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20. Februar 2023, Aarau - KiFF (Foyer)
By Rockslave
Wie genau ich auf die ostdeutschen Retro-Rocker gestossen bin, weiss ich nicht mal mehr genau. Fakt ist, das ich wohl mal irgendwo irgendeinen ihrer Songs aufgeschnappt hatte und mich dabei, sprich mitunter der Einsatz der Querflöte, gespielt von der wunderbaren Frontfrau Francis Tobbolsky, in den Bann zog. Kurz darauf hatte ich mir die heute ziemlich rare Erstpressung der Debüt-EP «Vikarma» von 2014 in "clear black smoke" gekrallt, und wenig später folgte der Longplayer-Erstling «Sow The Wind», der mich definitiv zum Fan dieser genialen Truppe werden liess. Und auch die späteren Alben «Reap The Storm» (2017) sowie «Heretic Tongues» (2022) hielten das Interesse aufrecht. Da ich die Band bisher noch nie live hatte spielen sehen, war der Kauf des kürzlich erschienenen, aktuellen Live-Albums «Live At Deutschlandfunk» natürlich eine reine Formsache. Bevor ich mich damit so richtig betraut machen konnte, kam die Ankündigung eines Konzertes bei uns in der Schweiz wie gerufen! Da der schwache Vorverkauf (gerade mal neunzehn Tickets!) schon vorher die Runde machte, war klar, dass das Konzert im Parterre des KiFF, heisst im Foyer stattfinden wird. Die letztlich etwa vierzig Fans kamen dann aber in den Genuss eines Hammer-Gigs!
Midnight Deadbeats
Den Support-Slot für diesen Abend holte sich das Schweizer Trio Midnight Deadbeats aus Basel, das zum ersten Mal überhaupt im Kanton Aargau auftrat. Auf der kleinen Foyer-Bühne fanden sich somit Mono Mojo (v/g), Harry Binder (b) und Jukka Altermatt (d) ein, und die moserten danach nicht lange herum. Der verwegene Haufen, der sich 2017 aus verschiedenen Combos wie Mono Mojo, Tyrannosaurus Globi, Memory Of An Elephant, Dick Laurent, Phased oder The Weeds konstituierte, trat von der ersten Sekunde an sehr kompakt an und schleuderte in erster Linie Songs des Debüts «Moonshine Carnival» (2020) in die zu Beginn leider sehr spärlich aufmarschierten Besucher (gerade mal etwa zwanzig Nasen verloren sich vor der Bühne!) hinein. Das war der Band jedoch völlig schnuppe, und der ordentlich rumpelnde Sound nahm bald Fahrt auf und kam immer grooviger daher. Vor allem die Rhythm-Section mit Harry und Jukka erzeugte einen ungeheuren Druck, der die punkig anmutende Mucke gnadenlos vor sich her trieb. Das obergeile Gepolter seitens Schlagzeug erinnerte mich dabei spontan an Abaddon von Venom. Obwohl der Sound kaum wirklich doomig klang, waren auch klare Vibes der alten Black Sabbath auszumachen. Midnight Deadbeats spielten auf jeden Fall einen energetischen wie vollgeilen Set von knapp einer Dreiviertelstunde, und jeder, der sich das entgehen liess, ist selber schuld! Montag hin oder her, denn besser als so konnte man die Woche gar nicht beginnen, und wer sich noch keine LP der limitierten wie kultigen 100er-Auflage in schönem dunkelgelb-clear Vinyl gekrallt hat, sollte das schleunigst nachholen und würdigt wie unterstützt damit die Schweizer Underground-Szene!
Setliste: «Dishwasher» - «Garbage» - «The Battle» - Suicide Clutch» - «Blob» - «Chupacabra» - «Rock'n'Roll» - «Dance» - «Birds» - «Useless Machine»
Wucan
Es ist und bleibt immer etwas Spezielles, wenn man eine Band zum ersten Mal live sieht, nachdem der Sound zuvor nur ab Tonträgern konsumiert wurde. Immerhin ist diese Stil-Ecke meist soundaffin unterwegs, will heissen, dass die (überwiegend analogen) Aufnahmen in Sachen Authentizität meist schon zum Voraus viel zu bieten haben. Das Erlebnis eines Konzertes wiegt dies jedoch längstens auf, und Wucan liessen sich eh nicht zweimal bitten. Im Mittelpunkt stand die quirlige Frontfrau Francis Tobolsky, die nebst dem Einsatz ihrer sehr variablen Gesangsstimme zwischendurch auch E-Gitarre und Querflöte spielte sowie einen Theremin bediente. Das enganliegende und etwas an eine Marvel Comic-Figur erinnernde Outfit überraschte derweil etwas, aber letztlich passte es schon. Insgesamt sahen aber die drei Herren des Ensembles optisch eher uneinheitlich aus, sprich Gitarrist Tim George wirkte "landstreichermässig", Bassist Alexander Karlisch wie per Zeitmaschine direkt aus den frühen 70ern teleportiert und Drummer Philip Knöfel wie ein Relikt aus den glorreichen 80ern. Die subjektive Wahrnehmung trägt aber überhaupt nichts Abwertendes an sich, denn als Kollektiv ist die Truppe im aktuellen Line-up schlicht unschlagbar geil!
Der Eyecatcher ist jedoch Francis, und es war die pure Freude zu sehen, wie sie voll in ihrer Performance aufging. Dabei bediente sie alle Stimmungen wie Tempi und lieferte einfach nur grandios ab. Immer wieder kam da natürlich auch die Querflöte zum Einsatz, und obwohl Miss Tobolsky das offenbar nicht so gerne hört, kommen hierzu automatisch Erinnerungen, respektive Vergleiche hin zu Jethro Tull hoch. Ein guter Teil des Sets bestand aus neuen Songs ab dem aktuellen Album «Heretic Tongues», angereichert mit weiteren Sound-Leckereien wie dem Kult-Song «Wandersmann» ab «Sow The Wind» (2015). Der Text hierbei war auf Deutsch, wie vorher beim Klaus Renft Cover «Zwischen Liebe und Zorn» ebenso. Was deutsche Lyrics im allgemeinen Rock-Bereich angeht, bin ich bekanntlich sehr eigen gestrickt, und es gibt nicht viel davon, was in meiner Gunst steht. Wucan gehören da aber klar dazu und bewiesen auch heute Abend, dass bei ihnen beides seine Berechtigung hat. Kaum etwas mehr drei Dutzend Leute würdigten letztlich dieser exzellente Darbietung, was vom kärglichen Zuspruch her natürlich unter aller Sau war. Nichtsdestotrotz gab sich die talentierte Truppe aus Dresden keinerlei Blösse und empfahl sich für weitere Konzerte.
Setliste: «Intro» - «Kill The King» - «Father Storm» - «Ebb And Flute» - «Don't Break The Oath» - «Far And Beyond» - «Far And Beyond (Until We Meet Again)» - «Fette Deutsche» - «Night To Fall» - «Zwischen Liebe und Zorn (Klaus Renft Combo Cover» - «Physical Boundaries» - «Wandersmann» -- «Aging Ten Years In Two Seconds» - «Looking In The Past»