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Weder US-Metal und Prog Rock noch Melodic Death Metal und Hard Rock passen zusammen, und doch stehen da konkret zwei Musiker dahinter, die beide Welten für sich verbinden können. Ersterer ist Kurdt Vanderhoof (Metal Church, Presto Ballet) und Zweiterer Björn "Speed" Strid, der sich neben seiner Stammband Soilwork mit THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA eine alternative Spielwiese geschaffen hat, die nun mit dem siebten Longplayer bevölkert wird.
Die Wiedergeburt oder zumindest der Anstoss einer weiteren Welle an knackigem Hard Rock mit starker Schlagseite hin zu den 80ern geht mit Bestimmtheit auf The Night Flight Orchestra zurück, die bekanntlich im Dezember 2017 erstmals in der Schweiz aufschlugen und für unauslöschliche Momente im Zürcher Dynamo gesorgt hatten, als sich gegen 200 Fans ins Keller-Gewölbe quetschten und Zeuge dieser melodischen Ur-Gewalt wurden. Seither sind einige Jahre vergangen, die unsägliche COVID-Pandemie und der total überraschende wie völlig schockierende Suizid von Soilwork-Kollege David Andersson (47) im September 2022 inklusive.
Darin liegt wohl auch der Hauptgrund, dass es nun vier Jahre gedauert hat, dass der Nachfolger von «Aeromantic II» (2021) den nächsten Anlauf nimmt, die Vibes der ersten drei Alben wieder aufzugreifen und mit neuem Leben aufzufüllen. Da der leider viel zu früh verstorbene David nebst den Lyrics auch einen gewichtigen Anteil als Songwriter hatte, schraubte die Erwartungen entsprechend in die Höhe. Dies zuletzt auch deswegen, da vor allem die beiden «Aeromantic» Alben zwar weit weg von Ausfällen waren, aber eine zumindest für mich spürbare kompositorische Korrosion in Richtung Mittelmass eingesetzt hatte.
Hört man sich nun das neue Werk an einem Stück durch, geht es eindeutig wieder in die richtige Richtung, was sich fürs Erste schon mal beruhigend auswirkt. Der Opener «Stratus» geht bereits gut ins Ohr, und spätestens bei «Melbourne, May I» und «Miraculous» sind wir wieder voll im Geschäft, gefolgt von weiterem, herrlichem Flair der Pop-Legende ABBA bei «Paloma». Auch der Titeltrack geht runter wie Öl und lässt manche Frontiers-Combo hinter sich. Dazu gehören generell natürlich wieder eine ganze Menge an Synthie-Sounds der 80er, die das unerlässliche Herzstück dieser Mucke bilden und das Gesamtbild abrunden.
Bei «Paris Point Of View» kommt dann auch wieder die rhythmische Varianz zum Vorschein, die vor allem das Masterpiece «Amber Galactic» (2017) auszeichnete. Nimmt man noch die Landsleute von Nestor (mit ihrem sackstarken Debüt «Kids In A Ghost Town» von 2021) als Massstab, bewegen sich TNFO mit «Give Us The Moon» locker auf Augenhöhe. Allerdings fehlt mir hier (noch) ein absoluter Killer-Track, will heissen, dass die neue Scheibe der schwedischen Flight-Crew noch ein paar Durchgänge benötigt, um weiter an Terrain zu gewinnen. Ich bin mir aber ganz sicher, dass David Andersson (R.I.P.) daran auch seine helle Freude hätte.
Rockslave
Punkte: 9.0 von 10
2. Meinung: Bands wie Gathering Of Kings, Houston, Brother Firetribe oder Nestor haben in den letzten Jahren bewiesen, dass AOR noch lange nicht tot ist, auch wenn von den ehemaligen Grössen Journey und Toto nur noch wenig Prickelndes kommt und Survivor schon lange das Zeitliche gesegnet haben. Auf meiner persönlichen Favoritenliste haben sich aber The Night Flight Orchestra mittlerweile ganz nach oben gespielt. Sechs Alben, welche auf einem unglaublich hohem Niveau sind, haben Soilwork Sänger Björn Strid und sein Flugpersonal schon veröffentlicht.
Album Nummer Sieben steht sicher unter einem besonderen Stern, schliesslich musste die Band doch den Tod von Songwriter und Gitarrist David Andersson verkraften, der 2022 im Alter von nur 47 Jahren verstarb. Die Frage, ob man trotzdem noch auf demselben Niveau musizieren kann, darf nach mehrmaligem Genuss getrost mit "Ja" beantwortet werden. Sicher haben TNFO beim Schreiben der dreizehn neuen Songs auch David ein würdiges Erbe hinterlassen. Die Scheibe beginnt mit einem Intro, in dem die Band gebeten wird nun endlich ans Gate zu kommen, damit der siebte Flug endlich losgehen kann.
Dieser beginnt mit «Stratus», einem Song, der auch in den 80ern eine gute Figur gemacht hätte. Starke, prägnante Keyboards treffen dabei auf einen treibenden Rhythmus und der einzigartigen Stimme von Björn. «Shooting Velvet» geht noch weiter zurück, nämlich in die 70er und erinnert an Disco-Zeiten wie übrigens auch «A Paris Point Of View» welches wie eine etwas härtere Version von Boney M klingt. «Give Us The Moon» ist aber noch voll von Highlights. «Like The Beating Of A Heart» glänzt zum Beispiel mit grossartigen Synthie-Melodien und «Miracolous» ist eine fröhliche Abgehnummer, inklusive mehrstimmigem Refrain.
«Way To Spend The Night» glänzt derweil als temporeicher Rocker, der in den 80er garantiert ein Hit gewesen wäre. Doch die beiden grossen Highlights sind der Titeltrack mit einem Refrain zum Niederknien und der Rausschmeisser «Stewardess, Empress, Hot Mess (And The Captain Of Pain)», der mit über sieben Minuten längste Song des Albums. Das Epos beginnt balladesk, steigert sich aber zu einer Nummer, welche auch Journey nicht besser hätten schreiben können. «Give Us The Moon» ist erneut eine AOR-Perle geworden, welche sich auch getraut Disco-Elemente und eine fröhliche Grundstimmung zu verarbeiten. Das Teil ist in dieser kalten Jahreszeit eine wohltuende Abwechslung und rauscht nur knapp an der Höchstnote vorbei.
Rönu
Punkte: 9.5 von 10