Swiss Hard Rock and Heavy Metal Magazine since 1999
You can reach us via email or phone.
+41 (0) 79 638-1021
Metal Factory since 1999
Udo Dirkschneider feiert am 6. April 2022 seinen 70. Geburtstag. Zur Feier des Tages veröffentlich er am 22. April 2022 sein erstes "Solo"-Album. Der Begriff "Solo" weist in diesem Zusammenhang einen speziellen Grund auf, denn «My Way» wird nicht als "U.D.O." oder "Dirkschneider" Werk veröffentlicht, sondern unter Flagge "Udo Dirkschneider".
«My Way» ist ein Cover-Album geworden, das auf eine sehr spezielle Art und Weise trotzdem keines ist. Vielmehr wird die musikalische DNA von Udo treffend wiedergegeben, und man fragt sich beim Anhören laufend, wer die Originale ursprünglich geschrieben hat. Die perfekte Verschmelzung zwischen persönlichen Einflüssen und eigener Identität lässt sich hierzu konstatieren.
Klingt nach einem sehr cleveren Statement, das aber sehr viel Wahres beinhaltet. Udo hat sich, zusammen mit Stefan Kaufmann (Zitat Udo: "Stefan wollte unbedingt bei Sweets «Hell Raiser» das Solo spielen"), Peter Baltes (Bass), seinem Sohn Sven (Drums) und vielen Solo-Gitarristen (Dee Dammers, Andrey Smirnov, Mathias "Don" Dieth und dem Helen Fischer Gitarristen Peter Koobs) ins Studio eingesperrt und seine alten Helden zur Brust genommen. Hört man sich Songs wie «Faith Healer» (The Sensational Alex Harvey Band, 1973), «Sympathy» (Uriah Heep, 1977), «The Stroke» (Billy Squier, 1981), «Paint It Black» (The Rolling Stones, 1966), «He's A Woman, She's A Man» (Scorpions, 1977) oder «Hell Bent For Leather» (Judas Priest, 1978) an, dann erkennt man die Lieder und weiss, von welchen Ur-Interpreten sie stammen. ABER! Hört man sich die Songs genauer an, könnten es auch Tracks von U.D.O. sein. Udo bringt das Kunststück fertig, die Covers wie seine eigenen Lieder erklingen zu lassen. Als ob sich die musikalische DNA der Originale mit jener von Mister Dirkschneider gekreuzt hätte und diese so zu vielen Nachkommen wurden.
Logisch finden sich auch Tracks, die sehr nahe am Original gehalten sind, wie «Man On The Silver Mountain» (Rainbow, 1975), «T.N.T.» (AC/DC, 1976) oder «Rock And Roll» (Led Zeppelin, 1971). Doch auch hier ist es das Blut, die Seele und die charakteristische Stimme von Udo, welche die Tracks zu seinen Babys werden lassen. Überraschenderweise singt Udo zum ersten Mal in seiner Karriere auf Deutsch! Dies beim Wolfsheim Lied «Kein Zurück» (Zitat Udo: "Der Song reflektiert meine Karriere mit all seinen Höhen und Tiefen"). Auch der Ike and Tina Turner Smasher «Nutbush City Limits» (1973) überrascht, passt aber bestens zu Udo. Der Sänger hat sich bewusst vieler Songs bedient, die nicht alle zu den grössten Hits der jeweiligen Truppen gehörten. Dabei weiss der Deutsche mit «No Class» (Motörhead, 1979), «Fire» (Crazy World Of Arthur Brown, 1968), «Jealousy» (Frankie Miller, 1982) oder «We Will Rock You» (Queen, 1979) zu gefallen, wie auch der Frank Sinatra Klassiker «My Way» gelungen ist und eine unglaubliche Tiefe offenbart.
