Selbst die abgenudelte Ballade «Carrie» klang frisch wie am ersten Tag, und wenigstens ab hier erwachten die Leute langsam. Die Halle war augenscheinlich nicht ausverkauft, und zwar deutlich, aber spätestens ab «Open Your Heart» ging ein Ruck durch die anwesenden Fans, die endlich Stimmung machten. Frontmann Tempest nutzte die grosse Bühne und gab sich agil wie immer. Dies galt auch für die anderen Bandmembers, bis auf Bassist John Levén, dessen nach wie vor blutleeres Spiel wohl band- und sounddienlich sein mag, aber so kann man das Publikum kaum bis gar nicht vom Hocker reissen. Nach gut einer Stunde ging trotzdem ein weiteres überzeugendes Konzert von Europe zu Ende. Bleibt zu hoffen, dass es erstens bald einmal ein neues Album auf dem gewohnten Qualitätslevel absetzen wird und zweitens bei einem Headliner-Gig unter anderem wieder mit «Seventh Sign» oder «Girl From Lebanon» geglänzt werden kann!
Setliste: «Walk The Earth» - «Rock The Night» - «Scream Of Anger» - «Carrie» - «Prelude / Last Look At Eden» - «Sign Of The Times» - «Hole In My Pocket» - «Open Your Heart» - «Ready Or Not» - «Superstitious» - «Cherokee» - «The Final Countdown»
Whitesnake
Der Begriff "Farewell-Tour" ist vor allem seit dem Gebaren der Scorpions zu diesem Thema und ausserhalb von Corona längst in Verruf geraten, wobei Status Quo bereits 1984 unter dem Banner «The End Of The Road" auf Tour gingen und es dann bekanntlich ganz anders heraus gekommen ist. Aktuell sind ja Mötley Crüe auch wieder zum Leben erwacht, während bei KISS bald, sprich irgendwann mal 2023, definitiv Schicht im Schacht sein soll/wird. Gleiches hat nun offenbar auch für Whitesnake geschlagen, und dank Corona eben zeitversetzt. Seit dem letzten und mehr als ordentlichen Studio-Album «Flesh & Blood» von 2019 haben sich im Line-up zwei weitere Wechsel manifestiert. Zum einen wurde Bassist Michael Devin durch die Irin Tanya O'Callaghan ersetzt und mit Dino Jelusić (Animal Drive, Dirty Shirley) holte David quasi das Pendant zu Ronnie Romero in die Band. Bald darauf wurde gemunkelt, dass der um vierzig Jahre jüngere Kroate dereinst den Platz am Front-Mikro beerben wird, aber das wird sicher nicht unter dem Banner von Whitesnake geschehen. Vielmehr trägt der talentierte Multiinstrumentalist aktuell dazu bei, dass die Backing- und zwischendurch bitter benötigten wie unterstützenden Leadvocals nicht nur von Reb Beach kommen. Wie dem auch sei und was noch alles kommen wird, doch Fakt ist, dass Dino als festes Bandmitglied aufgenommen wurde und während dem Konzert auch ein paar Solo-Parts mit der Keytar erhielt. Wer jedoch überraschenderweise fehlte, war Reb Beach und dies offenbar schon seit vier Konzerten.
Das wog auf den ersten Blick schwer, aber Kollege Joel Hoekstra übernahm die Rolle als einzelner Gitarrist souverän, auch wenn der Gitarren-Sound deswegen mitunter etwas schwachbrüstig daher kam. Der genaue Grund lag nicht vor, aber es könnte natürlich was mit Corona zu tun gehabt haben. Anyway..., "the show must go on!" pflegt man da jeweils zu sagen, und das, was Whitesnake mit David Coverdale zusammen ablieferten, war, bis auf die zu statische Setliste, mehr als ordentlich. Natürlich konnte David gesanglich erneut nicht brillieren, aber das stand nicht im Vordergrund, nicht heute Abend und hier, sprich zum wohl allerletzten Mal in der Schweiz. Die Leistung empfand ich nüchtern betrachtet aber klar besser als andere Male, und wenn etwas ab Band kam, dann war es diesmal sehr dezent eingesetzt. Nichtsdestotrotz vermochten die Hits zu punkten, und bei «Love Ain't No Stranger», Ain't No Love In The Heart Of The City» und vor allem bei «Here I Go Again» mussten feucht gewordene Augen abgerieben werden. Eine respektable Performance von «Still Of The Night» beendete schliesslich den regulären Set, und als Zugabe folgte natürlich der Purple-Klassiker «Burn», wo sich die ganze Band nochmals richtig einbrachte sowie für einen versöhnlichen Schluss sorgte. Die abschliessenden Konzerte sollen 2023 stattfinden, und das wird wohl nur noch in der Heimat über die Bühne gehen. Falls es tatsächlich so kommt, dann "thank you for the music in the last four decades, you will be strongly missed!
Setliste: «My Generation (Intro/The Who)» - «Bad Boys (mit "Children Of The Night" Sprengsel)» - «Slide It In» - «Love Ain't No Stranger» - «Hey You (You Make Me Rock)» - «Slow an' Easy» - «Ain't No Love In The Heart Of The City» - «Fool for Your Loving» - «Guitar and Keyboard Solos» - «Crying In The Rain» - «Drum Solo» - «Is This Love» - «Give Me All Your Love» - «Here I Go Again» - «Still Of The Night» -- «Burn» - «We Wish You Well/Always Look On The Bright Side Of Life (Outros)»