"Brian May ist der Meinung, dass es Gott sei Dank noch ein normales Cover von «We Will Rock» gibt". Darüber ist Udo mit einem lauten Lachen sichtlich stolz, sprich auf den Ritterschlag des Queen Gitarristen. Während der Listening Session merkt man ihm die verliehene Ehre sichtlich an: "Fand ich toll, einen solchen Kommentar zu vernehmen, das ehrt mich. Auch war es interessant in meiner Muttersprache zu singen, was gar nicht so einfach ist", führt der Solinger nach dem Vorspielen sämtlicher Tracks weiter aus. "Ich bin ein spontaner Typ, und darum probierte ich gewisse Dinge aus. Zu «My Way» gibt es eine zudem interessante Geschichte. Diesen Song hatten wir bei den Konzerten schon einige Zeit als Outro im Programm. Uns wurden aber auch hierzu die Rechte verwehrt, um das auf dem Live-Album verwenden zu können. So kam mein alter, lieber Freund Stefan Kaufmann auf mich zu und meinte, dass wir das jetzt selber machen (lacht)".
Die eingespielten Songs gehören zu den Tracks, welche sich Udo früher immer gerne anhörte und die ihn in seiner Jugend begleitet haben. "Ich könnte durchaus noch ein zweites Cover-Album veröffentlichen. «Faith Healer» war damals unsere Lieblingsnummer, als wir die Rock-Clubs besuchten. Ike und Tina Turner fand ich ebenso immer gut. Diesen Track haben wir zusammen mit Accept immer wieder im Proberaum gespielt. Leider gibt es keine Aufnahme davon. Das nun auf «My Way» verwendete Material passt am besten zu meiner Stimme. Ich bin ja nicht unbedingt ein Freund von Covers, aber man kann sie durchaus interessant gestalten", ist sich Udo sicher und dass die Lieder deshalb hörenswert sind.
"Ich hätte gerne «Who Wants To Live Forever» von Queen gemacht, aber das lasse ich besser mal sein, denn das hätte stimmlich nicht gepasst (lachend). Schuster, bleib bei deinen Leisten! Zwei Nummern fehlen allerdings, nämlich meine erste selbst gekaufte Single «I'm Down» der Beatles, da haben wir die Rechte ebenso nicht gekriegt, wie bei «Don't Let Me Be Misunderstood» (The Animals). «I'm Down» ist sehr punkig geworden und hat mit den Fab Four halt kaum noch was zu tun" verkündet der Shouter, ohne gross darüber verärgert zu sein. "Ob das Album jedermanns Sache ist, kann ich nicht beurteilen. Es sollte aber ein Geschenk an mich selber sein. Man wird ja nicht jünger (lachend). Es passte, und wir hatten während Corona sehr viel Zeit, leider. Es ist ein persönliches Album, beinhaltet meine Geschichte, und darum erscheint es unter meinem vollen Namen", erklärt der Sänger.
"Ohne arrogant zu klingen, aber ich kann viele Dinge umsetzen und einfach Spass daran haben, ohne mir Gedanken darüber machen zu müssen, was und wie die Leute darüber denken", gibt Udo mit einem breiten Grinsen zu Protokoll. "Ich hörte dabei immer auf mich selber, und darum bin ich noch immer im Geschäft dabei (lacht). Das wäre wahrscheinlich anders, wenn ich mir alle Ratschläge zu Herzen genommen hätte", erinnert sich Udo an Vergangenes. "Wer weiss, vielleicht spielen wir «No Class» auf der kommenden Tour, das wäre schon geil (lacht)". Auf meine Frage, ob sich Udo vorstellen könnte, «My Way» am Piano sitzend zu spielen, beantwortet er lachend folgendermassen: "Da müsste ich aber viel üben. Ich spielte mal Keyboard, aber das ist schon eine Weile her (räuspert sich), doch ich hätte jemand, der Klavier spielen kann. Oder wir bringen den Song auf der Akustikgitarre" philosophiert der Sänger. Nachdem er fast alles gemacht hat, sei es akustisch, mit einem Orchester oder nun die Covers, bleibt Udo nur noch ein Wunsch offen: "Was ich noch gerne machen würde, ist ein Rock-Musical. Mal sehen, wie die Zeit das zulässt."
Fazit: Die Lieder, welche Udo beeinflusst haben und die er sich sehr wahrscheinlich auf dem Walkman anhörte, haben sich mit der DNA des Sängers mit der rauchigen Stimme vereinigt. Die Frage nach dem ominösen: "Was war zuerst, das Ei oder das Huhn?" könnte problemlos auf «My Way» übertragen werden. Was war zuerst, das Original oder das Cover von Udo Dirkschneider?